Deutschlands Eigenheiten:Was wir sind

"Der Islam gehört zu Deutschland", sagt Bundespräsident Wulff. Und hat damit wieder einmal eine Debatte ausgelöst. Aber was gehört eigentlich so alles zu Deutschland? Eine Aufzählung in Bildern.

Petra Steinberger

14 Bilder

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Quelle: Illustrationen: Jovita Mockeviciute/szw

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Bayern

Bayern wissen, dass sie zu Bayern gehören. Das übrige Deutschland glaubt, dass Bayern sich nur unter Vorbehalt zu Deutschland gehörig fühlt. Die Bayerische Verfassung stellt aber ausdrücklich fest, dass auch andere Deutsche dazugehören dürfen: "Alle deutschen Staatsangehörigen, die in Bayern ihren Wohnsitz haben, besitzen die gleichen Rechte und haben die gleichen Pflichten wie die bayerischen Staatsangehörigen." (Artikel 8, Gleichstellung aller Deutschen). Die übrige Welt ist überzeugt, dass Bayern und Deutschland sowieso ein und dasselbe sind.

Status: Freistaat

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Mallorca

Auf Mallorca gibt es fünf Filialen der Deutschen Bank, eine deutsche Schule, eine deutsche Buchhandlung, zwei deutsche Zeitungen und einen Boris Becker. Wie viele Finca- und Ballermann-Deutsche es dort sonst noch gibt, wissen die Mallorquiner nicht so genau. Wollen sie vielleicht nicht, vielleicht weil sie sich unter Besatzung fühlen. Andersherum halten immer mehr Deutsche Süden, Palmen und Meerblick für eine Errungenschaft ihrer sozialen Marktwirtschaft, die sie nicht aufgeben möchten.

Status: Spanisch seit knapp 800 Jahren.

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Minarett

In Deutschland, schätzt das Islamische Wissenschafts- und Bildungsinstitut, gibt es etwa 2600 Moscheen, die meisten davon sind "Hinterhofmoscheen". Nur wenige Bauten sind repräsentativ, vielleicht 100 haben Minarett und Kuppel.

Status: Gehört schon länger in die deutsche, europäische, aber nicht mehr in die Schweizer Landschaft.

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Papst

Seit seiner Wahl ist der Papst Oberhaupt der katholischen Kirche und zugleich einigermaßen absolutistischer Chef des kleinen Staates Vatikanstadt. Damit sollte er eigentlich automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, da der Gesetzgeber Mehrstaatigkeit vermeiden will. Aber beim Papst hat man eine Ausnahme gemacht. Die Schlagzeile "Wir sind Papst" war deshalb grammatikalisch, nicht aber völkerrechtlich falsch.

Status: Oberster Diener Gottes auf Lebenszeit, deutscher Staatsbürger.

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Leopard

In den letzten fünf Jahren hat Deutschland seine - offiziellen - Rüstungsexporte mehr als verdoppelt, auf elf Prozent des Weltmarktes. Damit liegen wir an dritter Stelle hinter den USA und Russland. Der größte Teil der bei uns produzierten Rüstungsgüter, vor allem U-Boote und Panzer, gehört inzwischen der Türkei, Griechenland und Südafrika.

Status: Zum deutschen Abrüstungsgedanken gehört das nicht.

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Opel

Opel ist weit länger, seit 1929, in Besitz des amerikanischen Autoherstellers General Motors (81 Jahre) als in deutschem (31 Jahre). Was nichts daran ändert, dass sich Opel, ähnlich wie das HB-Männchen (die Marke wurde bereits 1932 von British American Tobacco gekauft), sehr deutsch anfühlt. Das kann aber auch an den Manta-Witzen liegen.

Status: Gehört Amerikanern, das Werk in Antwerpen vielleicht bald Chinesen.

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Sahara

Die Wüste Afrikas ist nicht der Lieblingsort des Deutschen - zu viel Sonne, kein Schatten, keine Party. Allerdings könnte er die reichlich vorhandene Sonnenenergie gut gebrauchen und hat deshalb ein internationales Konsortium aus deutschen Großkonzernen erschaffen: Desertec. Das möchte in der Sahara bald die Sonnenstrahlen in solarthermischen Kraftwerken auffangen, noch ehe sie auf afrikanischen Boden treffen, dann gehören sie Desertec, dann Deutschland und dann allen Wirtschaftsfreunden.

Status: Sonne - über alles erhaben. Sahara - gehört afrikanischen Staaten, die sie verpachten.

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Oktoberfest

Das Münchner Oktoberfest gehörte diesmal 6,4 Millionen Menschen auf Bierbänken. In Hannover gibt es auch eins, und in London, Cincinnati, Blumenau (Brasilien) usw., usw. Aber die zählen nicht.

Status: Jährlich. Weltweit.

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Deutsche Auswanderer

155.000 Deutsche wanderten 2009 aus Deutschland aus, am liebsten in die Schweiz, wenn es über Europa hinausgeht, dann nach Amerika. Da die meisten aus Ostdeutschland und Berlin stammen, kann das bedeuten, dass sie sich in Deutschland nicht wohl fühlen oder ein großes (USA) oder kleineres Abenteuer (Schweiz) suchen. Es ist auch möglich, dass sie sich den Bergen näher fühlen als den nordostdeutschen Ebenen.

Status: Auf Antrag Bürger des neuen Staates, dabei oft hin- und hergerissen, ein Leben lang. Das liegt im Wesen der Emigration.

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Bauhaus

Hätten wir gern, die weißen Kuben und Kurven, lichtdurchflutet. Anstatt ihrer armseligen Billig-Nachfolger, glattwandige Betonkastenplattenbauten ohne Front und Variationen. Aber auch statt der Rokoko-Säulchen-Vordach-DHH in Hellgelb, die inzwischen die Vororte verseuchen. Schuld ist Nazi-Deutschland, das Dessaus Architekten und Designer vertrieben und ermordet hat, weil ihre Ästhetik nicht ins Völkische passte. Wer sich retten konnte, ging nach Amerika und nach Israel. Dort wurden weiße Städte wie in Tel Aviv gebaut, auf die bis heute das Mittelmeerlicht strahlt.

Status: In den Jahren des Dritten Reiches verfolgt, seit 1945 in Deutschland musealisiert und beinahe ausgestorben.

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Gewalt

Terrorismus ist keine logische Konsequenz der islamistischen Geisteshaltung, und Amokläufer sind nicht ausschließlich Amerikaner. Ebenso wenig sind Neo-Nazis ein rein deutsches Problem. Ob politisch, ideologisch, religiös bedingt: Extremismus und Gewalt sind Auswüchse des menschlichen Wesens. Somit auch des deutschen Wesens.

Status: Vermutlich unausrottbar. Aber bestrafbar.

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Deutsche Bank

Größter Devisenhändler der Welt. Niederlassungen in New York, London, Singapur. Berühmtester Satz eines D-Bankers: "Wir reden hier eigentlich von Peanuts", sagte 1994 der damalige Vorstandssprecher Hilmar Kopper über die 50-Millionen-Mark-Forderungen von Handwerkern an den Immobilien-Pleitier Jürgen Schneider. Spätestens seit den Milliardenspritzen für Banken (aber nicht die Deutsche!) in der jüngsten Finanzkrise weiß man, dass das stimmt.

Status: Deutsch dem Namen nach, Chef aktuell Schweizer, AG in Streubesitz.

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Auswärtige Deutsche

In diesem Moment sind fast 12.000 Deutsche in offizieller Mission im Ausland: Rund 4700 Diplomaten in 229 Auslandsvertretungen in 150 Ländern und bei internationalen Organisationen wie EU, UN und Nato; 7139 Bundeswehrsoldaten tun Dienst in Afghanistan, auf dem Balkan, im Mittelmeer vor der israelisch-libanesischen Küste, im Golf von Aden, in Dafur oder im Kongo.

Status: Diplomaten konstant, Soldaten wachsend.

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Zu Deutschland gehören auch ...

... 82,1 Millionen Einwohner; 1,4 Millionen alleinerziehende Mütter; 617.878 Strafgefangene; 7,3 Millionen Ausländer; 4,5 Millionen Angestellte im öffentlichen Dienst; 11,1 Millionen Hektar Wald, das ist fast ein Drittel des Landes; 26,5 Millionen Schweine und 12,8 Millionen Rinder; etwa 260 heimische Vogelarten; 50.184.400 Kraftfahrzeuge; 664.288 Lehrer für 9,2 Millionen Schüler; 150 öffentliche und etwa 280 Privattheater; 8693 öffentliche Bibliotheken.

Status: unter anderem entnommen aus Statistisches Jahrbuch 2010, Migrationsbericht 2008, Waldbericht 2009.

© SZ am Wochenende/vs
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