Designer-Fälschungen:Chanel und Prada für lau

Es soll nicht viel kosten und darf ruhig billig aussehen: Im Internet floriert der Handel mit gefälschten Designer-Accessoires.

Miriam Stein

Babygirl089 hat eine Frage. Die ist ihr sichtlich unangenehm, sie kommentiert sie nämlich mit einem errötenden Smiley: Wo man gefälschte Designertaschen kaufen könne? Ihr Profil im Modeforum eines Online-Frauenportals verrät: Babygirl089 ist zwanzig Jahre alt. Sambagirl empfiehlt ihr "Ebay und Türkenläden", doch Frederika hat einen anderen Tipp: Sie verabrede sich mit Freundinnen zu Online-Shopping-Parties - und ordere dort in Sammelbestellungen ganze Kollektionen gefälschter Designerstücke. Also eine Art Tupper-Party für Fake-Fans.

designer handtasche; prada; chanel; accessoires; getty images

Schön billig darf es nicht nur sein, sondern auch aussehen. Hauptsache, Prada steht drauf.

(Foto: Foto: Getty images)

Glaubt man den Aussagen der kaum volljährigen Mädchen, suchen sie erst auf den Internetseiten von Jimmy Choo oder Gucci die Originale - und dann gut gemachte und preiswerte Plagiate. Die jungen Fashionistas empfinden wenig Skrupel, sich Fälschungen zu besorgen - denn "die kommen genauso gut wie die Originale".

Das Internet hat den weltweiten Handel mit Fakes vorangetrieben, und modeverrückte Teenager sind die jüngsten Opfer. Eine Google-Suche nach billigen Designerteilen führt schnell zum Ziel: Zahlreiche Websites haben das Geschäft mit gefälschten Accessoires aus den Fußgängerzonen in die unendlichen Weiten des Internets verlegt. Dort vollzieht sich der Handel mit den Fakes diskret und anonym - kein Wunder, dass die Hemmschwelle der Käufer sinkt.

Wäre WizardReplica.com oder Louboutinmall.com eine Boutique in der Innenstadt, man würde sogar die eine oder andere Moderedakteurin darin sitzen sehen. Dass es dazu fast unmöglich ist, Fälscher im Netz zu erwischen, befeuert den Handel nur zusätzlich.

Es darf ruhig billig aussehen

Dass Plagiate aussehen wie Plagiate, ist den meisten Käufern egal. Echtes Leder wird selten verwendet, bei Taschen sind Beschläge aus Plastik anstatt aus Metall, Schuhe haben Kunststoffabsätze. Aber was macht das schon, wenn das Logo stimmt? Die Miu-Miu-Taschen von WizardReplica sind gut nachgemacht, allerdings sieht man, wenn man die Louis-Vuitton-Monogramm-Tasche vergrößert, Details im Design, die dem Nachbau fehlen. Und bei den Chanel-Bags erkennt selbst ein Laie, dass es sich um Fälschungen handelt: Das Kunststofflogo kann die Illusion vom Klassiker aus Gold und gestepptem, butterweichem Leder nicht aufrechterhalten.

Rechtlich gesehen ist die Grenze zwischen einer "Replika", einer "Inspiration", und einer "Fälschung" fließend. In den USA beispielsweise genießen Modedesigns keinerlei urheberrechtlichen Schutz, was die Situation für Designer erheblich erschwert. Preiswerte Ketten wie Topshop, H&M, Zara profitieren vom Hunger nach bezahlbarer Mode und entwerfen ihre Kollektionen immer häufiger in der rechtlichen Grauzone. Der US-Branchenriese Forever 21, weltweit mit 440 Geschäften und einem Umsatz von 1,7 Millarden US-Dollar 2008, kann auf eine illustre Liste von Klägern zurückblicken, darunter Anna Sui und Diane von Furstenberg.

Keine dieser Klagen schaffte es bis in den Gerichtssaal; man einigte sich anderweitig, die Rechtssituation änderte sich nicht. Erst im Frühjahr dieses Jahres gab es Grund zur Hoffnung für Luxuslabels: Der Rechtsstreit zwischen dem Label Trovata und Forever 21 kam zur Verhandlung. Sollte Forever 21 wegen Fälschung schuldig gesprochen werden, wären die Weichen für einen gesetzlichen Schutz von Modedesign in den USA gestellt.

Die Fälscher haben jede Menge Rechtfertigungen parat: Man spricht von Demokratisierung der Mode, von der Wettbewerbsfreiheit im Onlinehandel und von Markenverbreitung. In finanzieller Hinsicht geht die Rechnung natürlich auf: Auf der Plagiat-Website Louboutinmall.com kostet ein Paar Schuhe zwischen 160 und 180 US-Dollar. Zum Vergleich: Für den echten "Armadillo Pleated Leather Bootie" muss man circa 1150 US-Dollar hinlegen. Bei einem solchen Preisunterschied nehmen manche Christian-Louboutin-Fans Kunstleder gerne in Kauf.

Den finanziellen Schaden trägt das Label. "Es gibt viele Marken, die mit großem Kostenaufwand gegen die Verkäufer gefälschter Produkte vorgehen - da gefälschte Ware oft nur schwer zu ihren Herstellern zurückzuverfolgen ist. Online-Verkäufer von Fälschungen, z.B. bei Ebay, laufen oft Gefahr, sich plötzlich mit der kostenpflichtigen Abmahnung des Anwalts eines Originalherstellers konfrontiert zu sehen", erklärt der im Urheber- und Medienrecht tätige Berliner Anwalt Erk Wiemer.

2008 musste Ebay 40 Millionen Euro Schadensersatz an den Luxus-Konzern LVMH zahlen, weil das Online-Auktionshaus den Verkauf von Fälschungen billigte. Die mit Spannung erwartete Gerichtsverhandlung zwischen Trovata und Forever 21 endete Ende Mai ergebnislos.

Das Verhältnis von Verbrauchern und Industrie im Umgang mit Designfälschungen ist also ambivalent. Und so wird es wohl bleiben - solange sich Leute erfolgreich einreden, dass dieser billige vernähte Beutel, den sie für ein paar Euro ergattert haben, echt Chanel ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: