Die Paar Probleme (11):Wo sollen wir nur anfangen?

Er hatte eine Affäre, sie kann nicht vergessen. Dabei wollen beide dasselbe: dass sie ihm wieder vertrauen kann.

Violetta Simon und David Wilchfort

Manchmal braucht die Liebe Unterstützung, das gilt auch - oder gerade - für "alte Hasen". Der Paartherapeut David Wilchfort und die sueddeutsche.de-Redakteurin Violetta Simon suchen im gemeinsamen Gespräch Antworten auf Beziehungsfragen unserer Leser - und zwar immer für beide Partner. Um die persönliche Situation von Adam und Eva zu verdeutlichen, haben wir deren Anliegen von zwei Schauspielern nachsprechen lassen. Eva wird gesprochen von Agnes Müller, Adam von Rüdiger W. Kunze. Klicken Sie auf das Video, um es abzuspielen.

Adam: Ich hatte eine Außenbeziehung, sie aber definitiv beendet. Das habe ich nicht nur meiner Frau gesagt, sondern auch meiner Freundin geschrieben. Doch statt einen Schlussstrich zu ziehen und mit mir an einer gemeinsamen Zukunft zu arbeiten, macht Eva mir immer noch Vorhaltungen. Sie löchert mich mit Fragen, will Details über meinen Fehltritt wissen, an die ich mich gar nicht mehr erinnere oder die ihr nur weh tun würden. Ich hätte von ihr erwartet, dass sie mein Bemühen auch schätzt, da es mir natürlich nicht leicht gefallen ist, den Brief zu schreiben. Ich wünschte, sie würde mir glauben, dass ich mit der Vergangenheit abgeschlossen habe und mit einen Neuanfang möchte. Doch sie misstraut mir und sagt: "Warum soll ich dir glauben, nachdem du mich so frech angelogen hast?"

Eva: Ich hätte nie geglaubt, dass mein Mann mich so verletzten würde. Ich hatte schon lange gespürt, dass etwas nicht stimmt, doch er hat wochenlang geleugnet. Nur durch einen dummen Zufall habe ich erfahren, dass er mich schon lange hintergeht. Erst dann hat er es zugegeben. Kaum war es heraus, da sagte er: "Aber jetzt lass mich mit der alten Geschichte in Ruhe und lass uns neu beginnen." Als er mich ein paar Tage später weinen sah, hat er sich aufgeregt. "Was soll ich denn noch mehr machen! Ich habe ihr doch schon geschrieben, dass es aus ist. Irgendwann muss mit den Vorwürfen auch Schluss sein." Er scheint nicht zu verstehen, wie verletzt und gedemütigt ich bin. Ich weiß nicht, was er ihr geschrieben hat. Vielleicht macht sie sich ja noch Hoffnungen. Ich hätte mir gewünscht, dass er mir hilft, ihm wieder zu vertrauen, in dem er keine Geheimnisse mehr vor mir hat.

David Wilchfort: Da wollen zwei einen "Re-Start" probieren, finden Sie nicht auch?

sueddeutsche.de: Wie bitte? Nehmen Sie mal lieber Ihre rosa Brille ab! Zu einem Re-Start gehört ein funktionierender Motor. Und ob der vorhanden ist, diese Gewissheit scheint Adam seiner Eva zu verweigern.

Wilchfort: Tja, scheint, als wären beide - im Gegensatz zu mir - der Meinung, der andere will den Seitensprung nicht zum Abschluss bringen. Eva glaubt, er will ihr nicht die definitiv klärenden Antworten geben, die sie erlöst. Adam meint, sie will ihn nicht von der Anklagebank lassen.

sueddeutsche.de: Klingt bestechend klug, doch damit kriegen Sie mich nicht rum. Ich bin der Meinung, ein Seitensprung sollte von demjenigen zum Abschluss gebracht werden, der ihn begonnen hat. Das ist ja wohl das Mindeste, was Adam als Zeichen seines guten Willens leisten kann.

Wilchfort: Wenn wir hier vor Gericht säßen, könnten Sie damit die Geschworenen sicherlich beeindrucken. Aber es geht hier um etwas anderes: Adam und Eva wollen zu einer Beziehung finden, in der sich beide wohlfühlen. Leider haben sie für dieses Ziel recht unterschiedliche Wege im Kopf, die sich gegenseitig blockieren.

sueddeutsche.de: Allerdings. Adam hätte die Sache am liebsten schon hinter sich, dabei beginnt jetzt erst die Beziehungsarbeit. Und wenn es nach Eva ginge, könnte er sich ruhig ein wenig betroffener zeigen - sozusagen am Boden zerstört.

Wilchfort: Vermutlich denkt Eva genau wie Sie. Ein am Boden zerstörter Adam kann aber Eva nur vorübergehend Sicherheit - oder Genugtuung - verschaffen. Doch auf lange Sicht will sie einen Adam, mit dem sie glücklich alt werden kann. Und das funktioniert nicht, wenn sie ihn zermalmt.

sueddeutsche.de: Ach Gottchen, wer wird denn gleich so destruktiv werden! Und wenn wir schon dabei sind: Es war doch Adam, der die Beziehung zerstört hat - oder beinahe. Was genau sollte denn Eva Ihrer Meinung nach tun: Ihn mit offenen Armen aufnehmen, den Mantel des Schweigens über all ihre Ängste und Zweifel legen und so tun, als wäre nie etwas gewesen? Wer, wenn nicht ihr geliebter Mann, sollte sich diesen Ängsten stellen und darüber mit ihr sprechen?

Ineffektive Lösungsversuche aufgeben

Wilchfort: Also bitte, eine Frage nach der anderen. Zunächst einmal: Sie meinten doch, dass es Eva darum ginge, Adam am Boden zerstört zu sehen. Eva schreibt aber, dass Adam ihr helfen solle, ihm wieder zu vertrauen. Um dort hinzukommen, müssen sie erst einmal ineffektive Lösungsversuche aufgeben. Antworten auf die Fragen nach dem Wann, Wo und Wie oft führen in meiner Erfahrung nur zu immer weiteren Fragen. Auch Adams Vorstellung von einer Lösung halte ich nicht für zielführend. Natürlich wünscht er sich, Eva würde den von Ihnen beschriebenen Mantel des Vergessens über die Sache legen. Aber damit Eva ein neues Kapitel in ihrer Beziehung aufschlagen kann, muss er dafür sorgen, dass sie ihre tiefe Verletzung überwinden kann.

sueddeutsche.de: Und wie soll das funktionieren - diese Verletzungen überwinden?

Wilchfort: Als Erstes muss er damit aufhören, ihr genervt zu sagen, welche Antworten er nicht geben kann und anfangen, ihr Antworten zu geben, die ihr helfen können. Er muss ihr glaubhaft vermitteln, wie leid es ihm tut, dass sie durch ihn verletzt wurde. Außerdem muss er sich darüber klar werden, dass seine Verantwortung für die Zukunft der Beziehung nicht damit endet, dass er die Außenbeziehung aufgegeben hat. Da ist schon mehr nötig. Zum Beispiel könnte er sich Gedanken darüber machen, wie er ihr das Gefühl geben kann: "Das macht er nur mit mir und möchte es nur mit mir machen."

sueddeutsche.de: Sich auf der Tatsache auszuruhen, dass er die Affäre aufgegeben hat, ist in der Tat zu wenig. Vielleicht ist es aber noch etwas anderes, das Eva verunsichert: diese Leichtigkeit und auch eine gewisse Feigheit, mit der er die Affäre anhand eines einzigen Briefes beendet hat. Eva könnte sich fragen, ob er mit allem so leichtfertig umgeht und wie ernsthaft er an der Partnerschaft interessiert ist.

Wilchfort: Genau von dieser Besorgnis muss Adam versuchen, Eva zu befreien. Es genügt nicht, dass für ihn klar ist, mit dem Brief an die Exfreundin einen Schlussstrich gezogen zu haben. Er muss sich darum bemühen, dass auch Eva das spüren kann.

sueddeutsche.de: Also von jetzt an immer um sie sein und nicht mehr von ihrer Seite weichen? Baccara-Rosen, Liebesbriefe? Nein, im Ernst - dazu müsste er sich auf etwas einlassen, das ihm offenbar sehr schwerfällt: auf die Beziehung und Evas Gefühle - und seine. Denken, Sie, das bekommen die beiden in offenen Gesprächen hin?

Wilchfort: Ich glaube, dass Ihr überspitzter Vorschlag näher an der Lösung ist, als Ihr ernstgemeinter über die "offenen Gespräche". Ich vermute, es haben schon zu viele Gespräche stattgefunden. Alles, was es zu sagen gäbe, ist bereits zerredet worden. Jetzt sind Taten angesagt. Ich weiß nicht, welche Blumen Eva am liebsten mag. Das muss Adam herausfinden. Da reichen keine 08/15-Baccara-Rosen. Adam muss sich fragen: "Was könnte ich tun, damit Eva wieder spürt, wie wichtig sie mir ist?" Dabei muss er auch Misserfolge einstecken können und verstehen, dass es Eva nicht leichtfällt, darauf einzugehen. Das wird nur funktionieren, wenn auch Eva versucht, sich auf seine Angebote einzulassen - so weit es ihr in ihrer Verletzung gerade noch möglich ist.

sueddeutsche.de: Mit anderen Worten: Er muss mehr schlechtes Gewissen zeigen, sie muss mehr Großmut walten lassen. Kann diese Verletzung jemals so weit verheilen, dass beide gestärkt aus dieser Krise hervorgehen?

Wilchfort: Sie kann. Ich habe schon viele Paare in so einer Situation erlebt, die neu zueinander gefunden haben, die sich in ihrer Beziehung sogar wohler gefühlt haben als vor dem Bruch. Aber ich habe auch Paare gesehen, die in ihren selbstgerechten Positionen steckengeblieben sind. Der eine meinte: "Ich habe Schluss gemacht und jetzt muss auch wieder gut sein." Der andere meinte: "Mein Partner ist an dieser Krise schuld, jetzt muss er die ganze Beziehungspflege für uns beide erledigen." Diese Paare haben ihre Partnerschaft beendet mit dem "guten" Gefühl: Der andere war schuld.

sueddeutsche.de: Nun wollen wir uns aber nicht damit begnügen, die unterschiedlichen Möglichkeiten zu betrachten. Wir wollen diese Beziehung auf den Weg bringen - dann können die beiden später immer noch alles über den Haufen werfen. Also: Ärmel hochkrempeln und loslegen! Wie wäre es mit einer zeitlich befristeten Spanne, in der sich Adam und Eva bemühen, die Dinge aus der Sicht des anderen zu betrachten? Das ließe sich unter Umständen leichter umsetzen. Danach werden die beiden schon sehen, ob Baccara-Rosen und Toleranz helfen können - oder ob sie in Zukunft lieber getrennte Wege gehen mit dem Gefühl: Der andere war schuld!

Wilchfort: Ein Termin hilft tatsächlich oft dabei, die Ärmel hochzukrempeln. Solange nicht einer oder beide glauben "die Zeit wird die Wunden heilen". Daran glaube ich überhaupt nicht. Es passiert nur, was die beiden aktiv anpacken.

sueddeutsche.de: Und wenn das passiert ist, kann man die Dinge hinter sich lassen?

Wilchfort: Nichts in dieser Welt kann man ungeschehen machen. Aber vieles - wenn beide sich bemühen - kann man überwinden. Und dann kann man tatsächlich das Geschehene hinter sich lassen.

Haben auch Sie und Ihr Partner ein Problem, das Sie uns gerne - jeder aus seiner Perspektive - mitteilen möchten? Dann senden Sie uns eine E-Mail mit Betreff "Paar Probleme" an leben@sueddeutsche.de. Beachten Sie bitte, dass nur Zuschriften beantwortet können, in denen beide Partner ihr Anliegen formulieren. Auch wenn Sie anonym bleiben - für eventuelle Rückfragen benötigen wir eine gültige E-Mail-Adresse.

Noch eine Anmerkung in eigener Sache: Kennen Sie das? Wenn es um die eigene Beziehung geht, steht man oft im Wald. Nur bei den Problemen der anderen sieht man ganz klar, wo es hakt. Warum die Erkenntnis der distanzierten Betrachtung nicht nutzen und jenen zugutekommen lassen, die gerade den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen? Künftig werden wir immer am letzten Donnerstag im Monat in der Kolumne "Die Paar Probleme" einen Beziehungsfall diskutieren - und Sie können uns dabei helfen. Alle sueddeutsche.de-Leser sind herzlich dazu eingeladen, gemeinsam eine Lösung für die Beziehungsprobleme anderer Leser zu finden. Ihre Vorschläge werden von uns im Gespräch diskutiert, die beste Idee wird mit einem Produkt aus der SZ-Edition prämiert. Worum es bei unserem ersten "öffentlichen" Fall geht, verraten wir aber erst am 15. Juli. An diesem Tag haben wir um zwölf Uhr mittags einen Chat mit David Wilchfort geplant, bei dem Sie die Gelegenheit haben werden, selbst Fragen an den Paartherapeuten zu stellen: über Beziehungen im Allgemeinen, den Sinn einer Paartherapie und alles, was Männer und Frauen zusammenhält - oder entzweit.

Haben Sie Fragen oder ein Anliegen? Dann senden Sie uns eine E-Mail mit Betreff "Paar Probleme" an leben@sueddeutsche.de.

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