Süddeutsche Zeitung

Der Tod des Grappa-Meisters:Was soll man nun trinken?

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Neive im Piemont ist ein Wallfahrtsort der Grappianer. Dort stellte Romano Levi einen der ehrlichsten Männergrappas her. Nun ist der Meister gestorben.

Peter Hoenisch

Viele Grappatrinker wissen es noch nicht. Daher ist der Aufschrei bisher verhalten: Romano Levi ist gestorben. Gut, er war fast 80 Jahre alt und schon lange sehr krank, man musste also damit rechnen, dass er eines Tages sterben würde. Aber doch war sein Ableben unvorstellbar, denn er war, obwohl zeitweise wegen seiner Erkrankung stark gebeugt ("ich erkenne die Besucher inzwischen an den Schuhen"), immer heiter, freundlich und voller Witz.

Für Grappatrinker ist Levis Tod eine Katastrophe. Es gibt Menschen, die man vermisst, und meinen Freund Romano Levi werde ich sehr vermissen. Was soll man denn, wenn man einmal an den ehrlichen Männergrappa gewöhnt ist, auch trinken, wenn es nicht mehr weiter geht? Diese ganzen mehr oder weniger parfümierten Grappinchen sicher nicht. Hoffen wir also, dass Mauro und Fabrizio, die beiden treuen Mitarbeiter des Meisters, weitermachen.

Die Distilleria Levi Serafino, gegründet 1925 vom Vater Romanos, liegt in Neive im Piemont, ein paar Kilometer südlich von Alba. Romano übernahm 1945, mit 17 Jahren - und machte Neive zum Wallfahrtsort der Grappianer. Immer standen Bittsteller im Hof seines bescheidenen Hauses und hofften, eine Flasche des berühmtesten aller Grappas zu ergattern, doch wenige hatten Glück; denn es waren zwar meist ein paar Flaschen auf Vorrat vorhanden, aber keine Etiketten.

Und die Etiketten waren neben der Qualität des Produktes der zweite Teil des Erfolgsgeheimnisses: Seit 1962 war jedes Etikett mit der Hand geschrieben, ein kleines Kunstwerk, bebildert, meist mit der "donna selvatica", einer Frau aus den Wäldern, einer piemontesischen Waldbäuerin.

Levi selbst bezeichnete sich als einen "uomo selvatico", als Mann des Waldes. 2003 gab es in Neive eine große Ausstellung mit den Grappaflaschen-Etiketten, sie sind in sehr schönen Bildbänden verewigt. Es gibt auch einen Fotoband über Romano Levi selber. Nun ist auch ein Levi-Museum geplant.

Wenn man Freundschaft mit ihm geschlossen hatte, sich rechtzeitig anmeldete und ihn nicht zu sehr bedrängte, bekam man fast alles, was man wollte. "Wer einen Grappa von mir will, der muss zu mir kommen", sagte er. Ich habe mehr als einmal für Freunde Flaschen mit Widmung bestellt, eine besondere einst für den Bundespräsidenten Johannes Rau zum Geburtstag: "A Johannes". Und man kaufte die Flasche, die in besonderen Geschäften 300 Euro kostet, dort für 30 Euro.

Ich habe wohl vor vielen Jahren sein Herz gewonnen, als ich ihm als Gastgeschenk ein sehr schönes Portrait mitbrachte: Es war nach einem Foto Levis entstanden und zeigte den Grappa-Macher in ganzer Würde. Gemalt hatte es Konrad Kujau, der berühmte Fälscher der "Hitler-Tagebücher" - und so wurde dem Maestro von Neive oft gesagt: "Sie haben da ja einen echten Kujau..." Das gefiel ihm.

"Questo e mio manhattan" pflegte er bei einem Blick in seinen Garten zu erklären - da ragten verschiedene pittoreske Steine aus der Erde nach oben. Die hellbraunen Wände seines Büros wiederum waren mit Hunderten von Visitenkarten bedeckt, und überall waren dicke Spinnweben zu sehen.

Wenn man die Brennerei in Neive besichtigen möchte, wird man höflich von stolzen Mitarbeitern geführt. Man geht vorbei an einer Wand mit vielen Fotos, biegt um die Ecke, und es verschlägt einem die Sprache. Ein dunkler Raum, so groß wie eine mittlere Garage, im Hintergrund der runde Brennofen, in den der Trester durch eine Kupferklappe eingefüllt wird. Der Sudkessel wurde noch von Romanos Vater 1945 angeschafft. Der Trester kommt von erstklassigen Winzern wie Angelo Gaja. Hinter dem Ofen brennt das Höllenfeuer, das mit getrockneten Tresterballen geschürt wird. Und über dem Ofen schwebt ein Gewirr von Kupferleitungen, versiegelt von der Guardia di Finanza, die in einem Fass aus Akazienholz münden, in dem der frisch gebrannte Grappa lagert.

Der Besucher kann sich bedienen, heute leider aus kleinen Plastikbechern; früher konnte er ein kleines Gläschen an einem Bindfaden in ein Fass tauchen und es gefüllt wieder herausziehen. Doch das hat vermutlich ein Kontrolleur verboten.

Nun ist Romano Levi am 1. Mai gestorben. Einer der Genusskönige des Piemonts existiert nicht mehr. Es bleibt die Hoffnung, dass es weitergeht mit Levi Serafino. Dass der Grande des Grappa einen Erben findet.

Peter Hoenisch, 73, früher Pressechef von Sony und RTL, hat eine enge Beziehung zum Piemont. Er organisierte unter anderem Pressereisen in diese italienische Provinz und lernte Romano Levi in den frühen neunziger Jahren kennen.

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