Frauen leiden in Deutschland bekanntlich unter einer Reihe gravierender Ungerechtigkeiten gegenüber den Männern. Das ist noch immer so, auch wenn die Situation sich in den vergangenen Jahrzehnten verbessert hat. Frauen werden bei gleicher Qualifikation weiterhin deutlich schlechter bezahlt, ihre Chancen auf eine berufliche Karriere sind nach einer Entscheidung für Kinder viel geringer als bei Männern, sie machen noch immer nur einen kleineren Teil der Führungskräfte in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft aus.
Es sind große Herausforderungen, denen sich die Gesellschaft hier stellen muss, damit endlich Realität wird, was schon längst selbstverständlich sein sollte: Gleichbehandlung und Chancengleichheit für beide Geschlechter.
Angesichts dieser Probleme erscheint es manchen irrelevant, dass es immer noch üblich ist, für viele Personengruppen generell die maskuline Form zu verwenden und sich auf den Hinweis zu beschränken, es seien auch die Frauen gemeint. Tatsächlich stören sich sogar viele Frauen nicht daran, dass heute noch konsequent von Politikern, Arbeitern, Lehrern, Angestellten, Arbeitgebern, Ärzten, Journalisten, Studenten, Professoren und so weiter gesprochen wird. Und zwar selbst dort, wo der Anteil der Frauen größer ist als der der Männer.
Ist die Entscheidung der Universität Leipzig, künftig in ihrer Grundordnung nur noch die weibliche Form zu führen - also dort nur noch von Professorinnen und Studentinnen zu sprechen - eine überflüssige Provokation? Ein sinnloser Versuch, für Gleichberechtigung in der Sprache zu kämpfen, wo es doch realpolitisch um so viel mehr geht?
Was, wenn nur noch die weibliche Form verwendet würde?
Ein einfaches Gedankenspiel legt nahe, dass das keineswegs der Fall ist. Dass der Senat der Universität Leipzig nicht wahnsinnig geworden ist: Was wäre, wenn in unserer Gesellschaft ab sofort grundsätzlich und überall die weibliche Form verwendet würde? Mit dem Anspruch - und dem gelegentlichen Hinweis darauf -, auch Männer seien damit angesprochen?
Ein absurder Gedanke? Wieso eigentlich? So haben wir es bisher mit der männlichen Form gehandhabt - aber mit welchem Recht? Die Sprache der Gegenwart spiegelt hier nur die historische Entwicklung wider, die geprägt war von einer massiven Unterdrückung der Frau. Wir haben heute aber den Anspruch, dass alle Menschen gleich sind und gleich behandelt werden müssen in Bezug auf ihre Chancen, Rechte und Pflichten - unabhängig vom Geschlecht.
Kein Recht gibt es dagegen darauf, diskriminierende Sprachgewohnheiten lebendig zu halten, nur weil es immer schon so war. Objektiv betrachtet spricht prinzipiell nur ein einziges Argument dagegen, männliche Nomen eins zu eins durch weibliche Nomen zu ersetzen: Die sprachliche Diskriminierung der Frau würde ersetzt durch eine sprachliche Diskriminierung des Mannes!
Das ist es nämlich, was bei dem Gedankenspiel herauskommt. Tatsächlich dürfte den meisten männlichen Kollegen unwohl sein, wäre nur noch die Rede von "Redakteurinnen" bei Süddeutsche.de.
Machismo? Ich denke nicht. Männer würden sich schlicht und einfach diskriminiert fühlen. Weil dabei ihr Geschlecht gewissermaßen umgewandelt würde. Doch genau das, worüber die meisten Männer sich mit Sicherheit echauffieren würden, ist für Frauen der Normalzustand. Das ist die alltägliche Ungerechtigkeit, die Anmaßung, die Frauen in unserer Gesellschaft neben den vielen anderen Diskriminierungen noch immer zugemutet wird. Hier Einspruch zu erheben, hat nichts mit Ideologie zu tun.