Die Recherche:Feministinnen, die Sie kennen sollten

Wer nur Alice Schwarzer nennen kann, hat etwas verpasst. Die feministische Szene ist jung, divers und sehr aktiv - auch, aber nicht nur im Netz.

Von Barbara Vorsamer

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Die Differenzfeministinnen - zum Beispiel Antje Schrupp

Antje Schrupp

Quelle: oh

Wer ist das? Die Bloggerin und Journalistin Antje Schrupp schaltet sich regelmäßig in aktuelle Debatten ein. Als Differenzfeministin geht es ihr darum, anzuerkennen, dass Frauen anders sind als Männer - und dass Frauen höchst unterschiedlich sein können. "Frauen sind keine homogene Gruppe, in der alle die gleichen Ziele haben", sagt sie. Das sei aber kein Problem, denn "Unterschiede sind fruchtbar". Im Differenzfeminismus geht es nicht (nur) um Gleichberechtigung, sondern um eine weibliche Perspektive auf die Dinge. Hört sich selbstverständlich an? Ist es nicht. Die meisten Feministinnen berufen sich auf Judith Butler und die Theorie, dass das Geschlecht nur eine konstruierte Größe sei. Schrupp denkt anders und daher viel über Frausein, Mannsein und echte Freiheit nach.

Was ist ihr Thema? Antje Schrupp bloggt oft über die Ungleichverteilung von Care-Arbeit. Darunter versteht man unbezahlte Arbeit wie Hausarbeit, Pflege, Erziehung, die größtenteils von Frauen geleistet wird. Wirtschaftliche Ungerechtigkeit treibt sie generell um, nicht nur die zwischen den Geschlechtern, weswegen sie auch zu den Befürworterinnen eines bedingungslosen Grundeinkommens gehört. Außerdem liegt der Protestantin der interkulturelle und interreligiöse Dialog am Herzen.

Weiterlesen: Unter dem Titel "Aus Liebe zur Freiheit" bloggt Schrupp zu aktuellen Fragen, sie hat einige Bücher geschrieben und äußert ihre Meinung regelmäßig auf Twitter (@antjeschrupp) und Facebook.

Antje Schrupp empfiehlt die Blogs von Anne Roth, der Mädchenmannschaft und Penelope Trunk.

Vorbilder: Luisa Muraro, Chiara Zamboni.

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Die Netzfeministinnen - zum Beispiel Anne Wizorek

Anne Wizorek

Quelle: Anne Koch; Anne Koch

Wer ist das? Gemeinsam mit Jasna Lisha Strick und Nicole von Horst dachte sich Anne Wizorek 2013 den Twitter-Hashtag #Aufschrei aus und löste eine Debatte über Alltagssexismus aus. Anlass war ein Text der Bloggerin Maike Hank - und nicht, wie meistens geschrieben wird, das unsägliche Dirndlkompliment von Rainer Brüderle. Zehntausende Frauen twitterten damals ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen im Alltag. Seitdem rufen Journalisten, die eine Feministin interviewen wollen, oft bei Wizorek an. Die Erbin von Alice Schwarzer will sie trotzdem nicht sein.

Was ist ihr Thema? (Alltags-)Sexismus - ihrer Meinung nach der gemeinsame Nenner für alle anderen feministischen Themen, egal ob es um Quote oder sexuelle Gewalt, Schönheitsideale oder die Akzeptanz von LGBTQI geht. Zuletzt initiierte die 34-Jährige das Ausnahmslos-Bündnis, in dem sich zahlreiche deutsche Feministinnen zusammenschlossen, um gegen die rassistische Vereinnahmung der sexuellen Übergriffe von Köln zu protestieren. Wizoreks Haltung ist hier, dass Sexismus überall zu finden - und zu bekämpfen - ist. Nicht nur in bestimmten Schichten und Kulturkreisen.

Weiterlesen: Anne Wizorek twittert als @marthadear, betreibt das feministische Gemeinschaftsblog kleinerdrei und ist Autorin des Buches "Warum ein Aufschrei nicht reicht".

Wer Wizorek mag, mag auch: Nicole von Horst (@vonhorst), Jasna Lisha Strick (@tugendfurie), Lucie Höhler (@autofocus)

Vorbilder: Jaclyn Friedman, Jessica Valenti

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Die feministischen Journalistinnen - zum Beispiel Margarete Stokowski

Margarete Stokowski

Quelle: Esra Rotthoff

Wer ist das? Margarete Stokowski machte sich mit der Kolumne "Luft und Liebe" (taz) einen Namen. Seit 2016 schreibt sie unter dem Titel "Oben und Unten" ein ähnliches Format für Spiegel Online. Ihre Texte sind bitterböse und lustig, persönlich und polemisch. Sie beweist: Feminismus und Humor schließen sich nicht aus - entgegen dem gängigen Vorurteil.

Was ist ihr Thema? Alles zwischen Wampe und Wahnsinn. Manchmal auch Katzen, #regrettingmotherhood, Germany's Next Topmodel, die AfD oder Donald Trump. Vor Stokowski ist nicht mal der Liebling aller Feministinnen, Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau, sicher.

Weiterlesen: Margarete Stokowski twittert als @marga_owski, ihre Kolumne findet man hier. Als ihre Vorbilder bezeichnet sie Simone de Beauvoir und die Mumins.

Andere feministische Journalistinnen, die man lesen sollte, sind Teresa Bücker (Redaktionsleiterin von EditionF), Katrin Gottschalk (stellvertretende Chefredakteurin der taz), Stefanie Lohaus (Chefredakteurin des Missy Magazins) und Susanne Klingner (Plan W).

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Die Karrierefeministinnen - zum Beispiel Bascha Mika

Bascha Mika

Quelle: picture alliance / dpa

Was ist das Thema? Frauen sollen raus aus der Komfortzone. Sie sollen Karriere machen, Führungsverantwortung übernehmen und genauso viel Geld verdienen wie Männer. Deshalb interessieren sich Karrierefeministinnen vor allem für Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Entgeltgleichheit von Frauen und Männern und die Frage, warum es so wenig Frauen in Führungspositionen gibt. International steht vor allem Sheryl Sandberg für diesen Feminismus. Die Facebook-Managerin vertritt den Anspruch, dass Frauen es schon an die Spitze schaffen können, wenn sie sich nur genug anstrengen.

In Deutschland vertritt Bascha Mika, Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, eine ähnliche Haltung. In ihrem Buch "Die Feigheit der Frauen" macht sie keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen gut ausgebildete Frauen, die sich für die Hausfrau- und Mutterrolle entscheiden. Andere Karrierefeministinnen findet man in den Vereinen Pro Quote und Pro Quote Regie, die sich für mehr weibliche Führungskräfte in den Medien einsetzen.

Lieblingsthema Quote: Mehr Frauen in Chefpositionen zu bringen, ist das feministische Ziel, das am meisten Aufmerksamkeit erfährt - zumindest außerhalb des feministischen Diskurses. Zuletzt war das der Fall, als die Frauenquote für Aufsichtsräte von Dax-Unternehmen gesetzlich verankert wurde. Bereits Standard ist eine Frauenquote in den meisten politischen Parteien. Auch bei Talkshows und Podien ist immer öfter Thema, wie viele Frauen dabei sind.

Weiterlesen: Sheryl Sandbergs "Lean In", Bascha Mikas "Die Feigheit der Frauen" - und zum Ausgleich Anne-Marie Slaughers "Unfinished Business". Die amerikanische Politikwissenschaftlerin erklärt, warum es häufig nicht reicht, wenn Frauen sich mehr reinhängen.

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Die Aktivistinnen und Aktivisten - zum Beispiel Stevie Schmiedel

Stevie Schmiedel, Portrait.

Quelle: Yvonne Schmedemann

Im Feminismus gibt es so viele verschiedene Themen, dass sich manche sinnvollerweise auf eines konzentrieren. Stevie Schmiedel von Pinkstinks (im Bild) zum Beispiel setzt sich mit ihrer Organisation vor allem für geschlechtergerechtes Spielzeug und gegen sexistische Werbung ein. Almut Schnerring (Autorin des Buches "Die Rosa-Hellblau-Falle") hat ein ähnliches Anliegen und ist außerdem die (Mit-)Initiatorin des Equal Care Day. So will sie dem Thema der Fürsorgearbeit mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Das Ziel von Kristina Lunz ist es, nackte Frauen aus der Bild-Zeitung zu verbannen (#stopbildsexism). Die Zusammenhänge zwischen Rassismus und Sexismus sind Kübra Gümüşay ein Anliegen. Sie ist daher an den Hashtag-Kampagnen #schauhin und #ausnahmslos führend beteiligt. Die Rapperin Sookee engagiert sich gegen Heteronormativität im Hip Hop und das Autorenduo Herr und Speer (bestehend aus Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer) setzt sich für Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit in Europa ein. In der Zeit schrieben sie eine empfehlenswerte Feminismus-Anleitung für Männer.

Doch das sind nur Beispiele. Die feministische Szene in Deutschland ist vielfältig und aktiv, es gibt Blogs, Kampagnen und Arbeitsgruppen - zu so gut wie jedem vorstellbaren Thema. Völlig uneinig ist sich die feministische Szene zum Beispiel beim Thema Prostitution. Während das Netzwerk Stop Sexkauf sich für ein Prostitutionsverbot nach schwedischem Vorbild einsetzt, setzen sich andere für Selbstbestimmung und Destigmatisierung von Sexarbeiterinnen ein. Als Feministinnen bezeichnen sich beide Seiten.

© SZ.de/bavo/anri/cat
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