Die Tiefkühlkost wird 80:"Besser als frisch"

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Ein Gespräch mit Ernährungsexperte Hans Hauner über die Frage, wie der Gefrierschrank unser Leben verändert hat - und warum schockgefrostete Lebensmittel oft gesünder sind als frische.

Sarina Pfauth

Die Geburtsstunde der Fischstäbchen: Vor 80 Jahren hat der amerikanische Pelzhändler und Naturforscher Clarence Birdseye die Tiefkühlkost erfunden. Bei einer Expedition nach Kanada hatte er beobachtet, dass die von den Einheimischen gefangenen frischen Fische durch den kalten Wind sofort einfroren - und dass diese nach dem Auftauen ebenso gut schmeckten wie frischer Fisch.

Er entwickelte daraufhin eine Gefriermaschine, 1930 brachte Birdseye die ersten schockgefrorenen Lebensmittel auf den Markt: Fisch, Fleisch, Früchte und Gemüse. In Deutschland verbreiteten sich die Tiefkühltruhen erst in den 1960er Jahren flächendeckend.

Hans Hauner ist Professor am Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München. Ein Gespräch über den Ruf von Fertigpizza und warum Tiefkühlware bekömmlicher sein kann als frisches Gemüse.

sueddeutsche.de: Herr Hauner, dank Tiefkühler können wir Himbeeren im Dezember essen und Rosenkohl zu Ostern. War diese Erfindung wirklich notwendig?

Hauner: Die Menschheit hat zwar auch zuvor gut leben können, saisonale Lebensmittel zu konsumieren ist ja keineswegs schlecht. Aber eine größere Auswahl an Produkten über das ganze Jahr hinweg erhöht die Chance, dass sich die Leute ausgewogen und vollwertig ernähren. Dazu kann Tiefkühlkost einen Beitrag leisten.

sueddeutsche.de: Tut sie das wirklich?

Hauner: Leider werden auch immer mehr Fertigprodukte hergestellt. Das kommt dem Verbraucher entgegen, der eine schnelle, schmackhafte Kost wünscht. Für eine junge Mutter ist eine Fertigpizza natürlich oft die Ideallösung. Sie holt das Ding raus und hat dann ohne Mühe das Mittagessen für den Nachwuchs fertig. Das ist schon verlockend.

sueddeutsche.de: Ist die Fertigpizza denn so schlecht?

Hauner: Ich will nichts verbieten oder verdammen, aber diese Produkte haben eben eine hohe Energiedichte: Sie beinhalten viel Fett und viele Kohlenhydrate, aber sehr wenige Ballaststoffe. Das Problem dabei ist, dass dabei die Gefahr einer zu üppigen Energieaufnahme sehr hoch ist. Damit wird dem Übergewicht der Weg gebahnt - und allen möglichen Folgekrankheiten. Nicht alle Pizzen sind gleich, es lohnt sich daher durchaus den Kaloriengehalt zu vergleichen und dann die kalorienärmeren Varianten vorzuziehen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite: Warum Tiefkühlgemüse oft gesünder ist als frische Produkte - und was in Hans Hauners Gefriertruhe steckt.

sueddeutsche.de: Sind alle Fertiggerichte gleich ungesund?

Hauner: Nein, es gibt auch welche, die eine günstige Energiebilanz haben und die durchaus eine gute Alternative sind, wenn man mal nicht zwei Stunden lang in der Küche stehen will. Der Verbraucher sollte sich gut infomieren, durch den Supermarkt schlendern, die Sortimente durchgehen und die Inhalte vergleichen. Man benötigt dazu allerdings etwas Geduld. Aber die Bequemlichkeit ist groß, die Zeit ist knapp - nur wenige Verbraucher wollen sich die Mühe machen.

sueddeutsche.de: Wie lange halten sich Lebensmittel im Tiefkühler?

Hauner: Gemüse können Sie bis zu einem Jahr ohne großen Verlust konservieren, Brokkoli zum Beispiel. Das Einfrieren hat außer der Haltbarkeit sogar noch weitere Vorteile. Die Struktur des Gemüses wird durch den Gefrierprozess aufgelockert, so dass manche Leute TK-Kohlprodukte besser vertragen als frischen Kohl vom Markt. Brot kann man ebenfalls ohne Probleme einfrieren. Fleisch oder fettigere Produkte halten sich nicht ganz so lange.

sueddeutsche.de: Sollte man Fleisch und Fisch also lieber frisch kaufen?

Hauner: Nein, nicht unbedingt. Gerade Fisch ist tiefgefroren billiger, weil Verarbeitung und Transport viel einfacher sind. Die Qualität ist meist auch einwandfrei, solange man die Ware nicht zu lange lagert. Aber wenn man ehrlich ist, muss man aber sagen: Ein frischer Fisch wird immer besser schmecken und lässt sich immer schmackhafter zubereiten. Gewisse sensorische Einbußen sind nicht zu vermeiden.

sueddeutsche.de: Ist gefrostetes Gemüse so gesund wie frisches?

Hauner: Der Vorteil von Tiefkühl-Gemüse ist: Es wird geerntet, gewaschen, vielleicht kurz erhitzt und dann sofort schockgefroren. Das geht meist innerhalb von zwei Stunden. Wenn die Kühlkette nicht unterbrochen wird, dann bleiben fast alle wertvollen Inhaltsstoffe erhalten.

Beispielsweise liegt der Verlust beim sehr empfindlichen Vitamin C bei maximal 30 Prozent. Wenn Sie frisches Obst kaufen und es einen Tag liegen lassen, geht meist ebensoviel verloren. Und wenn das Gemüse gar eine Woche im Keller liegt, bevor es gegessen wird, fahren sie mit TK-Ware deutlich besser.

sueddeutsche.de: Was steckt in Ihrer Gefriertruhe?

Hauner: Vor allem Fisch, den essen wir zwei- bis dreimal pro Woche. Wir frieren außerdem oft Brot ein, weil es nicht mehr viele gute Bäcker gibt. Wenn wir einen finden, kaufen wir immer gleich zwei oder drei Laibe. Für die Kinder ist auch mal eine Portion Pommes im Tiefkühler. Die bekommen sie nicht jeden Tag, aber ganz verbieten sollte man Fast Food auch nicht. Es geht um einen vernünftigen Mix.

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