"Doku-Soap" in der ARD: die Bräuteschule:Kreischen im Plumeau

Da lacht das Mädchenpensionat: Die ,,Bräuteschule'' der ARD gibt sich aufklärerisch und ist dabei besonders albern. Mit den Fünfzigerjahren hat die Serie nicht viel gemein.

Hermann Unterstöger

In der dritten Folge der von der ARD betriebenen Bräuteschule 1958 hat eine Braut das getan, was viele Zuschauer schon in der ersten Folge getan haben: Sie hat geweint.

Bei dem Mädchen war nicht ganz klar, warum es derart heulen musste, und die Sache wurde auch insofern bereinigt, als eine Zweierdelegation bei der Direktorin vorsprach und ihr sagte, dass man mit manchem nicht einverstanden sei.

Die Direktorin nahm das mit zeremonieller Freundlichkeit zur Kenntnis, doch im Kern blieb sie beinhart: Sie habe den Aspirantinnen doch schon bei der Begrüßung gesagt, dass sie bis an die Grenze der Belastbarkeit gefordert würden, das gehe nun mal nicht anders, wenn aus ihnen was Tüchtiges werden solle.

Alle wollten nur noch weg, erwiderten die Delegierten, und man fragte sich, was sie zu diesem Zeitpunkt noch bei den Dreharbeiten gehalten hat: Gewalt, Erpressung, Kohle?

Warum aber haben die Zuschauer schon viel eher weinen müssen? Weil sie sich, um es mit einem in der Bräuteschule sicher verbotenen Ausdruck zu sagen, verarscht vorkamen. Die meisten von ihnen waren zwar nie auf einer Bräuteschule, aber einige haben in der Verwandtschaft Leute, die in den Fünfzigern eine Haushaltungsschule absolvierten und an Eides Statt versichern, dass beispielsweise der Kochunterricht völlig anders verlief als im Ersten.

Divergente Meinung in der Presse

Möglicherweise lag das daran, dass junge Damen damals wussten oder ahnten, wie abwegig es ist, das für die Herstellung von Kohlrouladen alias Krautwickerln benötigte Hackfleisch mit dem Messbecher auszuwiegen.

Auch hatte ihnen eine strenge Mutter den Rat gegeben, die Rouladen nicht aus einem Meter Entfernung in den Topf mit dem heißen Fett zu werfen. Erstens geht da leicht die Wickelung kaputt, und zweitens könnte da ja einer angespritzt werden, den man besser nicht anspritzt: der sogenannte Herr im Haus, den es einem alten Benimmbuch zufolge ,,täglich von neuem zu erobern'' gilt und dem es nach solch einem Malheur seinerzeit niemand verübelt hätte, wenn er ins Wirtshaus ausgewichen wäre.

Die Presse, die vorab das eine oder andere aus der auf 16 Folgen angelegten ,,Living-History-Serie'' kennen lernen konnte, äußerte sich durchaus divergent. Während die Welt das Ergebnis ,,eindrucksvoll'' fand und der Politik zur Anschauung empfahl, sah die taz durch diese Dokusoap ,,die ewige Frage, wie Nazideutschland möglich war'', beantwortet.

Kreischen im Plumeau

Öha!, möchte man sagen, und zwar in beide Richtungen. Was nämlich die Politik angeht, so wissen deren vernünftige Vertreter auch ohne Bräuteschule, dass praktische Kenntnisse einem jungen Menschen noch nie geschadet haben.

Die Frage nach Nazideutschland aber ist gar nicht mehr so ewig, sondern in sechs Jahrzehnten reuiger Erforschung recht gut beantwortet. Die Oberlehrerin Limbrock hat die Naziherrschaft jedenfalls nicht entfesselt.

"Da lacht das Mädchenpensionat"

Sie ist eine Knallcharge, ein Spieß in Rock und Bluse; wer wie sie ,,Zur Direktorin, zack, zack!'' oder ,,Husch, husch, ins Körbchen!'' sagt, hätte 1958 selbst in einer mittelmäßigen Haushaltungsschule keinen verantwortlichen Posten bekommen.

Nach diesen ersten drei Tagen in der Bräuteschule fühlt man sich nicht nur verschaukelt, sondern einigermaßen irritiert. Albernheiten wie die, dass das korrekt aufgebettete Plumeau mit einem Besenstiel glattgestrichen wird, kann man hinnehmen oder nicht, sie gehören in die Abteilung ,,Da lacht das Mädchenpensionat''.

Bedenklicher wird es, wenn man bei Betrachtung der durchweg sehr properen und im echten Leben wahrscheinlich auch ziemlich vifen jungen Damen vor der Frage steht, was um alles in der Welt sie dazu gebracht hat, sich so damisch präsentieren zu lassen. Dass sie mit einem Hüftgürtel beim ersten Mal nicht zurande kommen oder das Bohnerwachs nur dilettantisch auftragen - geschenkt.

Die ARD gibt sich unheimlich aufklärerisch

Dass sie aber die Tussis geben, die es in einer ganzen Schulstunde weder einzeln noch gemeinsam schaffen, 147 durch 21 zu teilen, das ehrt weder sie noch ist es ein Dienst an der historischen Treue: Wer in jenen Jahren die Volksschule absolviert hatte, war im Einmaleins bis 20 geübt und auch sonst im Kopfrechnen zu beweglich, als dass ihn Plattheiten wie diese hätten aus der Bahn werfen können.

Living History! Wie es in Zuchtschulen alten Schlages zuging, haben Filme wie Mädchen in Uniform hart und ernsthaft gezeigt; da lebte die Geschichte, wenn auch auf eine Weise, wie man sie lieber nicht hätte leben gesehen. Die Living History à la ARD gibt sich unheimlich aufklärerisch und tut so, als rissen sich ein paar Leutchen die Haxen aus, um die Wahrheit hinter Internatsmauern ans Licht zu zerren und geheim schwärende Ungerechtigkeiten aufzuarbeiten.

Da können die jungen Heldinnen aber noch so kreischen und sich aus dem Off bestätigen lassen, dass sie ganz schön was mitmachen: Ihre Leiden wirken wie die eines Atlantikschwimmers, der von zwei Yachten, drei Hubschraubern und 27 TV-Teams begleitet wird. So viel Salzwasser kann der gar nicht schlucken, dass uns das an die Nieren geht.

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