Design für Zuhause:Neues Lebensgefühl für 300 Euro

Lesezeit: 2 Min.

Jürgen Grabowski verrückt Tische, Schränke und Stühle bei Menschen, die mit ihrer Einrichtung unzufrieden sind.

Stefan Weber

Möbelhersteller und Einrichtungshäuser können von Glück sagen, dass es nicht mehr Menschen gibt wie Jürgen Grabowski. Denn dann liefen ihre Geschäfte womöglich noch schleppender.

Düstere Stimmung zu Hause? Ein wenig Stühlerücken kann die Laune heben. (Foto: Foto: photocase)

Der 52-jährige gelernte Werbekaufmann war lange Zeit in der Modebranche tätig, bis er eine ausgefallene Geschäftsidee hatte: Er verspricht Menschen, die mit der Einrichtung ihrer eigenen vier Wände unzufrieden sind, ein "neues Wohngefühl", in dem er die Möblierung der Zimmer ändert. Und das nicht etwa mit Hilfe umfangreicher Neuanschaffungen aus dem nächsten Möbelhaus, sondern allein unter Nutzung des vorhandenen Hab und Gut.

Ob Keller, Garage oder Speicher: "Ich sichte zunächst das gesamte Mobiliar, höre mir an, was die Kunden für ein Problem haben und entwickle dann Ideen, wie die Räume anders eingerichtet werden können", sagt Grabowski. Knapp sechs Jahre ist der Mann, der sich "Möbelflüsterer" nennt, bereits in seinem Job quer durch Deutschland unterwegs. Mehr als 1000 Wohnungen hat er in dieser Zeit umgestaltet.

Fremd in den eigenen vier Wänden

Darunter auch das Haus von Barbara Freiwald-Kuckartz und ihrem Mann in Würselen, nahe Aachen. Zwei Jahre wohnte das Paar in dem schmucken Altbau, ohne sich dort jemals richtig wohl zu fühlen. "Aufteilung und Einrichtung der Räume gefielen uns nicht.

Aber wir hatten keine Idee, wie wir es besser machen könnten", erzählt die selbständige Kosmetikerin, die im Wohnhaus auch ein Studio zur Schönheitspflege betreibt. Schon gab es Pläne umzuziehen, aber Barbara Freiwald-Kuckartz konnte sich vom alten Zuhause doch nicht trennen.

Über private Kontakte lernte das Paar im Herbst vergangenen Jahres den "Möbelflüsterer" kennen und ließ ihm bei der Umgestaltung von Wohnung und Studio freie Hand. So viel Vertrauen ist wichtig, denn Grabowski entwickelt kein Konzept, das er mit den Auftraggebern bespricht, sondern legt gleich los.

Verrückt Schränke, stellt Sitzecken um, hängt Bilder ab, und so manches Möbelstück, das zuvor im Keller oder auf dem Speicher schlummerte, findet plötzlich in der Wohnung einen neuen Platz. So wie ein alter Esstisch mit mehreren Stühlen, der im Haushalt von Freiwald-Kuckartz im Keller stand und nun ein Blickfang im Wohnzimmer ist.

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Und wenn der vorhandene Fundus bescheiden ist? "Irgendetwas geht immer. Da ist Phantasie gefragt", sagt Grabowski. Seinen Kunden aus Würselen bastelte er aus zwei Blumenkübeln und einer Glasplatte, die zuvor einen Tisch im Garten geziert hatten, eine Abstellfläche im Wohnzimmer.

Handwerkliche Aufgaben wie Anstreichen, Kabel verlegen oder gar Wände mauern lässt er - falls notwendig - von anderen erledigen. "Bei solchen Dingen habe ich zwei linke Hände." Grabowski ist Einzelkämpfer. Wenn schwere Dinge zu verrücken sind, wird meist der Hausherr gebeten, Hand anzulegen.

Gut sechs Stunden benötigt der Möbelflüsterer in den meisten Fällen, um eine Wohnung neu zu gestalten. Für die ersten drei Stunden stellt er jeweils 60 Euro in Rechnung; ab der vierten Stunde verlangt er jeweils 40 Euro. "Für 300 Euro gibt es ein neues Wohngefühl", verspricht der 52-Jährige.

Sorge, dass ihm die Kunden ausgehen, hat Grabowski nicht. Die Krise könne sein Geschäft sogar beflügeln, hofft er. Denn statt neue Möbel zu kaufen könnten künftig mehr Verbraucher auf die Idee kommen, ihre Wohnung mit professioneller Hilfe umzugestalten.

Ähnlich wie die Möbelwirtschaft setzt er darauf, dass die Trendforscher Recht behalten. Sie sagen voraus, dass sich die Menschen in Krisenzeiten gerne in die eigenen vier Wände zurückziehen - und mehr Wert auf die Verschönerung ihres Zuhauses legen.

Bis sie aber Grabowski beauftragen, müssen manche Wohnungsinhaber freilich über ihren Schatten springen. Denn ihre Wohnung empfinden viele Menschen als ihre Privatsphäre. Da lassen sie ungern einen Fremden in jeden Winkel gucken und Schränke verrücken.

Grabowski dagegen vermutet, dass sich weit mehr Menschen in ihren vier Wänden unwohl fühlen als sie zugeben. "Eine Sitzgarnitur wirkt im Möbelhaus immer anders als im heimischen Wohnzimmer. Aber wer gesteht schon gerne einen Fehlgriff ein."

© SZ vom 19.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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