Designerlabel Akris:Pssst ...! Will hier jemand Mode?

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Albert Kriemler ist einer der diskretesten Modemacher: Der Schweizer hat das Label Akris in aller Stille zur Erfolgsmarke gemacht. Inzwischen liebt ihn auch Charlene Wittstock.

Peter Bäldle

"Normalerweise ist das hier eine brodelnde Hexenküche", sagt Albert Kriemler und weist mit weit ausholender Geste auf seinen tadellos aufgeräumten Zeichentisch und das leere Atelier im Dachgeschoss eines Bürgerhauses in St. Gallen. Durch die Fenster kann man die Türme der nahen Klosterkathedrale sehen, in der Ferne die Gipfel der Appenzeller Alpen ahnen. Seit 1987 ist Kriemler, zusammen mit seinem Bruder Peter, Inhaber und kreativer Kopf des Modehauses Akris - das einzige Schweizer Label, dessen Kollektion bei den Pariser Prêt-à-Porter-Schauen präsentiert werden darf, traditionell direkt nach Chanel.

"Ich möchte, dass man die Frau wahrnimmt, die einen Raum betritt - und nicht den Mantel, den sie trägt", sagt Albert Kriemler. (Foto: N/A)

Doch nun liegt Feierabendstille über dem Raum. Ein Strauß weißer Rosen träumt in einer dickwandigen Vase aus Glas. Großformatige Bildbände drängen sich an einer Wand entlang und erinnern mit großen Lettern auf dem Rücken mal ans Bauhaus in Dessau, mal an Balenciaga, den legendären spanischen Couturier. Auf der raumhohen Pinnwand im Rücken des Designers mischen sich Stofflaschen in Rottönen und Hippie-Dessins mit Fotos von Bianca Jagger aus den siebziger Jahren. Mit Micks Ex als Inspiration wirft die nächste Sommersaison bereits ihre Schatten voraus.

"Mit den Vorprogrammen, Nebenlinien und Défilé-Kollektionen entwerfen wir mittlerweile zehn Kollektionen im Jahr, also fast jeden Monat eine - das verlangt viel neue Kreativität", bemerkt der Designer nicht ohne Stolz. Tatsache ist: Die Akris-Kollektion, deren Name sich aus den Initialen von Alberts Großmutter Alice Kriemler-Schoch zusammensetzt, die das Label 1922 gründete, zählt mittlerweile zum Aufregendsten, was bei den Designerschauen in Paris zu sehen ist. Aber das sagt Albert Kriemler natürlich so nicht. Dazu ist er zu bescheiden. Und viel zu diskret.

Groß und schlank im schmalen schwarzen Anzug, mit schwarzer Brille zum kurz geschnittenen dunklen Haar: Kriemler wirkt wie ein Gegenentwurf zu den Selbstdarstellern der Konkurrenz. Wenn diese ihr Ego hochstilisieren, nimmt er sich bewusst zurück. Der große Auftritt, das lärmende Bühnenspektakel mit entsprechendem Presse-Tamtam, ist seine Sache nicht.

Ähnlich distinguiert kommt dann auch seine Mode daher: klare Linien, präzise Schnitte, exquisite Stoffe und immer aufs Neue delikate Farben. Aufreizend schlicht auf den ersten Blick, beeindrucken seine Entwürfe durch perfekte Proportionen. Das zwingt zu genauerem Hinsehen: Nur so erkennt man, wie mühelos ein Mantel schwingt oder ein Ärmel eine Bewegung vollführt, weil das Innenfutter mit der Hand genäht ist. Auch eine Jacke sitzt anders, wenn deren Nähte nicht maschinell, sondern von Menschen ausgebügelt werden.

Die Spezialität des Hauses sind jedoch butterweiche Doubleface-Qualitäten, deren zwei Stoffschichten eine nicht sichtbare "blinde Naht" verbindet. "Bevor ich entwerfe, nehme ich den Stoff und reibe ihn zwischen Handballen und Fingern", erklärt Kriemler. "So erfahre ich alles über ihn und über die Schnitte, für die er sich eignet. Dann erst zeichne ich, was ich gespürt habe." - "The Swiss Whiz", den "Schweizer Zauberer", nennt ihn die amerikanische Modepresse.

Mit seinem Cashmere-Doubleface hat Albert Kriemler Amerika erobert. Vor allem die großen Department Stores wie Saks in New York oder Neiman Marcus in Dallas. Bei Bergdorf Goodman ist Akris derzeit das bestverkaufte Label im Luxus-Sortiment - vor Calvin Klein, Armani, Chanel und Oscar de la Renta.

Momentan werden die Kollektionen weltweit an 500 Standorten verkauft. Hinzu kommen 50 Shop-in-Shops und 15 eigene Boutiquen. In Deutschland hat der Designer nach Frankfurt und Hamburg nun auch in München einen passenden Standort gefunden: in der Residenzstraße, vis-à-vis der ehemaligen Hauptpost. Eröffnung soll im Juli sein - jedoch nur, wenn alles genau Kriemlers Vorstellungen entspricht. Zum Beispiel die Umkleiden: "Man entkleidet sich schließlich und geht barfuß", erklärt Kriemler, "deshalb gibt es in jedem unserer Geschäfte eine geschwungene Holzwand, wie ein Paravent. Ein Gefühl von Privatheit soll stets gewährleistet sein."

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Jene Sensibilität, auch bei scheinbar Nebensächlichem, ist eine Wesensstärke des Designers und hat einen nicht geringen Anteil an dessen Erfolg. Darüber hinaus scheint Kriemler mit fast traumwandlerischem Gespür zu wissen, was seine Kundinnen von der Mode erwarten. "Das sind vorrangig berufstätige Frauen, die von morgens bis abends gut angezogen sein müssen", stellt er fest. Die Akris-Kundin ist auch selbstbewusst genug, um sich nicht verkleiden zu müssen, sie braucht kein Chi-Chi; ihr Umgang mit Mode hat etwas Müheloses. "Ich möchte stets, dass man die Frau wahrnimmt, die einen Raum betritt, deren Persönlichkeit - und nicht den Mantel, den sie trägt", so drückt es Albert Kriemler aus.

In einem exklusiven Kundenkreis hat sich sein Können längst herumgesprochen: Auf dem offiziellen Verlobungsfoto mit Fürst Albert ist Charlene in Akris gekleidet. (Foto: AMEDEO M. TURELLO/ POOL / AGENCE)

Dabei haben Mäntel beim Erfolg von Akris durchaus eine Hauptrolle gespielt. Das begann mit einem tannengrünen Wickelmantel aus Cashmere, in den sich Nicole Kidman an einem Sonntag in New York verliebte - und, Sonntag hin oder her, auch erhielt. Von einem kamelfarbener Akris-Trenchcoat hingegen war Angelina Jolie offenkundig so begeistert, dass sie 2009 in Berlin auch in einem jasminfarbenen Hosenanzug des Hauses über den roten Teppich schritt. Über Nacht wurde so das Schweizer Label zum Begriff für Modeblogger, Star-Stylisten und andere Fashionistas. Das eigentlich Wunderbare daran ist laut Kriemler: "Nicht wir haben sie gesucht - sie haben uns gefunden."

Wie auch Charlene Wittstock, die Schwimmerin aus Südafrika, die in Kürze den Fürsten Albert von Monaco heiraten wird. Ihre Liebesaffäre mit Akris begann ganz zufällig mit einem drapierten, meergrünen Abendkleid, das sie in der Boutique in Monte Carlo für sich entdeckte und anschließend auf allen offiziellen Verlobungsfotos trug. Erst ein halbes Jahr später, am Weihnachtsabend 2010, trug sie erneut ein hochgeschlossenes schwarzes Kleid von Akris - offenbar mit so großem Erfolg, dass sie im Januar diesen Jahres Albert Kriemler zum Lunch nach Monaco einlud. Daraus entwickelte sich ein Meeting zwischen einer jungen Frau, die ihren eigenen Stil als künftige Fürstin sucht, und jenem Designer, der ihr dabei helfen soll.

"Es ist das erste Mal, dass ich bei meinen Entwürfen konkret an eine bestimmte Person denke", sagt Albert Kriemler hörbar begeistert, "doch Charlene Wittstock ist auch einfach wunderbar: eine Sportlerin, natürlich und ganz pragmatisch." Zuerst entwarf er für sie Hosenanzüge und ein spektakuläres, asymmetrisch geschnittenes Abendkleid, das nur eine Schulter freiließ, für einen Irlandbesuch im vergangenen April. Ihren großen Akris-Auftritt als zukünftige Fürstin von Monaco absolvierte Charlene jedoch erst auf der Windsor-Hochzeit von William und Kate. Die Bilder mit dem breitkrempigen Hut über dem halsfernen Kragen eines schmalen, perlgrauen Mantels gingen um die Welt.

Das Hochzeitskleid wird Albert Kriemler dennoch nicht entwerfen. Bereits zum Jahresbeginn wurde es bei Giorgio Armani in Auftrag gegeben. Ein paar Monate später ließ sich Charlene Wittstock überraschend und zum ersten Mal in Chanel fotografieren, der Hausmarke ihrer zukünftigen Schwägerin Prinzessin Caroline. "So ein Hochzeitskleid ist ein Politikum", kommentiert dies Albert Kriemler diplomatisch. "Wir sind ein kleines Haus, und Monaco ist ein kleines Land, zwischen Frankreich und Italien. Oder zwischen Armani und Chanel."

© SZ vom 25.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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