Bei den Urlaubsgrüßen steht die Postkarte längst in Konkurrenz zu digitalen Messengerdiensten wie Whatsapp. Laut einer Umfrage verschicken 51,4 Prozent der Deutschen ihre Grüße nur noch digital. Trotzdem beförderte die Post 2017 noch mehr als 195 Millionen Ansichtskarten (15 Millionen weniger als noch 2014). Josephine Obert, 32, von der Technischen Universität Dresden über den Wandel bei der Urlaubspost.
SZ: Frau Obert, Sie haben rund 12 000 Ansichtskarten analysiert. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Josephine Obert: Mein Team und ich haben Karten aus den 1920ern bis 2014 gespendet bekommen und wissenschaftlich untersucht. Eines unserer Ergebnisse ist: Die Texte werden immer kürzer.
Tatsächlich?
Früher wurde mehr berichtet, was die Leute gemacht haben und was die nächsten Pläne sind. Da war die Postkarte vergleichbar mit einem Brief.
Postkarten damals und heute:Liebe Grüße aus Erding
Der Tourismus boomt in der Kreisstadt, und immer noch werden gerne Postkarten verschickt. Die Motive haben sich allerdings stark verändert.machen.
Und warum verschicken die Leute in Zeiten von Whatsapp überhaupt noch Ansichtskarten?
Man möchte dem Empfänger einfach zeigen: "Ich bin wirklich hier gewesen." Inhaltlich geht es ja vor allem darum: "Wir schicken Dir ganz liebe Grüße. Der Strand ist total schön." Die Aufteilung Text/Bild ist bei Whatsapp-Urlaubsgrüßen im Vergleich zu der Ansichtskarte sehr ähnlich. Nur dass man heute die Fotos selber macht.
Was hat sich sprachlich verändert?
Uns ist aufgefallen, dass das Wort "Genießen" auf Postkarten der 1920er bis 1950er Jahre kaum benutzt wird. Da hieß es eher bewertend: "Es gefällt uns hier. Der Strand ist schön." Heute aber wird das Wort geradezu inflationär verwendet. Da schreiben die Leute dann: "Wir genießen den Urlaub in vollen Zügen." So, als wollten sie sich noch mal schriftlich versichern, dass das auch wirklich stimmt.
Gibt es sonst noch einen Trend?
Die handgeschriebenen Grüße gleichen immer mehr der digitalen Textnachricht. Es werden zum Beispiel Smileys gesetzt.
Smileys?
Ja. So Sachen wie Semikolon und Klammer zu. Sie wissen schon: Dieses grinsende Zwinker-Smiley. Das Interessante ist: Früher wurden solche emotionalen Ausdrücke nicht gezeichnet. Heute muss der Leser den Kopf schräg legen, um das Smiley zu sehen. Halt genauso wie bei einer SMS oder E-Mail.
Das habe ich auch schon so gemacht.
Ich gebe zu: Wenn ich ein Herz auf eine Ansichtskarte zeichne, dann verwende mittlerweile auch ich eine spitze Klammer und die Zahl 3. Weil das nebeneinander so aussieht wie ein liegendes Herz. Irgendwie schon bescheuert.