Süddeutsche Zeitung

Design von Haushaltsgeräten:"Klappe auf, Klappe zu - das gibt es nicht mehr!"

Robert Sachon ist Chefdesigner bei Bosch und sorgt dafür, dass Geräte funktionieren - und gut aussehen. Ein Gespräch über Küchenästhetik.

Katharina Höller

sueddeutsche.de: Warum wollen Menschen schönes Design um sich haben?

Robert Sachon: Design wird immer interessanter. Es ist heute weit mehr, als die berühmte "form-follows-function"-Maxime in der Vergangenheit glauben machen wollte. Design bestimmt aktiv unser Lebensumfeld - vor allem das Produktdesign. Ein Beispiel dafür ist die Küche: Sie öffnet sich zum Wohnraum, der dadurch auch von Hausgeräten erobert wird. Das Design muss somit folgen.

sueddeutsche.de: Ein Küchengerät ist ein Mittel zum Zweck - wer achtet da genau auf die Optik?

Robert Sachon: Das denken viele, stimmt aber nicht. "Klappe auf, Klappe zu" reicht heute nicht mehr für einen guten Backofen. Einige sind zwar nur funktional und verrichten trotzdem einen guten Dienst. Aber es gibt immer mehr Geräte, die mit kreativen Tätigkeiten in der Küche verknüpft sind. Bestes Beispiel ist der gemütliche Kochabend mit Freunden, der schnell zum Showcooking avanciert. Sofort spannen sich dabei gesellschaftliche Themen um das Kochen und damit auch um die Kochgeräte. All das ist mit Kreativität verbunden. Geräte sind keine stummen Haushelfer mehr, sondern bauen eine Persönlichkeit auf.

sueddeutsche.de: Was inspiriert einen Produktdesigner?

Robert Sachon: Ich gucke immer, was in anderen Branchen passiert. Egal ob Möbelindustrie, Modeindustrie oder im Bereich "consumer electronics" - meine Kollegen und ich wissen meistens genau, was dort passiert. Dabei müssen wir immer bedenken, dass Hausgeräte nicht so starken modischen Schwankungen unterliegen. Wir filtern also den Trend, der lange anhält, sehr genau heraus.

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, ob Optik und Funktionalität sich im Wege stehen.

sueddeutsche.de: Wieviel Design veträgt ein Küchengerät?

Robert Sachon: Es gibt umweltfreundliche, energiesparende Marken, die bei den Kunden hoch im Kurs stehen. Außerdem spielen beim Kauf Argumente wie Ergonomie, Qualität und leichte Bedienung eine Rolle. Aber diese Themen kann man mit Design sehr gut unterstützen. Noch mehr: Design ist ein wichtiges, wenn nicht entscheidendes Verkaufsargument. Insofern vertragen die Geräte immer mehr Design.

sueddeutsche.de: Wie wichtig ist Design im Vergleich zur Funktionalität?

Robert Sachon: Das kommt auf die Gerätegruppe an. Es gibt klassische Preis-Leistungsgeräte, bei denen Energieverbrauch und Jobverrichtung im Vordergrund stehen. Bei Spülmaschinen ist das zum Beispiel so. Die Designaffinität eines Kunden steigt mit seiner Bereitschaft, mehr oder weniger Geld für ein Gerät auszugeben. Im Premiumsegment ist ohne Design definitiv nicht mehr zu punkten. Da ist Optik eins der Haupt-Kaufkriterien.

sueddeutsche.de: Wie läuft der Arbeitsprozess ab, wenn Sie ein Gerät entwerfen?

Robert Sachon: Es kann sein, dass etwas Neues entwickelt wird und diese technischen Features mittels Design nach außen kommuniziert werden müssen. Das war zum Beispiel bei der aktuellen Spülgeräte-Generation der Fall. Die Entwicklung kann aber auch umgekehrt stattfinden. Früher musste das Design allerdings häufiger zurückstecken. Die technischen Komponenten haben häufig die Optik diktiert. Jetzt sehen wir aber das Gestalterische auch technische Herausforderungen hervorrufen. Das ist sicherlich im Wandel begriffen.

sueddeutsche.de: Sie sind ein kreativer Mensch. Frustiert Sie das nicht, Ihre Ideen in industriell festgeschriebene Bahnen fließen zu lassen?

Robert Sachon: Ich weiß nicht, ob meine Kreativität wirklich eingeschränkt wird. Natürlich gibt es immer wieder harte Kämpfe und Streitpunkte mit der technischen Seite, aber die befruchten auch. In der Auseinandersetzung steckt sehr viel Detailinnovation. Die Verhandlungsparteien haben nicht dieselben Ziele, aber das ist logisch: Ich muss als Designer immer auch eine ästhetische Innovation bringen. Daraus entsteht ein ständiges Ringen um technische Machbarkeit. Es beflügelt aber geradezu, weil man mit anderen Augen durch die Welt geht.

sueddeutsche.de: Was ist - optisch - das beliebteste Haushaltsgerät der letzten Zeit?

Robert Sachon: Unsere Kühlschränke mit Glasfront sind schon mehrfach prämiert worden. Sie kommen gerade in den Verkauf und werden uns tatsächlich unter den Händen weggerissen. Die Tatsache, dass sie sich ins Wohnumfeld integrieren, kommt sehr gut an. Beliebt sind auch die verschiedenen Farben und die Wertigkeit, die die Geräte ausstrahlen. Es gibt aber auch beliebte Stücke wie "side-by-side" -Kühlschränke, die zwei Türen zum öffnen haben und im amerikanischen Raum weit verbreitet sind.

sueddeutsche.de: Was ist der Trend auf dem Markt für Haushaltsgeräte?

Robert Sachon: Das Thema Material ist ein längerfristiger Trend. Hochwertiges Glas oder Edelstahl kommen vermehrt zum Einsatz. Schließlich entstehen daraus Dinge, die auch mal länger als zwei Jahre halten. Optischer Trend ist außerdem die Integration ins Küchenumfeld: Ein Kochfeld wird nicht mehr plastisch aufgebaut wie früher, sondern es wird flächenbündig integriert. Auch die Bedienung entwickelt sich in diese Richtung: Viele unserer Geräte haben "user interfaces". Das heißt wir gehen weg von der klassischen Bedienung über Tasten und Drehwähler hin zum "touch control". Die Kühlschränke etwa verbergen hinter der farbigen Glasfront die ganze Elektronik. Vorhandene Bedienelemente wie Drehwähler werden flächenbündig versenkt. Das hat dann einen besonderen optischen Reiz.

Lesen Sie weiter, warum Waschmaschinen nicht schön sind und ob Retro nun Trend ist - oder nicht.

sueddeutsche.de: Warum sehen Waschmaschinen immer noch gleich aus - weiß und wie ein Ufo - während Espressomaschinen zum Einrichtungsaccessoire avancieren?

Robert Sachon: Dem zugrunde liegt die Öffnung der Küche zum Wohnraum. Das gilt übrigens auch für Bäder. Die Zeiten, in denen Meschen sich in enge, kleine Zimmer gesetzt haben, die sind einfach vorbei. Dem müssen sich die Geräte mit ihrem Design anpassen. Waschmaschinen sind ein gutes Beispiel dafür: Im deutschsprachigen Raum war sie bisher gerne mal im Keller versteckt und insofern sehr Nutzen -und Funktionsgetrieben. In Zukunft wird bei der Waschmaschine aber der größte Wandel zu verzeichnen sein.

sueddeutsche.de: Sagt die optische Veränderung von Haushaltsgeräten etwas aus über die Veränderung der Gesellschaft?

Robert Sachon: Design ist früher noch nicht so wichtig gewesen, weil die Leute andere Sorgen und Nöte hatten. Die Befriedigung von Bedürfnissen stand im Vordergrund. Heute sind diese Helfer eine Selbstverständlichkeit. Jetzt fängt man an zu fragen: Wie sehen denn eigentlich die Geräte aus, die mich umgeben? Optische Argumente rücken in den Vordergrund. Design ist ein immer stärkeres Differenzierungsmerkmal und beim Kauf ein entscheidendes Argument.

sueddeutsche.de: Gibt es einen Retro-Trend bei Küchengeräten?

Robert Sachon: Retro ist nach wie vor ein Thema, das durch die Medien geistert. Denken Sie an die Automobilindustrie, an den Fiat, der gerade herauskam. Ich frage mich allerdings, ob das eine neue Verkörperung des Retro-Trends ist oder schon der letzte Ausläufer. Wenn man bei dem Beispiel bleiben will: Der Beetle von VW hatte nur in den USA großen Erfolg. Die meisten anderen Hersteller sind auf diesen Trend nicht aufgesprungen, sondern blieben weiterhin vorwärts orientiert. Vielleicht propagieren Retro nur die Marken, die in der Vergangenheit bessere Zeiten erlebt haben und deshalb den Geist wieder heraufbeschwören müssen? Ich weiß es nicht.

sueddeutsche.de: Was hat sich bei Bosch verändert, seitdem Sie da sind?

Robert Sachon: Das Thema Design ist sicherlich noch wichtiger geworden. In der Vergangenheit war es das mehr unter dem Aspekt der Solidität. Nun soll dies gewandelt werden zu mehr Eleganz, Jugendlichkeit und Modernität. Das, denke ich, ist an den drei Jahren ablesbar. Außerdem: Wir waren schon immer offen für Design, aber jetzt sprechen wir auch darüber.

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