Der Skiunfall des Dieter Althaus:Sicher ist nur die Gefahr

Der Tod einer slowakischen Skiläuferin nach dem Zusammenprall mit dem Thüringer Ministerpräsidenten Althaus lässt Rufe nach mehr Sicherheit auf den Skipisten laut werden. Was in den Skigebieten gegen das Risiko getan wird.

Titus Arnu

Wer in der Hochsaison um Weihnachten und Neujahr in einem Skigebiet unterwegs ist, begibt sich in eine Risikozone. Zehntausende von Wintersportlern rasen auf begrenztem Raum überfüllte, hartgewalzte und oft vereiste Hänge hinunter. Nicht alle Skifahrer sind körperlich und geistig so fit, dass der vermeintliche Freizeitspaß komplett störungsfrei abläuft.

Der Skiunfall des Dieter Althaus: Allein in Österreich verletzten sich im vergangenen Winter mehr als 50.000 Skifahrer so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Allein in Österreich verletzten sich im vergangenen Winter mehr als 50.000 Skifahrer so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten.

(Foto: Foto: AP)

Sölden im Ötztal zum Beispiel: Das Bergdorf hat nur 1600 Einwohner, verbucht aber zwei Millionen Übernachtungen pro Jahr, die meisten kommen im Winter. 34 Sessel- und Kabinenbahnen können 39.000 Personen pro Stunde zu den Bergstationen transportieren - bergab wird es dann schnell eng.

"Die Verkehrsdichte auf den Pisten hat ganz klar zugenommen", sagt Michael Berner, Sicherheitsexperte beim Deutschen Skiverband (DSV) in Planegg.

Das Skigebiet Riesneralm in der Steiermark, wo sich an Neujahr die folgenschwere Kollision von Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) und einer 41-jährigen Skifahrerin ereignete, wirkt im Vergleich zu übervölkerten Rummelplätzen wie Sölden, Ischgl oder Kitzbühel eher beschaulich.

Es ist auch nicht bekannt, wie schnell der als guter Sportler bekannte Althaus auf der rot markierten, mittelschweren Piste unterwegs war. Dennoch wirft der Unfall die Frage auf, ob die Wintersportindustrie durch immer schnellere Expresslifte, immer griffigere Race-Carver und immer größere Lift-Verbunde auch immer gefährlicher wird.

Der fatale Zusammenstoß, bei dem Althaus schwer verletzt und die slowakische Touristin getötet wurde, sei zwar ein "tragischer Unfall, aber kein Zeichen für einen Trend", sagt Michael Berner vom DSV. Denn seit Jahren gehe die Zahl der Skiunfälle zurück.

Die Auswertungsstelle für Skiunfälle der Versicherungsgesellschaft Arag führt seit der Saison 1979/80 eine Statistik über verunglückte deutsche Skifahrer - und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zahl der Unfälle um 56,6 Prozent gesunken ist. Allerdings lag in einigen Wintern der letzten Jahre besonders wenig Schnee, sodass weniger Skifahrer unterwegs waren und folglich die Verletzungsquote zurückging.

Doch allein in Österreich, wo in der vergangenen Saison neun Millionen Skifahrer Urlaub machten, verletzten sich in der Saison 2007/2008 mehr als 50.000 Skifahrer so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Im selben Zeitraum verunglückten 34 Skifahrer in Österreich tödlich, die meisten davon erlagen schweren Kopfverletzungen.

Rund 80 Prozent aller Unfälle auf der Skipiste sind nach Erhebungen des österreichischen Kuratoriums für Verkehrssicherheit Stürze, die "aus Übermut sowie Wahrnehmungs- und Fahrfehlern resultieren". Die meisten schweren Unfälle werden von Männern verursacht, auch an Kollisionen sind sie häufiger beteiligt als Frauen.

Kampf gegen Raser

"Es gibt immer wieder einzelne Skifahrer, die sich überschätzen", sagt Michael Berner vom DSV. Die Sportgeräte könne man dafür nicht verantwortlich machen, findet er: "Carving-Skier drehen leichter und greifen besser auf Eis, das bedeutet aber nicht unbedingt, dass sie schneller sind."

Dem widerspricht Walter Stünzi von der Schweizer Rettungsflugwacht: "Mit den neuen Carving-Skiern fahren die Leute viel schneller, die heutigen Verletzungen sind mit jenen von Verkehrsunfällen zu vergleichen. Zugenommen haben die Kopf-, Schulter- und Wirbelsäulenverletzungen."

Im Kampf gegen Raser gehen die Skigebiete unterschiedliche Wege. Während der DSV auf Aufklärung setzt und an die Vernunft der Wintersportler appelliert, verlassen sich andere lieber auf die Polizei. Im Montafon zum Beispiel sind Polizisten der Posten Gaschurn und Schruns in den Skigebieten unterwegs. Pistenwächter können Rowdys aufhalten, ermahnen und im Zweifelsfall Liftkarten und Skier abnehmen.

Die Deutschen sind immer noch Helm-Muffel

Im Südtiroler Gebiet Dolomiti Superski patrouillieren Carabinieri mit Motorschlitten und auf Skiern, um die Einhaltung der Pistenregeln zu kontrollieren. Bei Verstößen müssen Verkehrssünder mit Bußgeldern von 30 bis 150 Euro rechnen. Künftig will die italienische Regierung Tempolimits in Skigebieten und einen Führerschein für schwarze Pisten einführen.

In Südtirol gilt seit 2004 für Kinder unter 14 Jahren die Helmpflicht auf Skipisten. "Die Zahl der Kopfverletzungen ging seitdem deutlich zurück", sagt der Primar der Notfallmedizin in Bozen, Manfred Brandstätter. Das italienische Institut für Gesundheit drängt auf eine Ausdehnung der Vorschrift auf Erwachsene. Der Deutsche Skiverband rät allen Skiläufern, Helme zu tragen, eine gesetzliche Pflicht lehnt der Verband aber ab.

Die Deutschen sind immer noch Helm-Muffel. Nach einer Umfrage der deutschen Auswertungsstelle für Skiunfälle hat in der Saison 2006/07 nur ein Viertel aller erwachsenen Skifahrer einen Helm getragen. Seit der Nachricht über den schweren Skiunfall von Ministerpräsident Althaus ist die Nachfrage nach Helmen plötzlich gestiegen - in einigen Münchner Sportgeschäften waren am Freitag Skihelme ausverkauft.

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