Süddeutsche Zeitung

Der Chanel-Chic:Kätzchen an Ketten

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Sommerkinofilm-Trend: Während die echten Chanel-Taschen bei Ebay langsam ranzig werden, blüht der Absatz mit den Chanel-Kopien.

Verena Stehle

Die junge Coco Chanel läuft gerade nicht nur im Kino, sondern auch durch Stadtparks, Biosupermärkte und Szenekneipen. Dass Kostüme aus Kino-Blockbustern direkt auf die gegenwärtige Jugendmode überspringen, war schon bei Marlon Brandos "Endstation Sehnsucht" zu beobachten (weißes Leibchen!), "Flashdance" (Stulpen!), "Frühstücksclub" (ein Ohrstecker!) - und nun eben bei dem Modefilm "Coco Chanel": Von München bis Kopenhagen strolchen Mädchen herum mit Bobfrisur, weißblau gestreiftem Breton-Shirt, Ballerinas und der legendären Stepptasche mit goldenen Kettenhenkeln.

Aber Moment noch: Die Taschen sind überhaupt nicht von Chanel. Das Leder glänzt künstlich, die Ketten erodieren und die Drehschließe ziert nicht Chanels berühmte griffe, das in sich gespiegelte C.

Während die echten Chanel-Taschen bei Ebay langsam ranzig werden, blüht der Absatz mit den Chanel-Kopien: Die Onlineshops von Asos und Topshop haben gleich ein paar Versionen im Sortiment, und Urban Outfitters kokettiert richtig mit der Abzieherei und nennt sein Modell rotzfrech "Coco Bag" (Bild). Dass sie alle nicht ansatzweise an das Original herankommen - genau darin liegt der Witz: Die Kopie hat es zum Trendteil geschafft, weil sie ganz cool zugibt, nicht echt zu sein. Vor der Krise hätte man mit dem Finger auf so eine gezeigt.

Dennoch: Die Kopie muss mit ausreichend Stolz zur Schau gestellt werden - es soll ja nicht so aussehen, als könne man sich das Original nicht leisten, sondern so, als habe man das Original nicht nötig.

Wenn man sich die Coco-Copycats von München bis Kopenhagen so ansieht, mit ihren hocherhobenen Häuptern, den geschürzten roten Lippen und Gauloises zwischen den Fingerspitzen, könnte man fast meinen, sie äfften Coco Chanel bloß nach. Bahnt sich da womöglich gerade eine neue Jugendkultur an, die auf Logos pfeift und modische Freiheit propagiert? Vielleicht kommt uns das auch nur so vor, wegen des neuen Woodstock-Kinofilms.

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SZ vom 22.08.2009/aro
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