Dem Geheimnis auf der Spur:Der Mann, der den Eiffelturm verkaufte

Count Victor Lustig

Mein Freund, der Gauner: Victor Lustig (vorne) und Al Capone (zweiter von links).

(Foto: 91050/United_Archives/TopFoto/picture-alliance)

Paris, 1925: Der Betrüger Victor Lustig gibt sich als Beamter aus und bietet den Stahl des Wahrzeichens der Stadt zum Verkauf an - es ist nur einer seiner kuriosen Tricks. Rückblick auf einen legendären Kriminellen.

Von Christoph Koopmann

Dass es einmal eine Zeit gegeben hat, in der Paris und der Eiffelturm noch nicht unzertrennlich zusammengehörten, mag heute schwer vorstellbar sein. Doch um die vorvergangene Jahrhundertwende war es tatsächlich so: Alexandre Dumas und Guy de Maupassant zum Beispiel regten sich schon vor der Errichtung furchtbar auf über den "unnötigen und ungeheuerlichen" Turm, der 1889 zur Weltausstellung schließlich doch eingeweiht wurde.

Auch mehr als 30 Jahre später waren viele Pariser noch immer nicht besonders glücklich über den Stahlkoloss in ihrer Stadt: abbauen, weg damit! Die Zeitungen der Stadt verbreiteten die Forderungen und Gerüchte nach der Dekonstruktion des Turms jedenfalls eifrig.

Im Jahr 1925 kam schließlich jemand auf die Idee, diesen Umstand zu seinem Vorteil auszunutzen, ein Mann, der sich Victor Lustig nannte - einer der größten Gauner seiner Zeit. Berufsverbrecher, Trickbetrüger, ein "Con Man", der sich das Vertrauen seiner Opfer erschlich, um sie dann auszunehmen. Und ihnen beispielsweise den Eiffelturm anzudrehen.

Um diesen Victor Lustig rankten sich schon zu Lebzeiten einige Legenden und Erzählungen, und die Unklarheiten beginnen schon damit, dass nicht einmal gesichert ist, wie er wirklich hieß. Er nutzte 47 Identitäten, besaß Dutzende falsche Pässe, sogar einen falschen Titel, nannte sich "Graf". Er behauptete, im Städtchen Hostinné geboren zu sein, damals Arnau genannt und Teil Österreich-Ungarns, heute Tschechiens. Seine kriminelle Karriere begann er mit Taschendiebstählen, Kartentricks und anderen Kleinbetrügereien.

Immer ein Gentleman, nie bewaffnet

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs setzte er in die USA über und entwarf beispielsweise eine angebliche Geldfälschmaschine, die er denen, die sich als seine Kunden wähnten, wortreich als Meisterwerk verkaufte, dem man nur einige Stunden Zeit geben müsse, ehe aus einem echten Geldschein Dutzende nachgemachte würden. Wenn nach Stunden klar wurde, dass die versprochene "chemische Reaktion" einfach nicht passieren wollte, war Lustig längst verschwunden.

Eine Masche, die ihn binnen kurzer Zeit einerseits zum Millionär gemacht haben soll, ihm andererseits wohl unter Polizisten Dutzender Städte rasch einen Ruf einbrachte: gewieft, einnehmend - aber immer Gentleman, "der nie eine Waffe hielt", wie der Journalist Jeff Maysh in seiner Lustig-Biografie mit dem Titel "Handsome Devil" rekonstruiert.

So ging Victor Lustig auch seinen wohl größten Coup an. Im Mai 1925 war er in Paris angekommen und hörte von den Gerüchten über einen möglichen Abbau des Eiffelturms. Lustig entsann einen Plan. Dafür mietete er sich im Hôtel de Crillon an der Place de la Concorde ein, damals wie heute eine der exklusivsten Adressen der Stadt.

"Graf" Lustig gab sich als stellvertretender Direktor des Post- und Telegrafenministeriums aus, dem die Aufgabe anvertraut sei, den Abriss des Eiffelturms zu organisieren und den Stahl zu veräußern. Dies schrieb Lustig, auf offiziellem Briefpapier natürlich, renommierten Eisenhändlern, denen er eine Ausschreibung vorgaukelte, aber: strengste Geheimhaltung, bitte sehr!

Von der Aussicht auf 7000 Tonnen wertvollen Stahls - und dann auch noch von so einem berühmten Bauwerk - fasziniert, lauschten die Kaufleute den Ausführungen Victor Lustigs bei einem Treffen in dem Nobelhotel. Lustig soll die Händler sogar zur Besichtigung auf den Turm geführt haben. Wer am meisten biete, würde den Zuschlag erhalten, teilte er mit.

Zugleich beobachtete Lustig, wer wohl das leichteste respektive leichtgläubigste Opfer sein würde. Lustigs Wahl fiel auf André Poisson (wobei Lustigs Tochter später einen anderen Namen nannte). Dessen anfängliche Zweifel, ob dieses Geschäft auch wirklich seriös sei, zerstreute Lustig mit einer einigermaßen unverblümten Bitte um ein Bestechungsgeld - nur ein korrupter Beamter könne schließlich ein echter Beamter sein.

Al Capone war angetan von seiner Ehrlichkeit

So überreichte Poisson dem "Grafen" einen Scheck und dazu einen Umschlag mit persönlicher Zuwendung. Damit verzog sich Lustig schnellstmöglich nach Wien und wartete ab, wann die Pariser Zeitungen über seinen Schwindel berichten würden. Doch er fand: nichts. So kehrte er wenig später nach Paris zurück und probierte den Trick ein zweites Mal - diesmal jedoch flog der Betrug auf, ehe ein Kaufvertrag geschlossen war.

Wie sich herausstellen sollte, war es seinem ersten Opfer Poisson schrecklich peinlich gewesen, dass er auf Lustigs Masche hereingefallen war. Er zeigte den Betrüger nie an. Deshalb ist auch nicht gesichert, wie viel Geld sich Victor Lustig mit dem Eiffelturm ergaunerte. Und auch wenn der zweite Versuch ihm finanziell nichts einbrachte, schaffte Lustig immerhin die Flucht zurück in die USA.

Dort trickste er weiter fleißig vor sich hin. In Chicago etwa bot er einem zwielichtigen Geschäftsmann an, eine Summe von 50 000 US-Dollar binnen zwei Monaten zu verdoppeln: Al Capone. Als die Frist abgelaufen war, teilte Lustig dem Mafiaboss mit, die Geldvermehrung habe leider nicht funktioniert, aber immerhin das Startkapital gebe er ihm wieder zurück, er sei ja seriös. Von dieser "Ehrlichkeit" angetan, schenkte Al Capone ihm 1000 oder 5000 Dollar, die Angaben dazu gehen auseinander.

Lustig betätigte sich anschließend vor allem als Geldfälscher und wurde 1935 verhaftet. Wenige Monate später gelang ihm jedoch die Flucht aus einem vermeintlich ausbruchssicheren Gefängnis in Manhattan - und zwar, ernsthaft, mithilfe aneinander geknoteter Bettlaken. Einen knappen Monat verbrachte er noch in Freiheit, ehe FBI und Secret Service sein Auto nach einer Verfolgungsjagd in Pittsburgh rammten und Lustig erneut festnahmen. Eine Lokalzeitung berichtete damals, Lustig habe bloß gesagt: "Well boys, here I am."

Man verurteilte ihn zu zwanzig Jahren Haft, zu verbüßen in einem Gefängnis, das sich diesmal auch für Lustig als ausbruchssicher erweisen sollte: Alcatraz. Dort saß er noch ein paar Jahre lang gleichzeitig mit seinem Bekannten Al Capone ein.

Victor Lustig erkrankte in Haft schwer und wurde in ein Gefängniskrankenhaus in Missouri verlegt, wo er 1947 an einer Lungenentzündung starb. Auf Lustigs Sterbeurkunde steht jedoch: Robert V. Miller. Einer seiner Decknamen. Als Beruf ist dort eingetragen: "Kaufmann in Ausbildung".

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