Die Figur Krampus:Armer Teufel

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Krampuslauf im Pinzgau: Der finstere Maskenmann wird nicht nur von Kindern gefürchtet. (Foto: Jürgen Feichter/dpa)

Prügelknabe, Dämon, lustige Schreckfigur oder Achtundsechziger: Der Krampus, der Begleiter des Nikolaus, musste schon für vieles herhalten.

Von Hermann Unterstöger

Auch für St. Nikolaus lief es nicht immer so glatt, wie es bei einem Heiligen seines Ranges laufen sollte. Der Maler Bicci di Lorenzo hat eine Predellenszene hinterlassen, auf der die Ikone des Bischofs mit einer Rute gegeißelt wird. Mit einer Rute? Ist da womöglich der Krampus oder Knecht Ruprecht, oder wie immer der Finsterling an des Bischofs Seite heißt, mit von der Partie? Und wenn ja, wieso verprügelt er das Bild seines Herrn?

Die Szene ist schnell erklärt, und sie hat mit dem Krampus schon insofern nichts zu tun, als es ihn zu Biccis Lebzeiten, 1373 bis 1452, überhaupt noch nicht gegeben hat. Das Gemälde zeigt einen Vorfall aus dem Nachleben des Heiligen. Ein jüdischer Kaufmann hatte sich im Vertrauen auf dessen Wunderkraft eine Ikone malen lassen und zum Schutz vor Einbrechern aufgestellt. Er wurde trotzdem bestohlen. In seiner Enttäuschung züchtigte er das Bild, woraufhin Nikolaus den Dieben erschien und sie zur Rückgabe der Beute anhielt. Nun war alles wieder gut.

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Eine Züchtigung weitaus größeren Zuschnitts widerfuhr in den letzten Jahren dem Krampus, genauer gesagt dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihm dank dem niederländischen Nikolausbrauchtum hat. Wenn dort der Nikolaus alias Sinterklaas umgeht, dann traditionellerweise in Begleitung einer Figur namens Zwarte Piet, also Schwarzer Peter, dessen Gesicht schwarz bemalt wurde. Der breiten Menge ist dieser Mitläufer lieb und unentbehrlich, und entsprechend bitter reagierte sie, als - in Zeiten politisch korrekten Verhaltens nicht unerwartet - die Frage aufgeworfen wurde, ob es sich bei der vermeintlich harmlosen Maskerade nicht um einen Fall von rassistischer Diskriminierung handle. Auf dem Theater war das "Blackfacing" jahrhundertelang gang und gäbe. Mittlerweile lässt man die Finger von dieser Schminkpraxis, weil sie verrät, dass und wie eine Mehrheit "für sich eine uneingeschränkte kulturelle Deutungshoheit in Anspruch nimmt". So 2014 die Jury der Aktion Anglizismus des Jahres.

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Der Krampus (um für die ganze Gilde der Nikolausbegleiter bei dem süddeutschen Namen zu bleiben) ist auch ein weiß Gott finsterer Geselle. Er ließe sich aber nur schwer dahin gehend deuten, dass da eine Rasse verächtlich gemacht oder gar, wie im Hinblick auf den Zwarten Piet allen Ernstes vorgebracht worden war, der Rückkehr zur Sklaverei das Wort geredet werde. Dazu fehlt ihm das Entscheidende, das den Zwarte-Piet-Gegnern ihre Kritik ja auch vergleichsweise leicht gemacht hat: die an "Neger"-Karikaturen vergangener Zeiten erinnernde Gesichtsmaske, überhaupt der Habitus eines aus der Schokoladenfabrik entlaufenen "Sarotti-Mohren".

Das Lexikon für Theologie und Kirche erklärt das aus Nikolaus und Krampus bestehende Tandem so: "Im Sinn eines einfachen Dualismus tritt N. als gütige Brauchgestalt in Begleitung versch. Schreckfiguren auf." Verschiedene Schreckfiguren: Das liest sich, als sei es mit einem Augenzwinkern geschrieben worden, womöglich bei einem Gläschen Punsch. Ganz so gemütlich ist die Sache aber nicht. Wenn ein Dualismus obwaltet, dessen hellere Hälfte ein Heiliger ist, kann man einen Sack Nüsse drauf verwetten, dass die dunklere Hälfte der Teufel ist. Vor 15 Jahren präsentierte das Bayerische Nationalmuseum die Sammlung Ursula Kloiber. Bilder und Figuren dieser Ausstellung ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass es sich bei dem gehörnten und geschwänzten, mit Rute und Kette bewaffneten Wesen um den Teufel handelt.

Der generellen Heiterkeit der Nikolaus-Tableaus tat das keinen Abbruch, im Gegenteil. Das Volk hat sich den Gottseibeiuns schon immer so zurechtgerichtet, dass er, wenn er schon anwesend sein musste, nicht allzu grauslich wirkte. Im Rahmen dieser Abwehrstrategie sind fast freundschaftliche, jedenfalls kumpelhafte Abbildungen entstanden, darunter Krampusmädchen mit Köpfen aus Biskuitporzellan, die in kleinen Kraxen Bonbons mitführten.

Da und dort hat man aus dem dunkel-winterlichen Treiben, besonders aus dem der vermummten Begleitgestalten, Rückschlüsse auf einen mythologischen Hintergrund gezogen. Die Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann warnte vor "Interpretationsbemühungen im Lichte des Dämonenkults". Ihrer Ansicht nach hängt das Verfremden der Individualität durch Verkleiden und Ausstatten eher mit Fastnacht und "Verkehrter Welt" als mit mythischer Ferne zusammen. Es geht ums Schrecken und Necken, und die jungen Männer schlüpfen dabei "in altbekannte Rollen, die ihnen im Verständigungsvokabular des Dorfes die Macht zu allem möglichen Unfug geben".

Weber-Kellermann knüpft in ihrer 1978 erschienenen Kultur- und Sozialgeschichte des Weihnachtsfests an Aussagen von Kindern an, die oft als Krampus unterwegs waren und dabei nicht nur gutes Geld verdienten, sondern auch den Spaß hatten, andere Kinder zu schrecken und zu züchtigen. Sie können sich also Verhaltensweisen erlauben, die sie sonst von den Erwachsenen sich selbst gegenüber erlegen. "Und so", fährt die Wissenschaftlerin fort, "genießen sie die Ausübung höchst fragwürdiger pädagogischer Mittel und entlarven damit den immer noch gültigen Autoritätsmechanismus der patriarchalischen Familie." Der Krampus einmal nicht als Vegetationsdämon, als Mitglied der Wilden Jagd oder als Teufel, sondern, wenn man so will, als Achtundsechziger.

Den Weg durch den Kamin direkt ins Wohnzimmer nahm früher auch der Satan

Eine eigenartige Metamorphose widerfuhr dem Krampus in Amerika. Der "Merry Old Santa Claus", wie ihn Thomas Nast stilprägend gemalt hat, ist weder Bischof noch zotteliger Geselle, sondern eine kuriose Mischung aus beiden. Er trägt einen roten, pelzverbrämten Wams, dazu auf dem Kopf eine mit Mistelzweigen besetzte Mütze, und was sein bärtiges Gesicht anlangt, so muss man kein Kirchengeschichtler sein, um zu behaupten, dass der heilige Nikolaus von Myra weder so noch so ähnlich ausgesehen hat. Der Typ ist die Leutseligkeit selbst. Ein Verbot, wie es Herzog Gustav Adolf von Mecklenburg 1682 gegen randalierende Vermummte aussprechen musste, würde bei ihm ins Leere laufen.

Dennoch haftet auch ihm etwas Teuflisches an, auch wenn es äußerlich nicht zu erkennen ist. 1823 erschien in den USA das Gedicht "A Visit from St. Nicholas". Es wird Clement Clarke Moore zugeschrieben und schildert die Ankunft des Heiligen. Interessant daran ist weniger, dass er einen achtspännigen Rentierschlitten fährt, als vielmehr, wie er ins Haus gelangt. Er lenkt sein Gefährt aufs Hausdach und rutscht dann - "down the chimney St. Nicholas came with a bound" - durch den Kamin mitten ins Wohnzimmer.

Das mag der kürzeste Weg gewesen sein. Es ist aber, wie das Lexikon des Aberglaubens lehrt, auch der klassische Weg des Teufels. Moores Nikolaus nimmt übrigens den nämlichen Weg zurück. Dazu der gute alte Mephisto: "'s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster: / Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus."

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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