Die Unverwechselbaren: Humphrey Bogart:Der Nachtschwarm

Unser letzter "Unverwechselbarer" verschwindet im Nebel, und hinterlässt ein Kleidungsstück, das eigentlich nur noch Frauen tragen können. Humphrey Bogart passte einfach zu perfekt in den Trenchcoat.

Christoph Gröner

Bei Burberry hält man einiges auf den Trenchcoat: Strapazierfähig, wasserabweisend, luftdurchlässig sei der Mantel. Das gute Stück trägt die Queen bei der Jagd, Sex Pistol Sid Vicious trug es zu Springerstiefeln auf der Bühne: Es handele sich also um das "demokratischste Kleidungsstück jenseits der Jeans."

Die Unverwechselbaren: Humphrey Bogart: Schattenwurf: Die Bogart-Silhouette ist unverkennbar.

Schattenwurf: Die Bogart-Silhouette ist unverkennbar.

(Foto: Foto: Collection Rolf Heyne)

Aber weit gefehlt. Der eng geschnürte Mantel mit Schulterklappen ist verflixt elitär. Verantwortlich dafür ist ein Mann: Humphrey Bogart. Bogey. Der "Here's looking at you, kid"-Mann. Sein Satz aus dem Filmklassiker "Casablanca" allein hatte so viel Grandezza, dass mit den Übersetzern die Pferde durchgingen. "Ich schau dir in die Augen, Kleines" hieß der Satz auf Deutsch - dabei war das Original eigentlich ein simpler Trinkspruch.

Das American Film Institute kürte den 1,67-Meter-Mann am Ausklang des ersten Kinojahrhunderts zum größten Star aller Zeiten. 76 Filme hat er gedreht, und dennoch lassen sich Karriere und Leben auf ein unverwechselbares Bild reduzieren. Bogart mit Borsalino, im Trenchcoat, die Hände tief in den Taschen. Der Grübler geht seinen Weg.

Im "Malteserfalken" wurde der Look 1941 zu seinem Markenzeichen, es war die Wende seiner Filmkarriere: Davor war er oft der markige Gangster, seitdem galt er als der große Zwiespältige, ein Spürhund, der sich von den Gangstern kaum unterscheiden ließ. Sam Spade, Philip Marlowe, das Schlitzohr Rick Blaine in "Casablanca": In den Falten der Mäntel war irgendwo der Colt vergraben.

Dass der Kleidungsstück so perfekt für geheimnisvolle Aura sorgte, liegt auch an Bogarts Statur: Ein Hänfling - wenn auch einer, der sich nicht umpusten ließ. Das T seiner Schultern nicht so breit, als dass es von seinem langgezogenen Gesicht ablenken konnte; der Hut zu hoch, um die zusammengekniffenen Augen zu verschatten; die Lippen übernahmen allein schon das halbe Schauspiel. Smart und verschlossen war diese Visage. Wenn er lächelte, dann schief mit der Kippe im Mundwinkel. Er konnte völlig gegensätzliche Welten verkörpern, den abgewetzten Anzug und den Smoking unter dem Trenchcoat tragen.

Er sah verlebt aus, auch deshalb passt der Mantel - dessen Falten setzten sich an der Stirn fort. Tausende Detektive folgten ihm, davon ungezählte bedeutungslose Schnüffler, die sich hinter Zeitungen verstecken mussten. Peter Sellers zog das Image als Inspektor Clouseau durch den Kakao, und Peter Falk, so glaubte man immer, durch den Dreck: zumindest sah er als Ermittler Columbo so aus. Elegant dagegen nur Bogey.

Und wer sich heute wie er kleiden will, zum Mantel auch noch Hut trägt, gibt sich fast zwangsweise der Lächerlichkeit preis. Wo kein Geheimnis ist, wirkt das vorgeblich Geheimnisvolle lächerlich.

Er hatte dagegen viele davon. Seine Plateauschuhe, die ihn die zehn Zentimeter größere Ingrid Bergman auf gleicher Höhe küssen ließen, gehörten dazu. Wieviel er dagegen versoffen hat in vielen Trinkernächten, ist nur mühsam abzuschätzen. Lauren Bacall, seiner großen Liebe, wird jedenfalls wegen der Trinkgelage die Erfindung des Begriffs "Rat Pack" zugeschrieben - ihr Ausruf, als sie Bogart und seinen Saufkumpanen Frank Sinatra nach vier durchzechten Nächten im Hotel zu Gesicht bekam.

Lange nach seinem Tod sprach sie von glücklichen elf Jahren Ehe, von Glück, dass für ein Leben reichen würde. Er war wohl ein Gentleman daheim, auch wenn ihn seine Tochter ihn immer auf der Flucht vor seinem eigenen, behüteten Elternhaus sah - und damit vor der eigenen Familie.

Distanz bewahrte er sich auch zu seinem Job. Die Bergman sagte einen Satz mit so viel Melo über ihn, das er auch direkt aus dem "Casablanca"-Drehbuch stammen könnte: "Ich habe ihn geküsst. Aber kennengelernt habe ich ihn nicht." Ihm selber war der große Klassiker stets eher gleichgülttig. Diesen Abstand zu allem wahrte er sich bis zuletzt, als das ganze wilde Leben ihn umbrachte: Kehlkopfkrebs. "Ich hätte nie vom Scotch auf Martini umsteigen sollen", soll er zum Schluss gesagt haben.

Seine Verschlossenheit hat auf den Trenchcoat abgefärbt. Noch heute vermittelt er eine stoische Ruhe und, wenn überhaupt, eine hochgeschlossene Erotik. Frauen können ihn tragen, Victoria Beckham soll einen ganzen Schrank voll davon haben. 51 Jahre nach Bogarts Tod haben es die Männer dagegen schwer damit, zumindest kombiniert mit einem breitkrempigen Hut. Bogart ist zu präsent: Wie er im Nebel eines Flughafens verschwindet, einen neuen Freund an der Seite, die Hände tief in den Taschen.

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