Die Recherche:"Ich will kein Feierabend-Papa sein"

Lesezeit: 8 min

Der Vater arbeitet Vollzeit, die Mutter bleibt zu Hause oder verdient etwas dazu - so sieht das klassische Familienmodell auch heute noch aus. Diese Paare zeigen, wie es anders geht.

Von Karin Janker und Tanja Mokosch

Flora und Christoph Nieß leben als gleichberechtigtes Paar mit drei Kindern. (Foto: Privat)

Christoph Nieß, 33 Jahre, arbeitet als Sozialpädagoge in Teilzeit. Seine Frau Flora, 31 Jahre, promoviert in Kunstgeschichte. Sie haben drei Kinder und teilen sich die Familienarbeit gleichberechtigt.

Ich will kein Feierabend-Papa sein, der seinen Kindern abends noch schnell einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn drückt und am Wochenende den Helden spielt. Ich möchte Kinder nicht nur in die Welt setzen, sondern sehen, wie sie aufwachsen. Meine Frau und ich wollen beide etwas von unserer Familie haben und gehen beide gerne arbeiten. Wer sagt denn, dass einer von uns das aufgeben muss, was ihm bisher Freude gemacht hat, nur weil man Kinder bekommt?

Also teilen wir uns das alles: Ich arbeite vormittags als Sozialpädagoge, sie schreibt nachmittags ihre Doktorarbeit. Wir leben von meinem Gehalt und ihrem Stipendium. Klar häufen wir so keine Reichtümer an, aber es fehlt uns und unseren Kindern an nichts. Das Auto ist dann eben ein Gebrauchtwagen und Urlaub machen wir in Frankreich oder Österreich statt in den USA.

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Für mich wäre es keine Alternative, das konservative Modell des Alleinverdieners zu leben. Auch wenn ich von Bekannten manchmal höre, dass ich unterm Pantoffel stünde. Ich schmunzle dann nur. Und finde es schade, dass viele Männer in unserer Gesellschaft nicht den Mut haben, auf ihrem Recht Vater zu sein bestehen. Womöglich bereuen sie das, wenn ihre Kinder groß sind.

Unsere Beziehung als Paar wurde durch unser gleichberechtigtes Familienleben noch intensiver. Während bei anderen Familien der Mann den ganzen Tag in der Arbeit und die Frau zu Hause ist, müssen wir uns häufig absprechen, wir sind ständig im Austausch miteinander.

Meine Frau und ich teilen uns nicht nur die Kinderbetreuung, sondern auch den Haushalt. Seit 13 Jahren leben wir jetzt zusammen und haben auch schon vor den Kindern beide alles gemacht: Es ist nicht so, dass ich immer nur staubsauge und koche, während sie wäscht und das Bad putzt. Jeder macht das, was gerade anfällt. Wir brauchen keinen Putzplan. Wenn Männer ihren Frauen im Haushalt nur "helfen", dann führt die Frau das Regiment und muss Anweisungen geben. Wir fühlen uns beide gleich verantwortlich, dass hier kein Chaos ausbricht.

Immer wieder klagen mir Mütter ihr Leid: Ihre Männer würden den Schmutz nicht sehen oder hätten einfach kein Talent zum Putzen. Das ist doch Quatsch! Für den Mann ist es oft eine ganz bequeme Ausrede. Dabei kann man sich einfach antrainieren, dass man die Wollmäuse in den Ecken sieht. Frauen müssen das doch genauso lernen. Aber umgekehrt spielen manche Frauen auch aus, dass sie ihren Männern Haushalt und Kinderbetreuung nicht zutrauen. So versuchen sie, in dieser Domäne das Sagen zu behalten.

Wir leben in einem kleinen Dorf und sind hier eindeutig die Exoten. Wenn manche meiner männlichen Freunde hören, dass ich nur halbtags arbeite, meinen sie, ich habe den Rest des Tages frei und lege die Beine hoch. Die können sich gar nicht vorstellen, was im Haus und mit den Kindern alles zu tun ist, weil sie das alles ihrer Frau überlassen. Dass unser Modell so gut funktioniert, ist für manche sicher auch ein Angriff auf ihr traditionelles Weltbild und Rollenverständnis. Vielleicht scheuen sie sich einfach, dieses in Frage stellen zu müssen.

Brigitte Wendel*, 37 Jahre, ist Ärztin in einer Klinik, sie arbeitet in einer 90-Prozent-Stelle. Ihre 31-jährige Partnerin ist Krankenschwester an einer Uniklinik und arbeitet etwa neun Tage im Monat. Sie haben einen dreijährigen Sohn und zweijährige Zwillinge.

Ich habe immer ein schlechtes Gewissen und das Gefühl, dass ich zu wenig zu Hause mache, weil ich so viel in der Arbeit bin. Meine Partnerin sagt aber, das wäre in Ordnung. Ich denke mir oft: "Ich glaube, meine männlichen Kollegen würden sich darüber keine Gedanken machen." Früher habe ich mich immer gewundert, warum die Familienväter abends so lange in der Klinik getrödelt haben. Heute weiß ich warum: Wenn man später nach Hause kommt, sind die Kinder schon im Bett. Im schön bereiteten Heim schenkt man sich dann noch ein Glas Wein ein. Das ist sicher manchmal angenehmer, als wenn die Kinder noch zwei Stunden herumtoben.

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Wir teilen das so auf, weil ich einfach mehr verdiene. Anders geht es nicht. Mit drei Kindern kostet ja schon der Kindergarten 1000 Euro. Vor Kurzem sind wir auch noch von einer Wohnung in ein Haus gezogen. Außerdem arbeite ich gerne. Als ich ein Jahr aus gesundheitlichen Gründen nicht im klinischen Bereich war, war ich todunglücklich. Meine Partnerin könnte auch ganz aufs Arbeiten verzichten, wenn das finanziell drin wäre. Dann hätten wir einfach viel mehr Zeit.

Meine Aufgabe im Haushalt ist das Putzen. Weil ich das sauberer mache, finden wir beide. Wir wollen aber bald eine Putzfrau beschäftigen. Die wenige Zeit, die ich daheim bin, will ich lieber mit anderen Sachen verbringen. Meine Partnerin macht die Wäsche und alles, was eben so anfällt. Ich versuche auch Kleinigkeiten zu erledigen, also die Spülmaschine ausräumen und so weiter. Wenn meine Partnerin Spätdienst hat, gehe ich früher nach Hause und auch, wenn sie mal am Wochenende arbeiten muss, kümmere ich mich. Ansonsten erledige ich viel Handwerkliches. Das habe ich schon früher gemacht, es macht mir einfach Spaß. Das klingt jetzt, als ob einer der männliche Part wäre, aber ich nähe auch und kümmere mich um den Garten. Meine Partnerin kocht besser, also macht sie das. Backen tun wir am liebsten zusammen.

Die Kinder bringen wir auch so oft es geht zusammen ins Bett - und wenn sie nicht schlafen wollen, kriegen wir zusammen den Anfall. Bei den Zwillingen hat sich jeder der beiden auf einen von uns fixiert, das ist wohl normal.

Wenn ich frei habe, unternehmen meine Partnerin und ich viel zusammen, gehen zum Beispiel ins Fitnessstudio oder in die Sauna. Das kann sie unter der Woche auch alleine machen, wenn die Kinder im Kindergarten sind. Da beneide ich meine Partnerin manchmal. Was mir fehlt, ist Zeit für mich.

*Name von der Redaktion geändert

Christina Rosenberg, 33 Jahre, ist Chemielaborantin in der Lebensmittelüberwachung, ihr Mann Simon, 34 Jahre, ist Steinmetz. Beide arbeiten 40 Stunden Vollzeit. Sohn Julius ist zwei Jahre und drei Monate alt und geht zu einer Tagesmutter.

Bei uns heißt es nie: "Geh damit mal zum Papa" oder "zur Mama", beide sind für alles zuständig. Für unseren Sohn sind wir in jedem Belang gleichermaßen Ansprechpartner. Er geht mit dem Malbuch genauso zu mir wie zu meinem Mann. Ich kann mir vorstellen, dass das anders ist, wenn nur einer den ganzen Tag arbeitet, der Vater zum Beispiel, und die Mutter den ganzen Tag da ist. Da ist klar, dass das Kind am Abend mit ihm spielen will, die Mama aber automatisch verlangt wird, wenn es Hunger hat oder krank ist.

Mein Mann macht Julius morgens fertig, nimmt ihn mit und holt ihn abends ab - weil die Betreuung in der Nähe seiner Arbeit ist. Die beiden fahren meistens so um halb acht los. Ich fange immer schon um sieben Uhr mit der Arbeit an, damit ich abends noch einkaufen und kochen kann, bis die beiden zurückkommen.

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Der Haushalt ergibt sich von ganz alleine, wir haben da keine Vereinbarungen getroffen oder so etwas. Jeder macht das, was er am liebsten macht und die Aufteilung ist recht klassisch: Ich plane den Einkauf, kümmere mich um Rechnungen und Finanzen. Simon kümmert sich eher ums Auto oder repariert Sachen, die kaputt sind. Jeder saugt mal, spült oder räumt was weg. Er putzt das Badezimmer, ich räume die Küche auf. So hat das von Anfang an gut geklappt. Manchmal machen wir auch Sachen doppelt, weil jeder dran gedacht hat. Dann stehen da morgens zwei Wasserflaschen für Julius.

Unser größtes Problem ist, dass wir einfach zu wenig Zeit übrig haben. Besonders für uns als Paar. Man muss alles so optimieren, dass es möglichst schnell geht und das wiederum stresst. Wenn wir zu dritt zu Hause sind und keine Hausarbeit machen, will unser Sohn natürlich viel Aufmerksamkeit. Ab und zu nehmen wir beide einen Tag Urlaub und bringen Julius trotzdem in die Betreuung. Das geht aber auch nicht so oft. Am Wochenende wechseln wir uns im Wochentakt ab: Einer macht was alleine, einer was mit dem Kind. Und einen Tag machen wir etwas zusammen. Die nächste Woche kann der andere dann etwas alleine machen.

Mein Mann überlegt sich, auf Teilzeit zu reduzieren, wenn Julius in die Schule kommt. Spätestens dann muss sich etwas ändern, weil das Kind nachmittags mal zum Sport muss oder so. Und man hat ja kein Kind dafür, dass man es nicht sieht. Gerade ist das aber finanziell nicht möglich. Simon hätte überhaupt kein Problem damit, mehr zu Hause zu sein und ich würde auch gerne Vollzeit weiterarbeiten.

Ciara Tuennesen ist 32 Jahre alt und arbeitet Vollzeit als Projektmanagerin. Ihr Mann, Chris Depport, ist 37 und kümmert sich um den Haushalt. Tochter Ava ist 23 Monate alt und geht seit März ganztags in eine Kinderkrippe.

Ich kann immer noch dasselbe Pensum erfüllen, auch wenn ich jetzt ein Kind habe. Ich bin sogar noch besser organisiert als vorher, weil ich das sein muss - und ich habe einen Mann zu Hause, der nicht arbeitet. Meine Kollegen nehmen manchmal zu viel Rücksicht. Bei Geschäftsreisen, zum Beispiel, fragen sie ganz vorsichtig an. Ich denke mir: Warum soll ich das denn nicht machen? So was stachelt mich nur noch mehr an.

Wir haben 13 Jahre in England gelebt. Auch da war ich schon zuletzt die Hauptverdienerin. Ich habe bei Eurofighter als Ingenieurin angefangen und bin jetzt im Projektmanagement tätig - deshalb sind wir vor Kurzem nach München gezogen. Das Angebot kam zum perfekten Zeitpunkt: Unsere Tochter soll zweisprachig aufwachsen, weil ich selbst halb Deutsche, halb Irin bin. In Deutschland noch Englisch zu lernen ist einfacher, als in England noch Deutsch zu lernen.

Chris war in der Armee und hatte irgendwann genug davon, herumkommandiert zu werden. Deshalb fand er die Vorstellung, mit der Arbeit aufzuhören als das Kind kam gar nicht so schlecht. In England hatte er noch einen kleinen Antiquitätenladen betrieben, aber es hätte sich nicht gelohnt, den mit nach Deutschland zu nehmen.

Weil unsere Kleine hier einen Ganztags-Krippenplatz bekommen hat, kümmert sich mein Mann fast nur um den Haushalt. Ich arbeite in einem so männerdominierten Bereich, wenn ich da erzähle, dass ich einen "Hausmann" habe, ist das für viele unvorstellbar. Wenn Chris mehr als Papa (denn als Hausmann) zu Hause wäre, wäre das glaube ich für meine Kollegen leichter zu akzeptieren. Frauen sehen das anders. Sie sagen meistens zu mir: "Oh super, wenn du den besseren Job hast und genug verdienst - warum nicht?"

Meinem Mann ist die Meinung anderer egal. Was schwierig für ihn ist, ist das mit dem Geld. Dass er von mir so was wie "Taschengeld" bekommt, findet er schon komisch. Deshalb regeln wir das so: Jeder bekommt im Monat den gleichen, festen Betrag, den wir beide ausgeben können, wofür wir wollen. Vom Rest meines Gehaltes zahle ich das Haus, finanziere das Auto und was sonst noch so anfällt.

In die Hausmannrolle muss Chris sich noch einfinden. Es ist gar nicht so einfach, Zeit effektiv zu nutzen, wenn man viel davon hat. Bei mir dagegen ist alles durchgetaktet: Ich wecke Ava morgens auf, mache sie fertig und bringe sie in die Krippe, damit ich sie wenigstens ein bisschen sehe. Wenn ich abends um sieben Uhr nach Hause komme, ist sie nicht mehr lange wach. Samstags ist unser Tag und überhaupt machen wir am Wochenende ganz viel als Familie.

Das, was ich früher auch mal am Wochenende nur für mich gemacht habe, Joggen zum Beispiel, mache ich jetzt in der Mittagspause, damit ich, wenn ich zu Hause bin, Zeit habe. Ja, das ist stressig, aber ich arbeite einfach sehr gerne. Nach acht Monaten Mutterschaftsurlaub, in dem ich die Kleine voll gestillt habe und immer für sie da war, wollte ich unbedingt wieder raus. Das war für mich ein richtig befreiendes Gefühl, endlich wieder ins Büro zu gehen.

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