Der Entdecker von Daniela Katzenberger:Der Miezenmacher

Auf dem Catwalk der Casting-Gesellschaft: TV-Produzent Bernd Schumacher hat die Figur Daniela Katzenberger geschaffen - schon sucht er ihre Nachfolgerinnen.

Cornelius Pollmer

Es soll ein Abend wie in Mailand oder Paris werden, und deswegen hat Bernd Schumacher in Leipzig alles aufgefahren, was beim Partyservice zu bekommen war. In der Bar Koslik addieren sich Bühnenplatten zu einem Laufsteg, vor der Tür tanzt der Schnee im Schwenkfeuer einer Lichtkanone. In einem Pagodenzelt führen Menschen Stehtischgespräche. Sie glühen vor, mit Heizpilzen und Wein, und dabei überhören sie fast die sorgenvolle Frage der Frau neben ihnen. Ob sie ihre Tochter kurz sprechen dürfe? Nein, sagt ein Türsteher. Sie dürfe aber später wiederkommen, so gegen zehn: "Ab 22 Uhr ist Party-Situation."

2010! Menschen, Bilder, Emotionen

Platinblonde Kordeln auf dem Kopf, die auf gewaltige Brüste aus Silikon fallen: TV-Sternchen Daniela Katzenberger, Vorbild für viele.

(Foto: dapd)

Jetzt ist Casting-Situation. Oder, wie es Bernd Schumacher überraschend fröhlich formuliert: "Wir machen Menschen." Er sucht Mädchen, die er zu Sternchen befördern kann. Wer das möchte, muss sich ein paar Mal umziehen und die verschieden Kleider auf dem Laufsteg präsentieren, vor einer Jury und Kameras. Denn eigentlich macht Schumacher, 50, nur Fernsehen. Er ist Geschäftsführer der 99pro Media GmbH, einer TV-Produktion in Leipzig. Einst war er Studioleiter bei ProSieben, aber das reichte ihm nicht, er wollte sich "austoben und neues Fernsehen finden, erfinden". Er fand eine schöne Chance, als die privaten Sender dazu übergingen, Realität nicht mehr zu zeigen, sondern sie in sogenannten Doku-Soaps zu inszenieren. Die Fernseh-Wirklichkeit fiel in die Hände von Bernd Schumacher, und der knetet sie nun nach Kräften. Er ist der Administrator eines sich selbst erhaltenden Systems. Dessen Logik erklärt sich am besten an Schumachers größter realer Figur, sie sitzt mitten im Koslik.

Daniela Katzenberger trägt schwarze Stöckelschuhe und ein schwarzes Kostüm. Von ihrem Kopf fallen breite platinblonde Kordeln, deren Ausläufer auf gewaltige Brüste gebettet sind: zwei Mal 350 Gramm Silikon. An einer Kette in ihrem Dekolleté flattern vier silberne Schmetterlinge. Man möchte sie warnen, nicht hoch zu den Lippen zu fliegen, die schimmernd im Gesicht stehen, wie ein Überlaufbrunnen aus 400er Lipgloss.

Im April 2009 wurde Katzenberger, 24, Kosmetikerin, durch die Sendung "Auf und davon" so etwas wie bekannt - ein Fernsehteam beobachtete ihren Versuch, sich für den amerikanischen Playboy auszuziehen. Jetzt, im Dezember 2010, liegt sie auf Platz drei der meistgesuchten Personen bei Google Deutschland. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat sie in einer Rede im Bundestag erwähnt, ein Werbepartner Katzenbergers antwortete darauf mit einer ganzseitigen Anzeige in der Bild. Sie hat eine CD aufgenommen, es gibt Kalender und Jogginganzüge unter ihrem Namen, eine weitere Sendung zeigte eine Staffel lang den Aufbau des Café Katzenberger auf Ibiza. Die Eröffnung war dem Kanal Vox eine Sondersendung wert - ein Brennpunkt des Trash-TV, verfolgt von 2,29 Millionen Zuschauern.

Da ploppen Fragezeichen auf, mindestens zwei: Warum ist diese Frau berühmt? Und was fängt Bernd Schumacher mit dieser Berühmtheit an?

Fleischgewordener Mädchentraum

Daniela Katzenberger ist die Projektionsfläche eines neuen deutschen Mädchentraums, der verheißt, man könne aus irgendeinem Nichts heraus berühmt und womöglich Millionärin werden - einfach so, ohne den Umweg über die Tellerwäscherei, in der es einem die Strasssteinchen von den Nägeln spült. Katzenberger wird bewundert, weil sie ist, wie sie vielleicht wirklich ist - und weil dies zwar nicht viel ist, aber für sehr viel reicht. Sie ist wie die Freundin aus dem Programm von Mario Barth: ein bisschen tussig, bauernschlau, nicht unsympathisch - irgendwie lebensleicht, keinesfalls sinnlich.

Der Entdecker von Daniela Katzenberger: Bernd Schumacher, der Entdecker der "Katze". Der Geschäftsführer der Leipziger 99pro Media GmbH hatte kürzlich in der Bunten gesagt, er wolle "Daniela auf keinen Fall totreiten, bevor das junge Pferd so richtig erfolgreich ist".

Bernd Schumacher, der Entdecker der "Katze". Der Geschäftsführer der Leipziger 99pro Media GmbH hatte kürzlich in der Bunten gesagt, er wolle "Daniela auf keinen Fall totreiten, bevor das junge Pferd so richtig erfolgreich ist".

Es gibt Mädchen, die wollen nicht Ärztin oder Anwältin werden, sondern Katzenbergerin. Das Fernsehen ändert Rollenbilder, und wohin das führen kann, ist im Koslik zu sehen. Das Basswummern wird nur vom nervösen Hacken der Pfennigabsätze durchstochen. Überschminkte Mädchen schicken der Jury gelangweilte Blicke, weil sie das so im Fernsehen gelernt haben. Nach zwei Laufrunden sind drei Kandidatinnen übrig: Jessica (Nr. 15 und "glücklich"), Julia (Nr. 21, "überwältigt"), Angelina (Nr. 4, "freu mich total"). Dabei gibt es eigentlich nicht viel mehr zu gewinnen als ein Cover-Shooting für ein Leipziger Stadtmagazin, Format A6. Andererseits: Das Fernsehen ist da, und jeder hat mal klein angefangen, aber nicht alle sind es geblieben. Siehe Katzenberger, und siehe auch: Bernd Schumacher.

Bis "der Stoff Katzenberger" kam, sagt Schumacher, sei er "ein klassischer Fernsehproduzent" gewesen. Plötzlich aber wollten Veranstalter diese Frau für Auftritte bei Partys buchen, und Dirndl-Hersteller wollten sie im Dirndl fotografieren. Der Produzent wurde zum Agenten und stellt sich seit einer Weile die Frage: "Wie entwickelt man das Produkt, das mit dem Menschen möglich ist?"

Möglich ist eine Menge: Schumacher ist einer von zwei Geschäftsführern jener spanischen Gesellschaft, die das Café Katzenberger betreibt. Er hat 100.000 Euro Risikokapital investiert und einen zweiten Geschäftsführer gefunden: Martin Koslik, Betreiber der gleichnamigen Bar in Leipzig. So funktioniert die Systemtheorie nach Schumacher: Das Café sei "eine Bombe, es trägt sich hervorragend selbst" - und es ist gleichzeitig Gegenstand eines Fernsehprogramms, an dem Schumacher verdient und von dessen Ausstrahlung wiederum das Café profitiert und damit wiederum und nochmals Schumacher. Alles hängt mit allem zusammen, und noch mehr ist möglich, denn: "Die professionelle Phase kommt erst noch, im Jahr 2011."

Vor ein paar Wochen hat Bernd Schumacher in der Bunten gesagt, er wolle "Daniela auf keinen Fall totreiten, bevor das junge Pferd so richtig erfolgreich ist". Man darf diesen unfassbaren Satz als Arbeitsauftrag für RTL Interactive lesen, den Merchandising-Partner der RTL Gruppe. Er hat Schumacher angeboten, das Warenzeichen von Katzenberger zu lizenzieren. In diesem Logo erschwingt sich ein K aus dem Schwanz einer rosa Katze, und diese Katze soll jetzt so richtig schnurren. Kosmetik, Bekleidung, Schmuck. Am Ende wird abgerechnet. "Daniela kriegt einen großen Teil, wir kriegen einen kleinen Teil, und RTL Interactive kriegt einen kleinen Teil", sagt Schumacher.

Die Katze soll so richtig schnurren

Es ist ein wundersames, ganz reales Kabarett, in dessen nächster Aufführung das Deutsche Schlachterhandwerk eine Nebenrolle bekommen könnte. "Zu Daniela passt Leberwurst. Sie liebt Leberwurst", sagt Schumacher. Sie könne für die Rügenwalder Mühle werben oder eben für die Schlachter. Kleinwagen wären auch möglich, und Marmelade, "so aus deutschen Landen". Zum Café Katzenberger gibt es längst ein Franchise-Konzept. Filialen sollen auf Mallorca und an der Côte d'Azur entstehen, "vielleicht auch an der Ostsee". All dies wäre, keine Frage, auch wieder Stoff fürs Fernsehen - kein feiner, aber viel und damit: guter.

Leipzig, letzte Runde. Auf einmal lächeln die Mädchen, Schumacher wollte es so: "Ich habe sie gefragt, ob sie auch Zähne haben." Es gewinnt die Nummer vier, Angelina, eine 16-Jährige aus Hamburg. Der Moderator geht zu Armin Morbach, einem Stylisten, der mal bei Heidi Klums Modelshow in der Jury saß, und fragt: "Ein Rohdiamant?" - "Man kann viel reinschminken, wenn man sich auskennt", sagt Morbach. Die Kameras halten drauf, Bernd Schumacher grinst. "In einer Doku kommt es nicht darauf an, dass Menschen Dinge schaffen", sagt er. Emotionen seien wichtig und Emotionen gibt es auch, wenn Menschen etwas nicht schaffen.

Schumacher selbst hat sich ohnehin anders entschieden: für die Nummer 3, "die casten wir nächste Woche". Nummer 3 bekommt davon nichts mit, sie hat Armin Morbach, den Stylisten, in eine Karriereberatung verwickelt.

Nr. 3: "Mein Problem ist, dass ich zu klein bin."

Er: "Kannst du singen?"

Nr. 3: "Nee."

Er: "Dann geh' in die Schauspielerei."

Morbach erträgt das Spiel mit erstaunlichem Gleichmut, zu seiner Rechten redet Daniela Katzenberger schon wieder in eine Kamera. Als das Gespräch vorbei ist, fragt sie, wofür sie da eigentlich gerade ein Interview gegeben habe. "Irgendein neues 99pro-Format", sagt die Kamerafrau und zieht ab. Eine Kandidatin nutzt die seltene Gunst der Drehpause und übergibt Katzenberger ein Geschenk: Es ist ein Überraschungsei. In seinem Innern liegt ein Plastikpüppchen, auf dem Beipackzettel steht auf türkisch "hübsche Mädchen".

Man kann die Mädchen dieser Reihe auf kleine Plastikpodeste stellen, ihre Sachen untereinander tauschen und sie drehen und wenden, wie man mag.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: