Zeichnen für Kinderbücher:Lieber geheimnisvoll

Sabine Friedrichson hat den Jugendliteraturpreis bekommen. Sie findet, man muss die Hauptfigur nicht immer zeigen.

Von Kathleen Hildebrand

SZ: Frau Friedrichson, Sie haben von 1982 an viele Märchen von Hans-Christian Andersen bebildert. Aber im "Hässlichen Entlein" ist das hässliche Entlein nirgends zu sehen, die kleine Meerjungfrau sieht man nicht auf den Seiten des Märchens über sie. Warum?

Sabine Friedrichson: Ich finde es interessanter, wenn man den Lesern nicht alles vorgibt, sondern den Geschichten ein Geheimnis lässt. Deshalb zeichne ich meistens nur Ausschnitte aus einem größeren Bild. Im "Hässlichen Entlein" sieht man dafür die anderen Enten, die es von der Seite anzischen. Sie sehen aus wie Pfeile.

SZ: Sie zeichnen selten Menschen, sondern meistens Dinge. Finden Sie die auch geheimnisvoller?

Friedrichson: Ich mag besondere Dinge, zum Beispiel solche, die es heute nicht mehr so häufig gibt. Hans-Christian Andersen hat mich so begeistert, dass ich ein Buch über sein Leben gezeichnet habe. Darin ist auch ein Nadelkissen zu sehen, das er als Kind für eine Nachbarin gebastelt hat. Ist das nicht der Wahnsinn, dass es das noch gibt?

SZ: Dann denken Sie sich nicht viel aus, sondern es gibt die Sachen wirklich?

Friedrichson: Das ist sehr oft so, ja. Ich finde: Fantasie haben heißt nicht, dass man sich etwas ausdenkt. Es heißt, dass man etwas aus den Dingen macht, die man findet. Diesen Satz habe ich mir übrigens auch nicht selbst ausgedacht. Er stammt von dem Schriftsteller Thomas Mann.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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