Ehe und Partnerschaft:"Sex ist ein Tabuthema"

Ein Anruf bei Anabell Schrader, die Ehekurse veranstaltet und erklärt, was man tun kann, um verlorengegangene Gefühle für den Partner wiederzuerwecken.

Sarina Pfauth

Familieninitiativen, Kirchengemeinden, Unternehmen und Kulturbetriebe bieten während der bundesweiten Aktion "Marriage Week" vom 7. bis 14. Februar Gelegenheiten, Zeit zu zweit zu verbringen. Bei Anabell Schrader aus Müden an der Aller in Niedersachsen und ihrem Mann Günter kann man zum Beispiel ab Samstag einen Ehekurs belegen.

Ehe und Partnerschaft: "Sex ist ein Tabu-Thema"; Marriage Week; iStock

"Viele Paare sagen irgendwann: Wir haben uns auseinandergelebt. Wenn das nicht passieren soll, muss man sich aktiv darum kümmern", sagt Anabell Schrader.

(Foto: Foto: iStock)

sueddeutsche.de: Wie kommen Sie dazu, einen Ehekurs anzubieten?

Anabell Schrader: Mein Mann und ich begleiten seit 20 Jahren ehrenamtlich Paare und halten Ehe-Vorbereitungskurse bei "Team F", einer christlichen Familieninitiative. Vorher hatten wir selbst ein solches Seminar belegt, und das hat uns sehr angesprochen. In Deutschland gibt es für alles Scheine und Ausbildungen, aber heiraten tut man einfach so. Man macht dann einfach das, was man bei anderen sieht. Gute Ehe-Vorbilder fehlen aber oft.

sueddeutsche.de: Warum finden Sie es wichtig, Ehen zu retten?

Schrader: Weil sie ein wichtiger Pfeiler in unserer Gesellschaft sind. 40 Millionen Bundesbürger sind verheiratet, das ist eine enorme Gruppe, der man durchaus mal was Gutes tun kann. Ich sehe einen großen Zerfall an Beziehungsfähigkeit und an gesunden, tragfähigen Familien. Immer mehr Kinder müssen damit leben, dass ihre Eltern sich trennen. Ich will etwas tun, damit die Ehen nicht nur halten, sondern auch glücklich sind.

sueddeutsche.de: Und wofür braucht man Ihren Ehekurs?

Schrader: Viele Paare sagen irgendwann: Wir haben uns auseinandergelebt. Wenn das nicht passieren soll, muss man sich aktiv darum kümmern - und wie das geht, lernt man im Ehekurs.

sueddeutsche.de: Welche Fähigkeiten trainieren Sie denn?

Schrader: Ein Ziel ist, dass man einen neuen Blick für den Partner bekommt. Damit man aus der Unzufriedenheit und Nörgelei rauskommt, üben wir zum Beispiel ganz konkret Wertschätzung und Dankbarkeit.

sueddeutsche.de: Und was lernt man da sonst so?

Schrader: Zum Beispiel, wie man Konflikte konstruktiv löst. Es geht auch um die eigene Prägung - die kann Positives beinhalten, aber auch Altlasten wie eine ungute Streitkultur, die man sich bei seinen Eltern abgeschaut hat. Ein wichtiges Thema ist, wie man erfüllte Sexualität leben kann. Das wird in den Medien ziemlich breitgetreten - aber trotzdem ist das bei Ehepaaren häufig ein Tabuthema. Darüber spricht man nicht mit Freunden - und auch nicht miteinander. Genauso wenig wie über die eigene Ehe. Apropos: Man lernt im Kurs auch, wie man tiefer miteinander redet. Viele sprechen nur über Kinder, Beruf und Hobbys, aber nicht über das, was die Partnerschaft eigentlich ausmacht.

Lesen Sie weiter: Was die Partnerschaft ausmacht - und warum fünf Minuten für einige Paare ganz schön lang sein können.

"Liebe ist eine Entscheidung"

sueddeutsche.de: Das wäre?

Ehe und Partnerschaft: Anabell Schrader und ihr Mann Günter. Die beiden sind seit 20 Jahren verheiratet und haben vier Kinder.

Anabell Schrader und ihr Mann Günter. Die beiden sind seit 20 Jahren verheiratet und haben vier Kinder.

(Foto: Foto: privat)

Schrader: Dass man wirklich Anteil nimmt an dem, was den anderen beschäftigt. Was ihm Sorgen macht, was ihn freut. Kurz: Dass man sich dafür interessiert, was im Herzen des anderen los ist. Viele denken, Liebe sei nur ein Gefühl - und wenn das Gefühl weg ist, muss man sich einen neuen Partner suchen. Aber Liebe ist mehr eine Entscheidung, die ich treffe. Und ich kann etwas dafür tun, dass die Gefühle wiederkommen. Zum Beispiel, indem ich an meiner Kommunikation arbeite.

sueddeutsche.de: Wie läuft ein solcher Kurs ganz praktisch ab?

Schrader: Er dauert zehn Abende, jedes Mal wird ein anderes Thema angesprochen. Nach einem kurzen Vortrag kommen die Paare zu zweit ins Gespräch. Dann tauschen sie sich mit anderen Paaren in Kleingruppen aus. Da werden dann die Hausaufgaben durchgesprochen. Was konnten wir umsetzen, wo hakt's noch?

sueddeutsche.de: Es gibt Hausaufgaben?

Schrader: Ja, die Paare bekommen immer eine Hausaufgabe, bei der sie das Gehörte trainieren. In einer Woche besteht die Aufgabe darin, den Partner bewusst zu begrüßen, wenn er nach Hause kommt. In der nächsten Woche sollen sich die Paare jeden Tag fünf Minuten lang etwas Positives sagen. Fünf Minuten sind da manchmal ganz schön lang.

sueddeutsche.de: Wer meldet sich zu einem solchen Kurs an?

Schrader: Am letzten Kurs nahmen 15 Ehepaare teil. Das jüngste Paar war ein Jahr verheiratet, das älteste 30 Jahre. Es gibt welche, die das vorbeugend machen, die sagen: Was gut ist, kann ja noch besser werden. Andere sind an einem Punkt, an dem sie wirklich Hilfe brauchen.

Anabell Schrader ist verheiratet, Mutter von vier Kindern zwischen zwöf und 19 Jahren - und managt hauptberuflich ihre Familie. Sie wohnt in Müden/Aller in Niedersachsen und engagiert sich ehrenamtlich bei der Organisation "Team F" und für die "Marriage Week", die in dieser Woche stattfindet. Schrader organisiert dafür zusammen mit mehreren Ehepaaren aus ihrem Dorf auch einen Feuer-und-Flamme-Abend - ein Wintergrillen mit Glühwein und Bambusfackeln, bei dem sich die Paare gegenseitig einen Fleischspieß zusammenstellen und füreinander grillen sollen. Und beim Bäcker vor Ort gibt es während der Marriage Week Herz-Brötchen.

In ganz Deutschland stehen während der Aktionswoche die Themen Ehe und Partnerschaft im Mittelpunkt vieler Veranstaltungen. Die Initiative von christlichen Familienorganisationen und Vertretern aus Kirche, Kultur und Politik hat zum Ziel, den Wert der Ehe in der Gesellschaft zu stärken.

Der Initiator, Richard Kane, hatte die Idee zur Marriage Week Mitte der neunziger Jahre in einem britischen Baumarkt. Er sah, wie viel Arbeit, Geld und Mühe Menschen in ihre Häuser stecken, damit sie es schön und behaglich haben. Ihm kam der Gedanke, wie wenig die Menschen dafür tun, dass die Beziehungen in diesen hübschen Häusern gut laufen. Inzwischen wird die bundesweiten Aktion "Marriage Week", die in Großbritannien entstand, auch in der Schweiz, Tschechien, Ungarn, Belgien, Irland, Australien und in den USA durchgeführt. In Deutschland findet sie zum zweiten Mal statt.

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