Diskriminierende Sprachregelung:Gleiches Wort für alle

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Ministerin Kristina Schröder vor dem Fahrstuhl in der Repräsentanz der Telekom in Berlin. (Foto: dapd)

Die Diskriminierung von Frauen in unserer Gesellschaft zeigt sich nicht nur in schlechteren Jobaussichten oder niedrigeren Gehältern. Immer noch müssen sie es sich gefallen lassen, als Männer angesprochen zu werden. Was aber würden Männer rufen, wenn der Spieß plötzlich umgedreht würde? Diskriminierung!

Ein Kommentar von Markus C. Schulte von Drach

Frauen leiden in Deutschland bekanntlich unter einer Reihe gravierender Ungerechtigkeiten gegenüber den Männern. Das ist noch immer so, auch wenn die Situation sich in den vergangenen Jahrzehnten verbessert hat. Frauen werden bei gleicher Qualifikation weiterhin deutlich schlechter bezahlt, ihre Chancen auf eine berufliche Karriere sind nach einer Entscheidung für Kinder viel geringer als bei Männern, sie machen noch immer nur einen kleineren Teil der Führungskräfte in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft aus.

Es sind große Herausforderungen, denen sich die Gesellschaft hier stellen muss, damit endlich Realität wird, was schon längst selbstverständlich sein sollte: Gleichbehandlung und Chancengleichheit für beide Geschlechter.

Angesichts dieser Probleme erscheint es manchen irrelevant, dass es immer noch üblich ist, für viele Personengruppen generell die maskuline Form zu verwenden und sich auf den Hinweis zu beschränken, es seien auch die Frauen gemeint. Tatsächlich stören sich sogar viele Frauen nicht daran, dass heute noch konsequent von Politikern, Arbeitern, Lehrern, Angestellten, Arbeitgebern, Ärzten, Journalisten, Studenten, Professoren und so weiter gesprochen wird. Und zwar selbst dort, wo der Anteil der Frauen größer ist als der der Männer.

Ist die Entscheidung der Universität Leipzig, künftig in ihrer Grundordnung nur noch die weibliche Form zu führen - also dort nur noch von Professorinnen und Studentinnen zu sprechen - eine überflüssige Provokation? Ein sinnloser Versuch, für Gleichberechtigung in der Sprache zu kämpfen, wo es doch realpolitisch um so viel mehr geht?

Was, wenn nur noch die weibliche Form verwendet würde?

Ein einfaches Gedankenspiel legt nahe, dass das keineswegs der Fall ist. Dass der Senat der Universität Leipzig nicht wahnsinnig geworden ist: Was wäre, wenn in unserer Gesellschaft ab sofort grundsätzlich und überall die weibliche Form verwendet würde? Mit dem Anspruch - und dem gelegentlichen Hinweis darauf -, auch Männer seien damit angesprochen?

Ein absurder Gedanke? Wieso eigentlich? So haben wir es bisher mit der männlichen Form gehandhabt - aber mit welchem Recht? Die Sprache der Gegenwart spiegelt hier nur die historische Entwicklung wider, die geprägt war von einer massiven Unterdrückung der Frau. Wir haben heute aber den Anspruch, dass alle Menschen gleich sind und gleich behandelt werden müssen in Bezug auf ihre Chancen, Rechte und Pflichten - unabhängig vom Geschlecht.

Kein Recht gibt es dagegen darauf, diskriminierende Sprachgewohnheiten lebendig zu halten, nur weil es immer schon so war. Objektiv betrachtet spricht prinzipiell nur ein einziges Argument dagegen, männliche Nomen eins zu eins durch weibliche Nomen zu ersetzen: Die sprachliche Diskriminierung der Frau würde ersetzt durch eine sprachliche Diskriminierung des Mannes!

Das ist es nämlich, was bei dem Gedankenspiel herauskommt. Tatsächlich dürfte den meisten männlichen Kollegen unwohl sein, wäre nur noch die Rede von "Redakteurinnen" bei Süddeutsche.de.

Machismo? Ich denke nicht. Männer würden sich schlicht und einfach diskriminiert fühlen. Weil dabei ihr Geschlecht gewissermaßen umgewandelt würde. Doch genau das, worüber die meisten Männer sich mit Sicherheit echauffieren würden, ist für Frauen der Normalzustand. Das ist die alltägliche Ungerechtigkeit, die Anmaßung, die Frauen in unserer Gesellschaft neben den vielen anderen Diskriminierungen noch immer zugemutet wird. Hier Einspruch zu erheben, hat nichts mit Ideologie zu tun.

Wieso aber ist diese Ungleichbehandlung in unserer Gesellschaft so weitgehend akzeptiert, dass die Entscheidung der Universität Leipzig solche Reaktionen auslöst? Schließlich geht es noch nicht einmal darum, die Verhältnisse im normalen Sprachgebrauch umzukehren. Lediglich in der Grundordnung dieser Hochschule wird die weibliche Begrifflichkeit verwendet. Eine Professorin wird weiterhin als "Frau Professor" angesprochen, männliche Professoren dagegen nicht als "Herr Professorin". Die Pläne der Universität, die nun gewissermaßen die Männer diskriminieren, sind also weit davon entfernt, den Spieß tatsächlich umzudrehen.

Trotzdem werden die Mitglieder des Senats der Uni Leipzig nun gefragt, ob sie bei ihrer Entscheidung eigentlich nüchtern waren. Schließlich wissen wir alle, dass mit "die Professoren" eigentlich immer Professoren und Professorinnen gemeint sind, und mit Lehrern ebenfalls beide Geschlechter. Das lernen wir schon als Kinder. Wo also ist das Problem?

Keine guten Argumente für das "generische Maskulinum"

Wir verinnerlichen dadurch die Bevorzugung und Dominanz des Männlichen in der Sprache, wo es doch um Männer und Frauen geht. Können wir wirklich ausschließen, dass diese Wahrnehmung die Gleichberechtigung von Frauen in unserer Gesellschaft nicht doch beeinträchtigt?

Die - wenigen - Erkenntnisse, die die Wissenschaft hier bietet, deuten darauf hin, dass der Gebrauch der maskulinen Form für gemischte Gruppen eher Assoziationen mit Männern hervorruft, und weniger mit Frauen. Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch von der FU Berlin hat festgestellt, dass ein "generisches Maskulinum" - also ein männliches Nomen oder Pronomen, das sich auf gemischtgeschlechtliche Gruppen bezieht - im Deutschen aus psycholinguistischer Sicht eigentlich "nicht existiert". Verkürzt gesagt: Wir sprechen so, als würden wir nur über Männer reden. Und so nehmen wir es auch überwiegend wahr.

Als weiteres geläufiges Argument für den Gebrauch der männlichen Bezeichnung, wo es um beide Geschlechter geht, ist: Sprache und Texte sind leichter verständlich, wenn nicht ständig beide Geschlechter berücksichtigt werden. Doch abgesehen davon, dass die weibliche Vokabel sich dafür ebenso eignen würde, widersprechen die Studien der Psycholinguisten auch dieser Behauptung.

Die bislang diskutierten Alternativen zum generischen Maskulinum gefallen vielen Menschen nicht. Weder das Binnen-I wie in FreundInnen noch der Schrägstrich (Freund/innen) konnten die Mehrheit überzeugen. Doch selbst die Politiker und Politikerinnen in Berlin haben im Bundesgleichstellungsgesetzt festgelegt, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen sei.

Es mag unbequem sein, konsequent beide Geschlechter anzusprechen, etwa indem durchgehend von "Professorinnen und Professoren" gesprochen, und das "und" in Texten vielleicht durch einen Schrägstrich ersetzt wird. Einstweilen können wir auch Ersatzformulierungen einsetzen - etwa Studierende oder Lehrende. Das wird natürlich nicht immer und überall gelingen. Dies entbindet die Gesellschaft aber nicht von der Aufgabe, sich weiter um eine Lösung zu bemühen, die niemanden diskriminiert - weder Frauen noch Männer.

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