Der britisch-finnische Dokumentarfilmer John Webster, 43, führte in Espoo, einem Vorort Helsinkis, ein typisches Familienleben. Dann entschied er sich, ein Jahr auf "Öl-Diät" zu gehen. Seine Familie machte mit.
Hat sich mit seiner Familie einer strengen Diät unterzogen: Dokumentarfilmer John Webster verzichtete ein Jahr lang auf den Komfort von Auto, Flugzeug und Plastikprodukten. Und entdeckte eine neue Lebensqualität.
(Foto: Millennium Film)sueddeutsche.de: Herr Webster, für ein Dokumentarfilmprojekt haben Sie beschlossen, ein Jahr auf "Öl-Diät" zu gehen. Sie wollten Ihre Schadstoffemissionen einschränken und keine Plastikprodukte, die schließlich auch aus Erdöl hergestellt werden, mehr kaufen. Gab es dafür einen speziellen Anlass?
John Webster: Ich hatte mich vor dem Projekt kaum mit der Klima- und Energieproblematik beschäftigt oder für den Umweltschutz engagiert. Wir führten das Dasein einer durchschnittlichen Mittelklasse-Familie in Espoo, einem Vorort von Helsinki. Aber wir haben ein Sommerhaus auf einer Insel des finnischen Archipels. Das Ökosystem dort ist sehr empfindlich, und kleinste Veränderungen richten bereits Schaden an. Dies zu beobachten hat mich sehr getroffen, denn wir zerstören die Natur nicht aus nachvollziehbarem Grund, etwa weil wir Essen für unsere hungrigen Kinder beschaffen müssten. Der Schriftsteller Kurt Vonnegut hat einmal vorgeschlagen, am Grand Canyon eine Nachricht für Außerirdische zu hinterlassen, die lautet: "Wir hätten uns retten können, aber wir waren zu faul, um uns wirklich Mühe zu geben. Und verdammt geizig." Ich denke, das bringt unser Verhalten gut auf den Punkt.
sueddeutsche.de: Ihre Familie hat mitgemacht. Wie überzeugt man seine Frau, keine abgepackten Lebensmittel oder Haarshampoo mehr zu kaufen?
Webster: Mit der Idee einer "Öl-Diät" hatte sie sich noch halbwegs anfreunden können, schließlich sollte das ganze Experiment nur ein Jahr dauern. Was ihr mehr Sorgen bereitete, war die Tatsache, mit dem Film unser Leben öffentlich zu machen. Aber sie wusste, wie viel mir das Projekt bedeutete. Ich hatte lange zum Thema Klimawandel recherchiert und war letzten Endes zu der Einsicht gekommen: Wenn ich möchte, dass sich die Dinge ändern, müssen meine Familie und ich anfangen. Wir mussten also improvisieren. Meine Frau hat zum Beispiel die Wimperntusche ihrer verstorbenen Mutter immer wieder verdünnt, um keine neue kaufen zu müssen. Sie forderte allerdings, dass unsere Kinder nicht unter dem Projekt leiden dürften.
sueddeutsche.de: Ihre Söhne waren damals vier und acht Jahre alt. Haben sie rebelliert, als sie kein Plastikspielzeug mehr bekamen und überall mit dem Bus hinfahren mussten?
Webster: Nein, Kinder können sich erstaunlich schnell an neue Situationen gewöhnen. Und das, was wichtig war, haben wir ihnen immer noch bieten können, nämlich Zuwendung und ein Gefühl von Sicherheit. Überhaupt sind Kinder es gewohnt, sich an Regeln zu halten. Sie kommen damit klar, auf etwas zu verzichten.
sueddeutsche.de: Wer sich eigentlich kindisch verhält sind also die Erwachsenen, die sich in nichts einschränken wollen?
Webster: Ja, in gewisser Hinsicht. Aber dieses Verhalten ist auch fest in uns verankert, in der Wissenschaft nennt man das Phänomen "Tendenz zum Status quo". Hat sich der Mensch einmal an etwas gewöhnt, versucht er normalerweise, die gewohnten Strukturen zu erhalten, koste es was es wolle. Wenn wir doch etwas ändern, dann möchten wir absolut sicher sein, dass das Ergebnis sehr viel besser sein wird als unsere momentane Situation.
sueddeutsche.de: Haben Sie sich vor Beginn des Projekts einen Plan gemacht, wie Sie genau vorgehen und was Sie alles einsparen wollen?
Webster: Nein, denn ich wollte das Projekt gemeinsam mit meiner Familie starten und nicht schon zuvor alles besser wissen. Außerdem wollte ich unseren Lernprozess abbilden und sichergehen, dass der Film in gewisser Weise lustig wird. Was, wie ich denke, auch gelungen ist. Wir haben in dieser Zeit einfach einige Dummheiten gemacht. Oder besser gesagt: Ich habe sie gemacht.