Dem Geheimnis auf der Spur:Der Ur-Strom

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In der 2300 Jahre alten Vase steckt ein Zylinder aus Kupferblech und darin ein Eisenstab. (Foto: Technisches Museum Wien)

Konnten die Menschen schon vor mehr als 2000 Jahren Elektrizität erzeugen? 1936 fanden Archäologen im Irak ein ungewöhnliches Tongefäß. Manche Forscher glauben, dass es sich um eine antike Batterie handelt.

Von Harald Eggebrecht

Auf einen seltsamen Gegenstand stießen Wissenschaftler 1936 bei Ausgrabungen in Khujut Rabuah, in der Nähe von Bagdad. Was auf den ersten Blick aussah wie eine unscheinbare, antike Tonvase, entpuppte sich bei näherer Untersuchung als ungewöhnliche Apparatur. "Das Gerät besteht aus einer Tonflasche, einem Zylinder aus Kupferblech und einem Eisenstab. Die Flasche ist länglich oval aus weißlich gelbem Ton mit abgeplatteter Standfläche", schrieb der österreichische Grabungsleiter Wilhelm König über den Fund, der wahrscheinlich aus der Zeit um 300 v. Chr. stammte. "Die Flasche ist 14 cm hoch und hat einen maximalen Durchmesser von 8 cm. Der Hals ist willkürlich entfernt und trägt rund um die Bruchstelle Spuren von Asphalt. Die Halsöffnung hat einen Durchmesser von 33 mm." König war es auch, der angesichts des Aufbaus auf die Idee kam, es könnte sich um ein "elektrisches Element" handeln, also vielleicht um eine Art Trockenbatterie. "Elektrisches Element" wird die kleine Tonvase auch in der Ausstellung des Technischen Museums in Wien genannt, wo heute eine Nachbildung zu sehen ist.

Diente die Apparatur vielleicht zur Galvanisierung, um Gegenstände zu vergolden?

In der Siedlung von Khujut Rabuah lebten vor mehr als 2000 Jahren die Parther, ein persisches Reitervolk. Hatten sie etwa schon damals die Elektrizität entdeckt und eine Batterie gebaut? Und wofür wurde sie benutzt? Bisher jedenfalls gibt es keine wirklich schlüssige Erklärung für das, was mittlerweile unter der Bezeichnung "Bagdad-Batterie" bekannt geworden ist. Dass daher Spekulationen von der Art des Ufo-Gläubigen Erich von Dänikens ins Kraut schießen und gleich die ganze antike Welt mit Leuchtkörpern und Glühlampen erhellt sehen wollen, liegt gewissermaßen in der rätselhaften Natur des Fundes.

Die Parther haben sehr schöne Goldkunst hervorgebracht. Darunter nahezu perfekte Vergoldungen, die vermuten lassen könnten, Ergebnisse von Galvanisierungsprozessen zu sein. Dabei werden Oberflächen durch elektrische Spannung mit dünnen Metallschichten veredelt. Forscher überlegten schon bald nach der Entdeckung des Tongefäßes, ob es vielleicht eine frühe Apparatur für die Galvanisierung war.

Doch bisher gibt es dafür keinen archäologischen Nachweis, denn in der antiken Welt wurden Gegenstände entweder mit aufgetragenem Blattgold veredelt oder auch feuervergoldet. Die Parther haben großartige Architektur hervorgebracht. Das zeigen beispielsweise ihre Tempelbauten in den mesopotamischen Städten Hatra und Assur, wo sie neuartige Decken konstruierten: Tonnengewölbe über rechteckigem Grundriss. Lange Zeit galten sie in der Forschung aber trotzdem eher als "hellenisierte Barbaren" denn als eigenständiges Kulturvolk. Doch inzwischen weiß man, dass die Parther neben den Achämeniden und Sassaniden eine der drei großen altpersischen Dynastien gewesen sind. Außerdem waren sie als Krieger und Bogenschützen gefürchtet. Die Römer führten etliche Kriege gegen sie, erlitten unter Crassus 53 v. Chr. eine vernichtende Niederlage bei Karrhai. Auch Kaiser Caracalla verlor bitter gegen die Parther.

Sollte dieses kriegerische, erfindungsreiche und kunstfertige Volk, das rund fünfhundert Jahre in Parthien am Kaspischen Meer und seit 141 v. Chr. auch in Mesopotamien herrschte, womöglich eine Ahnung von Elektrizität gehabt und die Galvanisierungs-Technik angewandt haben, die der italienische Arzt Luigi Galvani erst im 18. Jahrhundert entdeckte?

Englische und amerikanische Wissenschaftler bauten die "Bagdad-Batterie" nach und probierten sie mit Erfolg als galvanisches Element aus. Im Jahr 1978 wurde auch im Roemer-Pelizäus-Museum in Hildesheim für die Ausstellung "Sumer - Assur - Babylon" ein Nachbau der "Batterie" auf seine elektrischen Fähigkeiten hin getestet. Man gab eine fünfprozentige Essiglösung als Elektrolyt hinzu. Dann wurde gemessen und es floss tatsächlich Strom, nämlich mit einer Spannung von 0,5 Volt und einer Stärke von 150 Mikroampere. Wilhelm Königs Hypothese schien dadurch erneut bestätigt zu sein. Damals wurde sogar ein Forschungsauftrag zur Sache angeregt. Doch bis heute ist man über jenen Stand der Dinge in Sachen Elektrizität der Parther nicht wirklich hinausgekommen.

Die Skeptiker weisen darauf hin, dass die Versuche der experimentellen Archäologen keineswegs belegen, dass schon zur Partherzeit auch so verfahren wurde wie bei den modernen Tests. Darüber hinaus habe man bisher für einen möglichen elektrischen Gebrauch auch keinerlei Zubehör wie etwa Drähte gefunden. Außerdem wurden an anderen Orten ähnliche Tonvasen, aber mit anderen Inhalten entdeckt.

Diese Forscher nehmen daher an, dass die "Bagdad-Batterie" nur zufällig an ein elektrisches Element erinnert. Sie halten sie eher für einen kultischen Gegenstand, denn solche Gefäße fanden sich meist unter den Ecken der Parther-Häusern. Diese Tongefäße hätten eine magische Bedeutung gehabt und dienten vielleicht der Abwehr böser Geister. In manchen Vasen steckten Papyrusreste, allerdings ohne Schriftzeichen. Metallen wie Kupfer und Bronze wurde, schon tausend Jahre vor den Parthern, bei den Hethitern Abwehrkräfte zugeschrieben. Da die Gefäße meist in sogenannten Gründungsgruben von Häusern vergraben wurden, könnten sie also als Schutzzauber für das Gebäude gewirkt haben.

Eines aber ist gewiss: Erst nach einer endgültigen Klärung des Sinns dieser seltsamen Tongefäße wird wohl das Spintisieren aufhören, dass die Menschen schon vor 2000 Jahren Strom erzeugten.

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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