Die Recherche:Männer, ihr seid dran!

Die Recherche: Noch eben das Kind in den Kindergarten gewuppt und dann schnell zur Arbeit - so sieht der Alltag vieler Väter aus.

Noch eben das Kind in den Kindergarten gewuppt und dann schnell zur Arbeit - so sieht der Alltag vieler Väter aus.

(Foto: dpa; Bearbeitung: SZ.de)

Frauen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten neue Felder erobert. Doch die alten müssen sie auch weiterhin bestellen.

Von Barbara Galaktionow

Man muss nur mal in eine politische Fernseh-Debatte aus den späten 1970ern oder frühen 1980er Jahren hineingucken, um zu ermessen, wie gewaltig der Raum ist, den Feministinnen sich und anderen Frauen in den vergangenen Jahrzehnten erstritten haben. Die völlig selbstverständlichen, reinen Männerrunden früherer Tage (hier ein Beispiel) sind heute kaum mehr vorstellbar.

Ob in der Politik, der Wissenschaft, im Arbeitsleben oder der gesamten öffentlichen Debatte - Frauen sind in Deutschland heutzutage viel präsenter. Dümpelte der Anteil von Frauen im Bundestag bis Mitte der Achtzigerjahre deutlich unter zehn Prozent vor sich hin, so stieg dieser Wert seitdem konsequent an (siehe diese Grafik), auf zuletzt 36 Prozent. Der Anteil der Abiturientinnen wächst, Frauen studieren und arbeiten häufiger.

Auch ihr Selbstverständnis hat sich gewandelt. Frauen haben überlegt, wann sie Kinder bekommen sollten und ob überhaupt. Sie haben darüber nachgedacht, ob sie sich "männlicher" verhalten müssen, um beruflich erfolgreich zu sein, und wie sie es schaffen, sich in Männer-dominierten Runden Gehör zu verschaffen. Sie haben sich gegen Anzüglichkeiten gewehrt. Was die Situation der Frau angeht, hat es in Deutschland und anderen westlichen Staaten in den vergangenen 40 Jahren wirklich umwälzende Veränderungen gegeben.

Frauen arbeiten - und putzen

Doch jetzt scheint dieser Prozess zu stagnieren. Frauen arbeiten zwar häufiger als früher, doch dafür immer mehr in Teilzeit - so dass sich ihr Gesamtarbeitsvolumen seit den frühen Neunzigern laut einer Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kaum erhöht hat. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen - derzeit bei knapp 30 Prozent - wächst nur noch verhalten, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung feststellte .

Putzen, einkaufen und Kinder betreuen, das erledigen zum Großteil immer noch die Frauen, ob sie nun arbeiten oder nicht. Das gilt sogar für Frauen in Führungspositionen. Frauen haben sich also neue Felder erobert, müssen die alten aber auch weiterhin bestellen.

Männer - neues Bewusstsein, altes Handeln

Und die Männer? Zahlreiche Studien zum Geschlechterverhältnis in Beruf, Beziehung und Familie konstatieren bei ihnen einen klaren Bewusstseinswandel. Patriarchale Strukturen halten gerade junge Männer ebenfalls für überholt - im Beruf gleichermaßen wie im Privatleben. Sie streben nach gleichberechtigten Partnerschaften. Das beinhaltet auch, dass sich immer mehr von ihnen eine Frau an ihrer Seite wünschen, die auch ökonomisch auf eigenen Beinen steht.

Ein beachtlicher Teil der Väter (je nach Studie mindestens 40 oder sogar mehr als 50 Prozent) gibt an, er wolle sich mehr um die eigenen Kinder kümmern. "Der Wertewandel der Männer ist eindrucksvoll", konstatierte die Soziologin Jutta Allmendinger bereits vor ein paar Jahren im Hinblick auf junge Erwachsene.

Weniger beeindruckend ist allerdings, was in der Praxis daraus folgt. Denn Männer machen im Großen und Ganzen weiter wie gehabt. Sicher, Wickeln und Füttern das können heute auch Väter. Schnittige Papis mit Babytrage vorm Bauch oder dem Nachwuchs im Fahrradanhänger sind zumindest in jedem durchgentrifizierten Stadtviertel keine Seltenheit. Und auch auf Spielplätzen sieht man die Väter immer öfter - am Wochenende.

Denn ja, in ihrer Freizeit kümmern sich Väter mehr um ihre Söhne und Töchter als früher (hier die Ergebnisse einer Eltern-Studie). Nur ist die arbeitsfreie Zeit halt nach wie vor gering. 80 Prozent der Männer arbeiten nämlich Vollzeit (IAB-Studie). Wenn Männer Väter werden, widmen sie ihrem Beruf sogar noch mehr Zeit als zuvor und nicht etwa weniger.

Männer folgen in ihrer Mehrheit immer noch einem "ruinösen männlichen Lebensentwurf", wie es der Geschlechterforscher Thomas Gesterkamp einmal nannte, mit ausufernden Arbeitszeiten und zu wenig Augenmerk auf ihre Bedürfnisse oder alternative Handlungsmöglichkeiten.

Begründet wird das meist mit wirtschaftlicher Notwendigkeit (wenn sich denn überhaupt jemand genötigt sieht, hier etwas zu begründen). Vom Ehegattensplitting profitieren nach wie vor Ehepaare mit einer großen Gehaltsdifferenz am meisten. Frauen verdienen oft weniger als Männer - wobei natürlich zu sagen ist, dass die Schere sich gerade erst im Alter von etwa 30 Jahren richtig öffnet, also zu der Zeit, in der Frauen häufig ihr erstes Kind bekommen.

Arbeitende Väter - wo ist das Problem?

Ökonomische Zwänge gibt es in manchen Familien bestimmt. Doch taugt das Argument zumindest bei Eltern, für die der Erwerb eines Bugaboo-Kinderwagens (etwa 1000 Euro) oder der neuesten Nike-Sneaker (90 Euro, nach vier Monaten zu klein) für ihr Goldkind eine Selbstverständlichkeit ist, doch nur bedingt. Doch auch besserverdienende Väter reduzieren ihre Arbeitszeit im Allgemeinen nicht, um mehr Raum fürs Familienleben zu schaffen.

Das gilt sogar dort, wo die wirtschaftlichen Einbuße gar nicht so groß wäre: beim Elterngeld. Obwohl damit vor ein paar Jahren auch für junge Väter die Möglichkeit geschaffen wurde, eine Auszeit für die Familie zu nehmen, ohne ganz auf ein Einkommen verzichten zu müssen, nutzt nur eine Minderheit die Lohnersatzleistung. Gerade mal ein Drittel der männlichen Berechtigten bleibt dem Job fürs Kind fern - und von diesen nimmt wiederum die übergroße Mehrheit gerade mal die sogenannten zwei "Vätermonate".

Als Gründe für den Verzicht führen Väter im Allgemeinen die Unvereinbarkeit mit ihrem Beruf an. In ihrer Firma werde es nicht gerne gesehen, sie befürchten, eine Auszeit könne zur Karrierebremse werden. Und, nun ja, auszuschließen ist das nicht. Frauen machen diese Erfahrung ja jetzt schon häufig.

Männer, die eine Auszeit für die Kinder nehmen oder ihre Arbeit aus anderen Gründen reduzieren wollen, stoßen sicherlich in vielen Betrieben erst einmal auf mehr Widerstände, lösen mehr Irritiationen aus als Frauen mit den gleichen Plänen. Deutsche Unternehmen sind es nicht gewohnt, die Anliegen arbeitender Väter zu berücksichtigen.

Andererseits gibt es auch Erkenntnisse, wonach Männer zumindest von einer kurzen Elternzeit sogar beruflich profitieren. Denn dadurch haben sie ihre Sozialkompetenz unter Beweis gestellt, ohne den Betriebsablauf allzu sehr zu stören. Bei welcher Frau würde das überhaupt bemerkt werden?

Männer haben es in der Hand

Die Erfahrungen von Männern, die für ihre Familie weniger arbeiten, sind jedenfalls häufig ambivalent. Berichte, die sich dazu im Internet finden, zeigen, wie schwer es Männern trotz guten Willens fällt, entgegen der Vorstellung vom männlichen Versorger zu leben (stellvertretend für viele sei hier auf diesen Text aus der Zeit verwiesen).

Und sie zeigen, wie irritiert Männer darüber sind, sich in Bereichen zu bewegen, in denen ihnen einfach mal völlige Inkompetenz unterstellt wird. Wenn zum Beispiel Mütter auf dem Spielplatz die Keksversorgung des Kindes kritisch beäugen oder übergriffige Verkäuferinnen bezweifeln, dass Mann zur richtigen Windelgröße gegriffen hat, wie SZ-Magazin-Autor Till Krause sehr anschaulich schilderte.

Das ist alles sicher nicht schön und zudem total ungerecht! Trifft es doch ausgerechnet die Männer, die es eben anders machen als die Mehrheit und nicht toujours arbeiten. Doch kein Grund, den Kopf einzuziehen. Ganz im Gegenteil.

Es liegt ja in der Hand der Männer, hier gegen Vorurteile anzugehen. Nur dazu müssen sie eben genau da mehr Präsenz zeigen, wo sie bislang unterrepräsentiert sind. Anstatt immer nur mehr und noch mehr Zeit in die Erwerbsarbeit zu stecken.

Laptops mal zur Seite legen!

Es liegt ja nicht an den Frauen, dass der Vollzeitjob und die Fünf-Tage-Verfügbarkeit der Männer immer noch als Norm im Arbeitsleben gelten. Sondern an den Männern, die die echten oder vermeintlichen Erwartungen ihres Arbeitsumfeldes immer brav erfüllen und dieses Modell dadurch zementieren. Die nicht mal die kleinsten, gesetzlich geregelten Freiräume einfordern (läppische zwei Monate Elternzeit!), von etwas weitreichenderen Überlegungen wie der Vier-Tage-Woche gar nicht zu sprechen, wie sie Familienministerin Manuela Schwesig propagiert.

Die Unbeweglichkeit der Männer sorgt dafür, dass Frauen auch weiterhin benachteiligt werden. Die 40-Stunden-plus-x-Arbeitsnorm, die von Männern gesetzt wird, können diese nicht erfüllen. Irgendjemand muss um 17 Uhr die Kinder vom Kindergarten abholen - und wenn es nicht der Vater ist, wer bleibt? (Mütter sind ja keine Randgruppe! Auch wenn die Zahl kinderloser Frauen wächst: auch heute noch bekommen fast 80 Prozent Kinder. Wie sie leben und arbeiten, spielt also für das gesamte Geschlechtergefüge eine Rolle.)

Männer sollten also aufhören, sich hinter ihren Laptops zu verschanzen und immer nur auf äußere Zwänge zu verweisen. Sie müssen selbst ihre Spielräume erweitern - indem sie Elternzeit einfordern, Arbeitszeiten reduzieren oder von zu Hause aus arbeiten. Für ihre Familien oder auch für ein anderes Leben jenseits einer Verwertungslogik. Damit nutzen sie sich selbst, aber auch den Frauen.

"Wie viel Gleichberechtigung brauchen wir noch?" Diese Frage hat unsere Leser in der achten Runde unseres Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Das folgende Dossier soll sie beantworten.

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