Der Luxus lebt:Schöne neue Welt

Doch, Luxus hat eine Zukunft - und zwar im Internet. Eindrücke von einer Fachkonferenz mit internationalen Markenchefs und Modemachern in Berlin.

Claudia Fromme

Wenn Luxus zum Volk kommt, fliegen bisweilen die Fäuste. Wenige Tage ist es her, da haben sich Frauen bei H&M um Schuhe von Jimmy Choo geprügelt. 99 Euro für Stilettos, die sonst das Zehnfache kosten können. Sarah Jessica Parker trägt sie, Michelle Obama auch. Bei H&M an der Friedrichstraße legten sich die Ersten bereits nachts vor die Tür.

Luxus; Foto: Getty Images

Es gibt ihn noch, den schönen Luxus. Für die ganz Reichen jedenfalls.

(Foto: Foto: Getty Images)

Luxus gibt es in Berlin auch ein paar Hausnummern weiter. Rangeleien drohen hier aber nicht, wie auch. Durch die Boutiquen von Armani, Louis Vuitton und Hermès streifen Kunden allenfalls vereinzelt. Manche kaufen etwas, die meisten aber: nichts. Die Krise, die Krise.

Im Ritz-Carlton spricht keiner das schreckliche K-Wort aus, obwohl die Luxusgüterhersteller leiden. In den USA sind deren Umsätze im Schnitt um 15 Prozent zurückgegangen, in Europa um zehn Prozent. Wann sich der Markt erholt, weiß keiner. Nicht einmal Suzy Menk. Die mächtige Modekritikerin der International Herald Tribune küsst sich im Ritz-Carlton mit wippender Haartolle durch die front row der Modekonzerne. Bussi für den Designer Christopher Bailey von Burberry (minus 19 Prozent Umsatz), für Kreativchefin Frida Giannini von Gucci (minus fünf Prozent), für Alain Dominique Perrin, den Chef des Luxuskonzerns Richemont (minus 15 Prozent).

Menkes ist Gastgeberin der Luxuskonferenz, mit der die Zeitung seit neun Jahren tourt. 350 Branchenkräfte haben 2800 Euro gezahlt, um zwei Tage lang über Luxus und Technologie zu reden. "Berlin ist keine Stadt für Luxus", sagt Suzy Menkes und schüttelt den Kopf, dazu sei sie "zu arm". Aber sie habe sich nach dem Mauerfall neu erfunden, sie schöpfe aus ihrer Kreativität, die der raue Wind hervorbringt.

Frischer Wind soll Berlin der Branche also bringen, und den hat sie bitter nötig, was wieder mit dem Volk zu tun hat. "Luxuskonzerne machen ihren Umsatz nicht mit mehr mit Prêt-à-porter-Kleidern für mehrere tausend Euro", sagt Klaus Heine von der Technischen Universität Berlin. "Es sind vor allem Accessoires wie Sonnenbrillen und Gürtel, Kosmetik und Parfums, die Umsatz bringen."

Die Konzerne hätten massiv in den lukrativen Markt investiert, in die Demokratisierung des Luxus - was sich räche. "Die Mittelschicht, die zu einer bedeutenden Kundengruppe von Luxusmarken geworden ist, wurde von der Krise hart getroffen", sagt Heine. Allenfalls Jimmy Choo bei H&M kann sie noch locken.

Weil die Aktionen einmalig sind, bleibe der exklusive Eindruck der Marke erhalten, sagt Heine. So könnten Einsteiger für den Luxusmarkt generiert werden. In Krisenzeiten klappe das aber nicht mehr so gut mit dem Einsteigen.

Wo gibt es neue Einsteiger? Wo sind die jungen Reichen? Wo also liegt die Zukunft? Im Internet, sagt Christopher Bailey, 38, Kreativchef von Burberry: "Technologie ist eine Chance, keine Bedrohung." Er twittert mit Kunden, Modeschauen werden live im Internet übertragen, Anproben in der Fertigung in Italien per Videokonferenz abgestimmt. Zahlt sich das aus? "Ja", sagt Bailey knapp. Die Zahl der Flüge sei um 17 Prozent gesunken, der Online-Handel floriere.

Auf der nächsten Seite: 25 Prozent Reklamationen - liegt die Zukunft des Luxus etwa doch nicht im Internet?

Die Demokratisierung der Mode

Kaufen Facebook-Freunde einen Mantel für 1200 Euro? "Vielleicht nicht sofort, aber irgendwann später", sagt Bailey. "Personalisierung" sei das Gebot der Stunde, bei Burberry im Internet stellen sich seit kurzem Trenchträger vor. Innerhalb einer Woche seien 200.000 Fotos geschickt worden, sagt Bailey.

Sogar von Prinz Charles, der auch Trench trägt? Immerhin besuchte der ihn unlängst in der Londoner Zentrale. "Er ist eine wundervolle Person", sagt Bailey höflich. Burberry ist Hoflieferant. Passt der Prince of Wales denn zum neuen Dotcom-Image von Burberry? "Eher nicht", lächelt Bailey.

Stolz präsentieren Designer und Firmenchefs in Berlin ihren Kontakt zur virtuellen Welt. 300 Millionen Menschen nutzen Facebook inzwischen, jeden Tag werden acht Millionen User "Fan" einer Marke. Suzy Menkes sagt, dass es sich mit der Luxusindustrie und diesen Technologien heute so verhält, wie mit dem Stummfilm kurz vor der Erfindung des Tons.

Berlin applaudiert stürmisch, Bloggermädchen in der ersten Reihe tippen den Satz hektisch in ihr Notebook, iPhones im Publikum leuchten wie Glühwürmchen in einer lauer Sommernacht. Berlin twittert, Fragen an die Sprecher auf der Bühne werden per SMS gestellt. "Wird es in der Zukunft keine Autos mehr geben?", fragte einer Anders Sundt Jensen von Mercedes Benz. Der musste sich die Frage dreimal von Suzy, wie die Modekritikerin Menkes nur genannt wird, vorlesen lassen, bis er sie versteht - so absurd erscheint sie ihm. "Keinesfalls", protestiert er.

"Wie hoch ist die Zahl der Reklamationen?", fragt ein anderer Natalie Massanet, die mit ihrem Portal Net-a-Porter 2008 fast 95 Millionen Euro Umsatz gemacht hat. "25 Prozent", sagt Miss Massanet säuerlich. "25 Prozent?", ruft Mrs. Menkes auf der Bühne. Im Laden würde man ja auch zehn Jeans anprobieren, da sei das nicht viel, sagt Massanet trotzig. Eine Gucci-Tasche im Saal raunt, überall leuchten die iPhones. Vielleicht liegt die Zukunft doch nicht im Netz?

Ottavio Missoni, der den Zick-Zack-Strick erfand, lächelt bei dem Thema eher milde. Gut, der Mann ist 88. Remo Ruffini, Kreativdirektor bei Moncler, 67, will sich den Internethandel erstmal anschauen. Er kann entspannt sein, binnen sechs Jahren hat er den Umsatz verfünffacht. Er brachte die Skijacken zum Jetset, selbst auf dem roten Teppich trägt man Daune. "Stellen Sie sich vor, Madonna trägt in Los Angeles eine unserer Jacken, bei den Temperaturen!", ruft Ruffini.

Ganz blümerant kann einem werden im sanften Schein der Kronleuchter des Ritz. Jochen Zeitz von Puma will mit Heidegger und den Cree-Indianern die Welt retten, Claus-Dietrich Lahrs von Boss preist das italienische Tuch sowie das Hängelager in Metzingen, Claudia Schiffer will irgendwie ein Modelabel starten. "Jeans", fragt Suzy? "Nein, eher klassisch-elegant", sagt Claudia. "Kosmetik?", fragt Suzy. "Kaschmir ist schön", sagt Claudia. Ein Investor ist noch nicht gefunden, vielleicht findet der sich später, bei den After-Congress-Partys im Grill Royale und Corner. Veruschka von Lehndorff feierte ebenso wie Iris Berben und Klaus Wowereit, Claudia Schiffers Marke war dort Tuschelthema Nummer eins.

Bedeutet das Internet also die Demokratisierung der Mode? Ja, sagt Uché Okonkwo, die Louis Vuitton und Gucci berät. Und sie sagt, dass die Krise sie erleichtere. "Es ist wie ein reinigendes Gewitter, die Marken besinnen sich, setzen wieder auf Handwerk, Luxus wird subtiler." Man trage nicht mehr so zur Schau. Die Kundinnen denken um. Selbst die von Natalie Massanet, der trotzigen Stilikone aus England. Kundinnen hätten sie dringend gebeten, die Designstücke diskret zu verpacken. Ab der zweiten Bestellung verschickt die Online-Boutique Net-a-Porter deshalb nur noch braune Tüten

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: