sueddeutsche.de: Könnten Sie ein paar davon verraten?
Webster: Es gab eine Phase, in der ich vom Gedanken, das Öl aus unserem Leben zu verbannen, richtig besessen war. Also habe ich zum Beispiel eines Tages beschlossen, wir sollten Plastikprodukte, die wir nicht dringend brauchen, wegwerfen. Meine Frau sortierte entnervt das Küchenregal aus, meine Söhne ihr Spielzeug. Mit diesem Müll haben wir die Umwelt natürlich noch mehr belastet. Oder ich habe die Heizung herausgerissen und Elektroöfen gekauft. Ohne daran zu denken, dass die Herstellung unserer Neuanschaffungen auch mit hohen CO2-Emissionen verbunden war. Ich habe wohl ziemlich überreagiert.
sueddeutsche.de: Auch wenn man die Welt verändern will, hilft es also nicht unbedingt, radikal zu werden?
Webster: Ich denke mittlerweile, es ist wichtig, solche Dinge langsam anzugehen. Die Leute sollten sich kleine Ziele setzen, zumindest mit irgendetwas anfangen. Dann sehen sie mit der Zeit den Nutzen, den sie davon haben und stecken sich vielleicht weitere Ziele. Diesen radikalen "Alles-oder-nichts"-Ansatz, den viele Umweltschützer predigen, halte ich für unrealistisch.
sueddeutsche.de: Kann es die zwischenmenschlichen Beziehungen auch belasten, wenn man sein Leben derartig umstellt?
Webster: Ja, das war eines der schwierigsten Dinge, die ein Wandel der Lebensgewohnheiten mit sich bringt. Wenn man Freundschaften oder eine Partnerschaft aufbaut, geschieht dies aufgrund von Werten und Vorstellungen, die man teilt. Wenn sich nun bei jemandem diese Werte stark verschieben, etwa weil er Tierschützer oder religiös wird, fehlt plötzlich ein Teil dieser gemeinsamen Grundlage. Gegen Ende des Projekts war meine Frau also wirklich besorgt, da ich nur noch obsessiv damit beschäftigt war, wie man mehr Emissionen einsparen könnte. Mittlerweile leben wir immer noch klimabewusst, aber ich habe gelernt, die Sache gelassener anzugehen und mich beim Energiesparen auf die Dinge zu konzentrieren, die zählen.
sueddeutsche.de: Und die wären?
Webster: Der heimische Energieverbrauch, Transport und Essen sind die drei Bereiche, die 80 Prozent der privaten Emissionen verursachen. Hier lohnt es sich also, zu sparen. Während des Experiments hatte sich unser Kohlendioxid-Ausstoß halbiert. Mittlerweile ist er noch mehr gesunken, da wir uns zum Beispiel ein emissionsneutrales Haus gebaut haben. Außerdem fliegen wir nicht mehr in den Urlaub, sondern benutzen den Zug. Das Auto verbraucht natürlich immer noch viel, aber wir versuchen, es so selten wie möglich zu benutzen.
sueddeutsche.de: Haben Sie eine Idee, wie man nicht nur seine Familie, sondern auch die Gesellschaft zum Umdenken bewegen könnte?
Webster: Ein großes Problem war bislang, dass der Klimawandel langsam und weitestgehend im Verborgenen abläuft, und wir nicht sehen, wie viel wir wirklich verbrauchen. Vielleicht ist das ein positiver Nebeneffekt der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko: Dass sichtbar wird, welche Unmengen an Erdöl wir tatsächlich verbrauchen, und wie schnell das zum Problem werden kann. Die in den letzten Monaten ausgelaufenen 50 Millionen Tonnen Öl sind weniger, als die Welt an einem Tag an Erdöl verbraucht, nämlich etwa 84 Millionen Tonnen Öl.
Und man muss zeigen, wie sehr die Menschen davon profitieren, wenn sie Energie sparen. Ein nachhaltig wirtschaftender Energiekonzern in Kalifornien hat an seine Kunden Briefe verschickt, in denen stand, wie viel sie und ihre Nachbarn verbrauchten. Die Kunden konnten also sehen, wer im Viertel am meisten Energiekosten sparte und sich fragen, ob sie weiterhin mehr verbrauchen und bezahlen wollten als andere. Oftmals wird beim Umweltschutz ein Ideal gepredigt, das in der Realität nicht durchzusetzen ist. Dabei muss man einfach davon ausgehen, wie die Menschen wirklich sind und sich das zunutze machen. Die Werbung und die Industrie machen das schon seit Jahrzehnten.
sueddeutsche.de: Was war bei Ihrer "Öl-Diät" die größte Überraschung für Sie?
Webster: Wahrscheinlich wie schnell man lernt, auf etwas zu verzichten, ohne an Glück und Zufriedenheit einzubüßen. Und auch, wie schnell man sich an einen anderen Zeitrhythmus gewöhnt: Ohne Auto hat sich unser Leben verlangsamt, und davon hat auch unser Familienleben profitiert. Ich habe zum Beispiel herausgefunden, dass auch im Regen stehen und gemeinsam auf den Bus zu warten, sogenannte quality time mit den Kindern ist. Wir haben auf diese Weise viel mehr Zeit miteinander verbracht. Ich denke, dass jeder durchschnittliche Bürger leicht zehn bis zwanzig Prozent seines Verbrauchs einsparen könnte, ohne wirklich darunter zu leiden.
Der Film zum Projekt: John Webster, Recipes for Disaster, Millennium Film Finland, 2008.