Ehe-Vorbereitungsseminar:Paarschulung mit Gottes Hilfe

Hochzeit

Ehe will geübt sein. Die Kirche bietet Seminare an für Paare, die heiraten wollen.

(Foto: misterQM / photocase.de)

Die Zeiten ändern sich: Wer sich mithilfe der katholischen Kirche auf die Ehe vorbereitet, kann einige Überraschungen erleben.

Von Julia Rathcke

Sie alle hätten sich wohl was Schöneres vorstellen können an diesem Sonntagmorgen. Jetzt sitzen sie im großen Stuhlkreis um eine Kerze herum, hören meditative Pianomusik und halten Händchen. "Bitte erforschen Sie nun Ihren Partner", sagt die Kursleiterin, "so als wäre es das erste Mal." Natürlich ist das nicht das erste Mal, dass sie die Hand ihres Partners halten, schließlich hat einer von beiden ja schon um die des anderen angehalten. Und das hier ist auch kein Meditationskurs oder irgendeine Selbsthilfegruppe - das hier ist ein Tag, der die Teilnehmer für den wichtigsten Tag ihres Leben wappnen soll: ein Ehe-Vorbereitungsseminar.

Ein Angebot für Paare, die sehr verbindlich, nämlich kirchlich heiraten wollen. Organisiert und finanziert von der katholischen Kirche. Der ist die Familie ja bekanntermaßen heilig. Vor allem die Ehe zwischen Mann und Frau, man könnte sagen: als kleinste Form der Familie.

Zehn Minifamilien sitzen also hier im Stuhlkreis mit Namensschildchen aus Kreppband. Eins von elf angemeldeten Paaren ist nicht gekommen, Sebastian und Katarina Schütt etwas zu spät. Standesamtlich haben sie schon geheiratet, den Sohn zu Oma und das Frühstück mitgebracht. Ein bisschen müde, ein bisschen gestresst, und wie die meisten, die man in dieser Runde fragt: ohne große Erwartungen. Sebastian Schütt ist eigentlich aus der Kirche ausgetreten.

Arbeitsaufträge für die gelungene Ehe

Pastoralreferentin Ursula Demeter dagegen wirkt sehr ausgeschlafen, sehr gut gelaunt und nimmt eines gleich vorweg: "Was Sie heute nicht bekommen, ist ein Vortrag voller Ratschläge einer altgedienten Ehefrau." Aufatmen. "Was ich für Sie habe", sagt die 51-Jährige geradezu euphorisch, "das sind Impulse". Was sie meint, sind die Arbeitsaufträge für heute: ein Papier-Ehe-Haus bauen, eine meditative Reise in die Kindheit, einen Liebesbrief schreiben, eine Vertrauens-Körperübung. Und dann kommt erst die Mittagspause.

Zunächst aber: Vorstellungsrunde. "Das soll ja nicht bierernst werden", sagt Demeter und wirft einen Ball in die Runde. Neben Name, Beruf und Beziehungsdauer soll jeder Ballfänger außerdem einen Gegenstand von einem Tisch voller Gerümpel nehmen und was zum Thema Ehe sagen. Die Frauen: erwartungsgemäß emotional, greifen Steine oder Seile und sagen Sachen wie "Das hier ist der Grundstein, auf den wir unsere Ehe bauen." Oder: "Mit einem Seil kann man sich absichern und auffangen, so soll unsere Ehe sein." Ein Mann hat sich Batterien ausgesucht und sagt, er hätte lieber einen Akku gehabt. Ein anderer hält eine Postkarte hoch, auf der steht: "Die drei größten Krisen für den Mann: Job weg, Frau weg, Kratzer im Lack" und sagt: "Klingt witzig, ist aber so."

Früher hätte es das nicht gegeben, eine Ursula Demeter, die Menschen im Auftrag des Herrn einen Tennisball werfen, sich anfassen und Liebesbriefe schreiben lässt. Mitte der Fünfzigerjahre, als die Ehe und das Mutter-Vater-Kind-Modell noch als die einzig wahre Form des Zusammenlebens galten, haben Pfarrer zusammen mit Ärzten und Juristen zwar auch schon Paare beraten. Vielmehr ging es aber um Belehrung, über die Kirche, ihre Rechte und ihre Pflichten. "Das war alles sehr dogmatisch", sagt Demeter. Früher habe sie selbst noch Kirchenlieder mit den Teilnehmern gesungen. "Kennt ja kaum einer mehr." Heute stehen die Paare im Mittelpunkt, ihre Liebe, ihre Probleme - und nicht mehr die Institution Kirche.

Der Pfarrer zwingt niemanden, aber er empfiehlt dringend

Die Ehevorbereitung nimmt in den meisten Bistümern mittlerweile einen eigenen Fachbereich ein. 180 Referenten sind allein im Erzbistum München mit 140 Tages- und Wochenendseminaren im Jahr beschäftigt. Alle ausgebucht. Auch wenn die Zahl der kirchlichen Trauungen stetig sinkt: Laut Erzbistum besucht konstant ein Viertel dieser Brautpaare zuvor einen solchen Kurs. Manchmal, weil sie ehrlich interessiert oder gläubig sind. Meistens, weil der Pfarrer sie schickt. Das geben viele Paare an diesem Sonntag zu. Zwingen die Pfarrer also Brautpaare zur solchen Kirchenkursen? Hans Huber, Dekan der Pfarrei St. Lambert in Seeon, zögert. "Sagen wir so: Eine Nicht-Teilnahme wird nicht sanktioniert." Aber er würde das dringend empfehlen. Die Paare seien danach "für spirituelle Dimensionen aufgeschlossener".

Aber was bringt nun so ein Seminar? Es will, wie der Name schon sagt, auf etwas vorbereiten - eine gruppendynamische Übung, eine Paarschulung mit Gottes Hilfe und noch mehr gesundem Menschenverstand. So wie Schüler sich im Nachhilfekurs auf einen Vokabeltest einstellen oder Fußballspieler sich eine Offensivtaktik vor dem nächsten Spiel zurechtlegen. Aber wie, bitte schön, bereitet man sich auf eine Ehe vor, die idealerweise ein Leben lang halten soll?

An Rettungsmaßnahmen denkt hier im Pfarrzentrum von St. Michael in der Münchener Innenstadt noch niemand. Höchstens vielleicht die junge Frau, dessen Verlobter sich in der Vorstellungsrunde schon nicht mehr an das Hochzeitsdatum erinnern kann. Sie lächelt demonstrativ. Klar, es kann auch mal Krisen geben. Kursleiterin Demeter ist seit 26 Jahren verheiratet, hat drei Kinder und findet, Streit gehört dazu. Aus ihrer Zeit als Eheberaterin kennt Demeter viele, die verzweifelt vor ihr stehen und sagen: "Mein Mann betrügt mich. Jeden Abend. Mit dem PC!" Da muss man im Alltag vorbeugen. Es geht schließlich um lebenslängliche Treue, nicht nur in sexueller Hinsicht. Die Liebe zeigt sich ja in den kleinen Dingen. In Notizzetteln am Kühlschrank: "Ich denk an dich." Oder "Bring bitte Klopapier mit, Schatz." Und dann gibt es noch die Fünf-zu-eins-Taktik. Demeter zitiert einen amerikanischen Paartherapeuten: Fünf Komplimente machen eine Nörgelei wieder wett.

Der Teddy, ein Symbol der Liebe

Einen ganzen Brief voller Komplimente sollen die Paare sich schreiben, als "Schmankerl des Tages", wie Ursula Demeter schon den ganzen Tag ankündigt. Für einige ist es der erste Liebesbrief, für andere vielleicht der letzte. Ernst nehmen diesen Tag alle. Selbst als sich Ursula Demeter ihren 49 Jahre alten Teddybär "Fritzi" auf den Schoß setzt, um den Begriff "Sakrament" zu erklären, nicken alle bedächtig. Beides sei nämlich "ein sichtbares Zeichen einer unsichtbaren Wirklichkeit", erklärt Demeter. Ein Zeichen für Liebe.

Sebastian und Katarina Schütt sind überrascht. So weltlich hatten sie sich den Sonntag in der Kirche gar nicht vorgestellt. Dass einem hier nicht nur die Leitlinien der Kirche eingetrichtert werden. Die beiden sind aus eigenem Interesse hier und am Ende ganz froh darüber. "Zu Hause würden wir doch nie so unsere Beziehung reflektieren." Ein bisschen unbefriedigend sei das mit dem einmaligen Vorbereitungsseminar aber schon. "Ist ja wie beim Erste-Hilfe-Kurs: Den machst du, weil du ihn für den Führerschein brauchst", sagt der 44-Jährige, "aber kannst du nach zehn Jahren noch jemanden in die stabile Seitenlage bringen?"

Auch da hat die katholische Kirche vorgesorgt. Auf dem Tisch neben dem Krimskrams liegt ein Haufen Prospekte. Werbung für Wochenendseminare in der Ehe: "Intimität - eine heilige Begegnung", "Mit dir im Garten des Lebens" oder "Meditatives Bogenschießen". Falls jemand noch ein Hochzeitsgeschenk sucht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: