Die Paar Probleme (9):"Muss ich denn da mit?"

Lesezeit: 5 Min.

Er findet ihre Freunde langweilig und borniert, sie fühlt sich dadurch als Person abgelehnt. Ein Gespräch über die Kunst, den anderen miteinzubeziehen - erstmals mit Videos.

Violetta Simon und David Wilchfort

Manchmal braucht die Liebe Unterstützung, das gilt auch - oder gerade - für "alte Hasen". Der Paartherapeut David Wilchfort und die sueddeutsche.de-Redakteurin Violetta Simon suchen im gemeinsamen Gespräch Antworten auf Beziehungsfragen unserer Leser - und zwar immer für beide Partner.

Um die persönliche Situation von Adam und Eva zu verdeutlichen, haben wir deren Anliegen von zwei Schauspielern sprechen lassen. Eva wird gesprochen von Agnes Müller, Adam von Rüdiger W. Kunze. Klicken Sie auf die Videos, um sie abzuspielen.

Eva: Mein Mann mag meine Freunde nicht. Wenn ich Besuch bekomme, verschanzt er sich im Arbeitszimmer. Wenn wir eingeladen sind, muss ich mir jedes Mal eine Ausrede für ihn einfallen lassen. Dabei gehören diese Menschen zu meinem Leben. Wenn er meine Freunde ablehnt, lehnt er ein Stück weit auch mich ab. Sie sind wirklich nett, gebildet und kultiviert. Warum bemüht er sich nicht wenigstens, sie besser kennenzulernen? Ich würde das bei seinen Freunden auch tun. Aber er hat ja kaum welche. Nur ein paar Kumpels, mit denen er Fußball spielt.

Adam: Ich kann mir nicht helfen, aber die Freunde meiner Frau sind langweilig und borniert. Wenn sie zusammen sind, verhalten sie sich so eingeschworen, ich komme mir jedes Mal vor wie ein Außerirdischer. Dennoch verlangt sie immer wieder von mir, sie zu begleiten. Wenn ich das ablehne, fühlt sie sich persönlich angegriffen. Warum lässt sie mich nicht einfach in Frieden damit, muss sie daraus gleich eine Grundsatzdebatte machen?

Simon: Ich frage mich, warum Männer so oft ein Problem mit dem Freundeskreis ihrer Frauen haben. Eifersucht kann es ja nicht sein ...

Wilchfort: Wieso nicht?

Simon: Na ja, Eifersucht im herkömmlichen Sinne. Vielleicht eher Neid auf gemeinsame Geheimnisse und Erlebnisse.

Wilchfort: Hier unterscheide ich nicht. Adams Gefühl ist nur eine Variante der Eifersucht. Wenn Eva sagt: "Dabei gehören diese Menschen zu meinem Leben", stört sich Adam an dem Ausdruck "mein Leben".

Simon: Das finde ich anmaßend. Wenn ich so was höre, geht mir der Hut hoch! Ein Paar verschmilzt ja nicht automatisch zu einer biologischen Einheit.

Wilchfort: Es muss eben ein Leben sein, das Adam nicht verstößt. Wenn Eva "mein" betont, gibt es ihm einen Stich.

Simon: Adam ist also verstört, weil er Angst hat, etwas zu verlieren.

Wilchfort: Diese Angst hat Eva mit der Botschaft ausgelöst: "Wenn du meine Freunde ablehnst, lehnst du mich ab." Das zeigt ihm, dass auch sie sich mit diesen Leuten als Teil identifiziert, der nur ihr gehört.

Simon: Es ist ja auch so: Ihre Freunde sind ihre Vergangenheit, haben sie geprägt. Sie teilt mit ihnen Erlebnisse und Erfahrungen. Wenn er sie ablehnt, lehnt er alles ab, was sie mag und ihr wichtig ist.

Wilchfort: Aber wie weit vertraut sie ihm ihre Freunde an? Wie weit will sie das, was ihr "gehört", mit ihm teilen?

Simon: Bisher signalisiert sie nur: "Du kannst dabei sein, bestimmst aber nicht, wie es läuft." Er fühlt sich zum Mitläufer degradiert.

Wilchfort: Hier liegt die Krux: Sie muss sich entscheiden. Entweder hält sie ihn aus diesem Teil ihres Lebens heraus, dann muss sie aushalten, dass er sich zurückzieht. Oder sie ist bereit, diesen Teil ihres Lebens nicht vor ihm zu verschließen, dann muss sie sich bemühen, ihm den Weg dorthin zu ebnen.

Simon: Andererseits - will er denn überhaupt dabei sein? Ich glaube nicht, denn er schreibt: "Warum lässt sie mich nicht in Frieden?"

Wilchfort: Das ist die Taktik der "sauren Trauben" - der Fuchs kommt nicht an sie ran und redet daher dem Raben ein, die Trauben seien ungenießbar.

Simon: Sie glauben also, Adam wäre eigentlich gern einer von ihnen. Und weil sie ihn nicht mitmachen lassen, behauptet er, Evas Freunde seien langweilig und borniert. Mit Verlaub, selbst mein sechsjähriger Sohn würde so argumentieren.

Wilchfort: Aber das trifft es genau! Es steht in dem Satz: "Wenn sie zusammen sind, verhalten sie sich so eingeschworen, ich komme mir jedes Mal vor wie ein Außerirdischer." Dieses Ausgeschlossensein ist es, was weh tut. Und das IST Eifersucht!

Simon: Dann spielt sie aber ein perfides Spiel.

Wilchfort: Ich würde sagen: Die spielen beide ein Spiel. Wenn Sie Adam und Eva getrennt befragen, wird sie sagen: "Er schließt sich immer aus." Er hingegen würde sagen: "Sie schließt mich nie ein." Und beide haben recht.

Simon: Aber wenn er sich aus- und sie ihn nicht einschließt, haben wir eine ziemlich statische Situation. Da muss sich was bewegen.

Wilchfort: Das Stichwort lautet "Brückenbildung" - ein Spiel, das nur zu zweit funktioniert. Einer bildet die Brücke, die so beschaffen ist, dass der andere auch drübergehen kann.

Simon: Sie sprechen in Rätseln ...

Wilchfort: Es reicht nicht, ihn aufzufordern: "Komm halt mit". Sie muss dafür sorgen, dass er sich wohl fühlt. Sie muss sich bemühen um ihn.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie Eva ihn auf die Brücke lockt.

Um die Kommunikationsebene zwischen Adam und Eva zu verdeutlichen, haben wir Eva zu Adam sprechen lassen - einmal wie sie in seinen Ohren klingt, einmal wie sie klingen wollte. Klicken Sie auf die Videos, um sie abzuspielen.

Simon: Also ich finde, er könnte sich ruhig auch ein bisschen ins Zeug legen.

Wilchfort: Das muss er auch: Indem er bereit ist, die Brücke zu betreten.

Simon: Hängt vermutlich davon ab, wie sie beschaffen ist. Hatten Sie da an eine romantische Hängebrücke oder eher an ein robustes Stahlkonstrukt gedacht?

Wilchfort: Genau das sollte Eva klären, indem sie sich fragt: Was könnte ihm Spaß machen? Sie muss sich zurücknehmen, auch wenn sie gerade lieber Insider-Witze mit ihren Freunden reißen würde. Sie könnte zum Beispiel ein Thema anschneiden, in dem Adam sich gut auskennt, oder das ihn interessiert. Damit gibt sie ihm die Möglichkeit, sich einzubringen.

Simon: Wirkt das nicht ziemlich bemüht und gönnerhaft? Adam wird den Braten riechen, wenn sie sagt: "Heute spielen wir Tennis. Das magst du doch so gerne, kommst du mit?" Ich denke, er will keine Almosen. Schon gar nicht vor diesen Leuten.

Wilchfort: Es geht auch gar nicht um "diese Leute". Er muss spüren: Ich bin Eva so wichtig, dass sie versucht, es mir leichter zu machen, ihre Freunde anzunehmen. Ihr Brückenbau kann auch nur gelingen, wenn sie es wirklich will - nicht nur, um ihr Gewissen zu erleichtern.

Simon: Ich bleibe dabei: Er wird denken: "Das tut sie nur, um mich zu integrieren."

Wilchfort: Ja, das stimmt auch. Aber jetzt kommt es darauf an, dass er erkennt, sie tut es ihm zuliebe und nicht, um das Gesicht vor ihren Freunden zu wahren. Sie könnte zum Beispiel herausfinden, mit welchem ihrer Freunde Adam sich am ehesten versteht. Damit vermittelt sie ihm das Gefühl: Ihr liegt etwas an MIR, nicht nur an ihren Freunden.

Simon: Dann wäre seine Aufgabe bei dieser Brückenbildung, auf ihre Bemühungen einzugehen und endlich diese Brücke zu betreten. Weil er das Gefühl hat, er ist bei IHR willkommen.

Wilchfort: Er muss merken: Sie nimmt mich geistig mit. Ich bin immer noch ihr Partner, wenn sie dort ist. Selbst wenn ihre Brücke nicht unbedingt perfekt ist, sollte er versuchen, drüberzugehen. Ohne Risiko geht gar nichts.

Simon: Das gefällt mir. Nachdem also Adam beim Anblick der Statik beide Augen zugedrückt und die Brücke betreten hat, steht er Evas Freunden gegenüber. Und dann? Wird er erkennen, dass sie nur halb so borniert sind wie er selbst es war.

Wilchfort: Oder dass sie genauso borniert sind wie seine Kumpels.

Simon: Das wäre ja zumindest eine Gemeinsamkeit, die verbindet.

Wilchfort: Es geht immer um das Gefühl der Gemeinsamkeit. Ich proklamiere nicht die totale Symbiose, aber ihr Leben muss in Bezug zu seinem stehen. Wenn sie mit ihren Freunden doch einmal alleine ausgeht, muss er ihr viel Spaß dabei wünschen können. Dann ist ihnen etwas gelungen.

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