Designer und ihre Restaurants:Austern von Armani

Italienische Luxusmarken haben die Küche für sich entdeckt. Eine Tour durch Mailands Hedonisten-Camps.

Maren Preiß

Als Giorgio Armani im Jahr 2000 in Mailand sein japanisches Restaurant Nobu eröffnete, ahnte wohl keiner, dass der Modeschöpfer damit einen Trend setzen würde. Im Rückblick war Armani jedoch der Erste einer Reihe von italienischen Designern, die zwischen Mode und Küche einen Zusammenhang herstellten.

Restaurant Trussard; oh

Küchen-Kino: Bei Trussardi muss man den Köchen nicht blind vertrauen.

(Foto: Foto: oh)

Wer dieser Tage durch Mailand flaniert, erkennt, dass man auch bei Gucci, Trussardi, Dolce & Gabbana, Roberto Cavalli und Bulgari längst nicht mehr nur Luxusartikel einkaufen, sondern auch essen und trinken kann. Und der Trend hält an: Im April dieses Jahres hat Trussardi sein Café an der Mailänder Scala um eine verglaste Außenterrasse mit hängendem Garten erweitert.

Die Tsarskaya-Austern schlürfen Mailänder und Touristen jetzt unter einer Art postmodernem Weltwunder. Der französische Tropenbotaniker Patrick Blanc hat den hängenden Garten aus mehr als 3000 Pflanzen gestaltet. Man sitzt auf Eames- und Panton-Stühlen. Besser haben es nur die Gäste des Restaurants, die in schweren roten Ledersesseln Platz nehmen. Im ersten Stock des Palazzo Trussardi wird Haute Cuisine serviert - Chefkoch Andrea Berton hat mit seiner mediterran-avantgardistischen Küche für das Restaurant Trussardi einen Michelin-Stern erkocht.

Glaubt man den Prognosen des italienischen Modeverbands, sind die Modehäuser auf solche kulinarischen Nebengeschäfte angewiesen. Die Wachstumsprognose der Branche fällt mit jedem Jahr schlechter aus. Für dieses Jahr liegt sie bei gerade mal einem Prozent. Sich allein auf das Produkt zu verlassen, wagt schon lange keiner mehr, die Labels setzen auf die Strahlkraft der Marke. Merkwürdig nur, dass man auf die Idee mit dem Essen erst spät gekommen ist. Denn nichts ist den Italienern so heilig wie ein gutes Essen.

Helene Karmasin, die in Wien ein renommiertes Institut für Motivforschung leitet, findet die Strategie der Italiener aus einem anderen Grund "äußerst clever". "Die Italiener lieben es, sich zu inszenieren, und Restaurants sind dafür besonders gut geeignet", sagt Karmasin, die Restaurants deshalb gern mit Theatern vergleicht. "Die Stücke, die darin gespielt werden, sind höchst unterschiedlich, aber um zu wirken, müssen sie konsequent durchinszeniert werden." Wir wollen wissen, wo was für wen gespielt wird, und fahren nach Mailand. Es ist Ende Juni, die Modeschauen sind im Gange - Haupttheaterzeit.

Restaurant Bulgari

In der 4000 Quadratmeter großen Gartenanlage des Bulgari-Hotels nimmt ein Paar am Morgen bei 28 Grad und Vogelgezwitscher Platz auf der Terrasse. Mittvierziger im zweiten Frühling. Zum Frühstück können sie wählen zwischen einer einfachen Frühstücksvariante, einer À-la-carte-Auswahl und dem Bulgari-Frühstück. Das Paar wählt letzteres. Zu den üblichen Morgengaben reicht Chefkoch Elio Sironi Omelette mit iranischem Kaviar, Grapefruit mit Hummer, Mango mit geräuchertem Lachs, Melone mit Zibello-Schinken und ein Glas Champagner der Marke Perrier Jouët Belle Epoque. Preis:150 Euro pro Person. So schmeckt das Jetset-Lebensgefühl. Wer mag, kann hier für die anschließende Einkaufstour durch Mailands goldenes Modedreieck den Personal Shopper oder den Image Consulter gleich mit dazubestellen. Den Abend dagegen läutet man am besten in der Hotelbar ein, mit einem Glas Saint James Rum, Jahrgang 1885, das Glas zu 960 Euro.

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Austern von Armani

Restaurant Gold, Dolce & Gabbana

Restaurant Dolce&Gabbana

Zu Tisch bei Dolce&Gabbana: Es glänzt und glitzert, wo man hinschaut.

(Foto: Foto: oh)

Der Name ist Programm. Es glänzt und glitzert, wo man nur hinsieht. Aus den Lautsprecherboxen tönt mal Lounge-Musik, dann wieder Boney M.s "Rivers of Babylon". Ein Kellner zieht seine Runden mit dem Häppchentablett. Kurz nach 20 Uhr hat die asiatische Putzfrau mit der weißen Spitzenschürze ihren Auftritt.

Mitten im schönsten Abendbetrieb wischt sie die Treppe und poliert den Tresen. Mailands Jeunesse dorée tauscht derweil im Loungebereich Küsschen aus und bestellt Aperitifs mit Namen wie "www - what women want", "Be poshy", "Mr. Gorgeous" oder "Say You love me". Ein paar Gäste nehmen die Treppe nach oben in das weiß-gold-silberfarbene Restaurant mit Marmorboden.

Den französischen Koch Frédéric Rzezmikiewicz kennt in Mailand kein Mensch. Macht aber nichts. Denn wegen des Essens geht man als Letztes ins Gold, schon eher wegen der Getränke. 2200 Weine will das Restaurant im Angebot haben. Der teuerste ist ein Château Petrus, Jahrgang 1982, die Flasche kostet achttausend Euro. "Den bestellen meistens die Russen", sagt Sommelier Bruno Canetti.

Restaurant Nobu, Giorgio Armani

"Austern mit Champagner?", fragt der schlanke Mittvierziger seine junge Begleitung. Er trägt einen weißen Nadelstreifenanzug mit blütenweißen Lederschuhen; das lange dunkle Haar ist streng nach hinten gegelt und im Nacken zum Zopf gebunden. Auf dem Tisch liegen Zigarre und Zigarrenschneider, an seinem kleinen Finger steckt ein Siegelring. Während er die alles entscheidende Frage wiederholt, nestelt sie, eine dunkelhaarige Schönheit mit Korkenzieherlocken, an ihrem Sommerkleid. Am Nachbartisch gackert eine Gruppe Japanerinnen, an einem anderen Tisch haucht ein Pärchen Zigarillorauch in die Luft, gesprochen wird nicht miteinander.

So reduziert wie die Kommunikation an manchen Tischen ist auch das Ambiente. Wie in seiner Mode setzt Armani in seinem Restaurant auf einen eleganten Minimalismus. Das Nobu ist der italienische Ableger der global agierenden Restaurantkette des japanischen Starkochs Nobuyuki Matsuhisa. Japanische Küche mit südamerikanischen Einflüssen. Hier gibt es neben Sushi beispielsweise Languste mit Couscous und Zitronen-Gazpacho. Und natürlich gibt es hier auch Kobe-Rind, 150 Gramm zu 60 Euro. Dazu stehen 41 verschiedene Champagnersorten bereit.

Das Restaurant befindet sich wie Armanis Privatclub und das Emporio Armani Café im Megastore des Modeschöpfers. Hier verkauft der 74-Jährige Mode, Blumen, Pralinen, Handtaschen, Kosmetik, Möbel, Wohnaccessoires und Bücher. Shoppen ist bei Armani Schwerstarbeit; selbst nach Stunden entdeckt man Erstaunliches. Wer im Buchladen herumstöbert, stößt früher oder später auf ein neues opulent bebildertes Werk aus dem Taschen-Verlag. Es heißt "The Big Penis Book".

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Austern von Armani

Just Cavalli

Roberto Cavalli mag es atmosphärisch düster und schwer.

(Foto: Foto: oh)

Gucci Café

Sahnetorten sucht man hier vergebens. Im einfach gestalteten Gucci Café in der mondänen Galleria Vittorio Emanuele setzt man auf feinste Pralinen. Der Mailänder Starpatissier Ernst Knam, ein Deutscher, bereitet sie exklusiv für Gucci zu. "Pralinen genießt man wie ein kleines Kunstwerk", erklärt Motivforscherin Helene Karmasin die Strategie von Gucci. "Anders als bei einer Tafel Schokolade nascht man nicht barbarisch, man bleibt fein."

Dumm nur, wenn die Besucher das nicht sind. Die Kegelgruppe aus Böblingen fühlt sich hier ebenso wohl wie das amerikanische Paar mit Baseballmützen, das das Café später mit zwei Riesentüten des Billigkaufhauses Rinascente verlassen wird. Das Gucci-Gefühl gibt es in Form von Cappuccino und einer Praline schon für weniger als zehn Euro. Nur die Schwelle des angrenzenden Gucci-Stores überschreitet kaum einer der Cafégäste. "Die Demokratisierung des Konsums hat selten einer Luxusmarke gutgetan", sagt Karmasin.

Just Cavalli Café, Roberto Cavalli

"Please no fotos" steht in der Speisekarte. Denn wo käme man da hin, wenn jedes Mal ein Blitzlichtgewitter losbräche, wenn Naomi Campbell, Sting, Lionel Richie oder Fußballstars wie Alessandro Del Piero und Fabio Cannavaro mal wieder hier herumsitzen. Das Restaurant des toskanischen Modeschöpfers Roberto Cavalli liegt inmitten des Schlossparks Parco Sempione, direkt an der Torre Branca.

Doch die Fahrt auf den 107 Meter hohen Aussichtsturm kann man sich schenken. Denn was sind der Ausblick auf ein paar Mailänder Sehenswürdigkeiten schon gegen einen Einblick in Cavallis Hedonisten-Camp? Auffällig viele Frauen tragen Kleider mit Leoparden- oder Tigerprint, die Push-up- und High-Heels-Dichte ist beachtlich. Und auch das Interior-Design lässt die Handschrift des Designers erkennen: Antilopenfellbezüge für die Stühle, Leopardenmuster für Sofas und Säulen, auf den Tischen pompöse Glaskelche mit Goldfischen und Teller, auf denen überdimensionale Rosenblüten prangen. Dass man sich an diesem barocken Überangebot eines Tages sattsehen könnte, ist fast ausgeschlossen: Der Modemacher ändert seine Inneneinrichtung alle sechs Monate. Aktuell gibt er sich nachgerade minimalistisch.

Cavalli überlässt nichts dem Zufall, auch nicht die Küche. Die leichten mediterranen Menüs spricht er persönlich mit Küchenchef Leonardo Perazzoli ab. Und damit den Kundinnen der Leopardenfummel auch nächste Woche noch passt, wird die obligatorische Sashimi-Auswahl stets mit auf die Karte gesetzt. Dass zwei Tische weiter selbst bei 30 Grad im Schatten Rotwein verlangt wird, hat einen einfachen Grund: Es ist Cavalli-Rotwein, gekeltert aus hauseigenen toskanischen Reben. Nach dem Essen gibt es Wodka, und auch den lässt der Designer eigens in seinem Namen destillieren. "Ich möchte, dass meine Gäste meinen Lifestyle zu hundert Prozent kennenlernen", sagt der 67-Jährige. "Roberto Cavalli ist nicht nur ein Modehaus, es ist auch ein Lebensstil." Und dann geht er zu später Stunde doch noch los, der verbotene Blitz einer Digitalkamera. Der Meister ist erschienen, in Jeans und Sonnenbrille, das schwarze Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft.

Die Deutschen werden wohl bis auf Weiteres auf solche Szenen verzichten müssen. Es gibt in München zwar ein Emporio Armani Caffé - Soziologe Christian Wenger vom Heidelberger Trendforschungsinstitut GIM argo hält eine vergleichbare Entwicklung in Deutschland für ausgeschlossen. "Es passt bei uns nicht in die Zeit, weil es nicht die Befindlichkeit der breiten Mitte trifft", sagt Wenger. "Statt um Hedonismus geht es in Deutschland um nachhaltiges Erleben." Auch Helene Karmasin kann sich einen deutschen Ableger des Just Cavalli Cafés nicht vorstellen. "Wenn die Deutschen so was aufzögen, würden sie sich sofort entschuldigen und dazu Mozart spielen."

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