Mythos sprechende Manguste:Der fabelhafte Gef

South African Open - Day Two

Eine südafrikanische Manguste mit ihrem Nachwuchs.

(Foto: Getty Images)

Eine angeblich in Menschensprache redende Manguste sorgte in den 1930er-Jahren bei britischen Boulevardblättern für Aufruhr. Rückblick auf eine kuriose Legende.

Von Sofia Glasl

Diese Geschichte beginnt am 7. Juni 1852 in Neu-Delhi, zumindest wenn man der britischen Farmersfamilie Irving Glauben schenkt. An diesem Tag nämlich wurde in der indischen Stadt eine Manguste namens Gef geboren. Mangusten, um eine Verwechslung mit den krebsartigen Langusten auszuschließen, sind katzenartige Raubtiere mit buschigen Schwänzen, die je nach Art die Größe von Ratten oder Füchsen annehmen können.

Die bekanntesten Arten sind Erdmännchen wie etwa Timon aus "Der König der Löwen" und Mungos wie der tapfere Rikki-Tikki-Tavi, der in Rudyard Kiplings "Dschungelbuch" eine Familie vor Schlangenangriffen bewahrt. In Indien wurden Mungos tatsächlich lange als Haustiere gezähmt, um sie zum Schutz vor Giftschlangen zu halten.

Dieser Umstand soll es auch gewesen sein, der Gef bis nach Nordeuropa auf die zwischen Irland und England gelegene Isle of Man verschlug - ein dortiger Farmer bei Dalby im Südwesten der Insel holte sich 1912 Mangusten auf den Hof, um der Karnickelpopulation auf seinem Grundstück Herr zu werden.

Nun mag man einwenden, dass es kleine Raubtiere kaum an einen Ort jenseits ihres Habitats "verschlagen" könne, der Begriff evoziert das Bild eines Tierchens, das mit Koffer, Hut und Spazierstock in ein neues Leben reist. Doch scheint das in diesem Fall recht passend, denn kein geringerer als Gef selbst erzählte diese Anekdote, und ging deshalb in die Geschichte der paranormalen Erscheinungen ein: als Gef, die sprechende Manguste oder auch als "Dalby Spook", das Gespenst von Dalby.

Dass er eine Persönlichkeit war, bewies Gef im Oktober 1931, als er sich eben jener Familie Irving zu erkennen gab. Damals hatte er bereits das für eine Manguste stattliche Alter von über 80 erreicht, ein Vierfaches der Lebenserwartung seiner Artgenossen.

Vater James Irving, Mutter Margaret und ihre 13-jährige Tochter Voirrey hörten damals mehrfach Kratzen und Scharren in den Holzwänden ihrer Farm in Cashen's Gap bei Dalby.

Nach einiger Zeit stießen sie auf ein, wie sie es beschrieben, wieselartiges Tier, das innerhalb kürzester Zeit ihre Sprache imitierte und Kinderlieder nachsang. James Irving beschrieb 1935 sein erstes Zusammentreffen mit Gef in einem Brief - er habe eine gestreifte Katze mit dem Gewehr verfolgt, aber nicht zu fassen bekommen. Als er seiner Frau davon erzählte, habe sich Gef gezeigt und "Das war ich, den du gesehen hast, Jim" gerufen.

Gef wurde zutraulich und half im Haushalt, jagte Mäuse und machte offenes Feuer aus, wenn die Familie das abends vergessen hatte. Neben seinem Gesang soll er auch ein Tänzer gewesen sein - Hut und Spazierstock könnten also auch hier ins Bild passen.

Die Story machte in der kleinen Inselgemeinschaft schnell die Runde. The Isle of Man Examiner titelte am 11. März 1932 die "Dalby Sensation" und prägte auch den Begriff "Dalby Spook". Der Manchester Daily Dispatch sprach vom Rätsel um ein "man-weasel", also ein Wiesel mit menschlichen Eigenschaften. Der Clou jedoch war: Gef gab sich nur den Irvings zu erkennen. Sobald Journalisten oder andere Interessierte zu der einsamen Farm kamen, war Gef unauffindbar - kamerascheu, wie James Irving versicherte. Zwei angebliche Fotos des Tieres lassen lediglich ein Fellbüschel erkennen, einige vermeintliche Zeugen wollen Gef sprechen gehört, aber nicht gesehen haben.

Der Fall weckte das Interesse einiger Parapsychologen, darunter der damals recht bekannte Harry Price. Er besuchte die Farm der Irvings 1935, konnte jedoch keine Beweise für Gefs Existenz finden. Eine Fellprobe stellte sich als Hundehaar heraus, wohl vom Familienhund Mona. Von den Irvings beschaffte Pfoten- und Gebissabdrücke konnten keinem bekannten Tier zugeordnet werden. Die Lager teilten sich entsprechend in Gef-Gläubige und jene, die seine Existenz aus Mangel an Beweisen für eine Zeitungsente hielten.

Vielleicht sprach die Tochter des Hauses einfach nur mit einem imaginären Freund

Bis heute ist nicht geklärt, ob die Irvings schlichtweg Freude daran hatten, andere an der Nase herumzuführen, oder ob sie selbst daran glaubten. Eine Theorie besagt, die Tochter Voirrey habe sich einen imaginären Freund ausgedacht und mithilfe von Bauchrednerei zum Leben erweckt - angesichts der Einsamkeit auf der Farm plausibel. Noch 1970 beteuerte Voirrey jedoch in einem Interview der Zeitschrift Fate, Gef habe existiert, auch wenn sie mittlerweile bereue, die Geschichte öffentlich gemacht zu haben. Ihr Vater sei darauf versessen gewesen und deshalb hätten ihre Mutter und sie mitgemacht.

Die Quellenlage ist heute, mehr als 90 Jahre nach dem Trubel, sehr unübersichtlich. Denn einerseits hat Gef eine internationale Fanbase, die ihn in popkulturellen und parapsychologischen Artikeln, aber auch in diversen Podcasts und einem Comic regelrecht feiert. Auf der Isle of Man ist sogar ein Bier nach ihm benannt, das "Dalby Spook".

Im April 2014 fand an der University of London ein Symposium über ihn statt. Andererseits verlaufen die Querverweise vieler selbsternannter Kenner und Experten im Kreis, haben sich zu einem regelrechten Knäuel aus tatsächlichen Quellen und enthusiastischen Übertreibungen verwickelt. Harry Prices Buch "Confessions of a Ghost-Hunter" aus dem Jahr 1936 wird gemeinhin als wichtigste Quelle genannt. Der BBC-Journalist Richard Stanton Lambert legte bereits 1935 "The Haunting of Cashen's Gap" vor, das Buch ist allerdings vergriffen und nicht einsehbar. Christopher Josiffes Buch "Gef! The Strange Tale of an Extra-Special Talking Mongoose" (2017) gilt als Standardwerk für jeden Gef-Fan.

Josiffe, ein Bibliothekar an der University of London, hatte Zugriff auf Harry Prices persönliche Bibliothek und trug sämtliche Presseberichte sowie James Irvings Briefe und Tagebücher zusammen, um ein lückenloses Bild dieses fantastischen Tierwesens zusammenzusetzen. Zu einer endgültigen Erklärung kommt aber auch er nicht.

Gef, so scheint es, hat auch hier das letzte Wort: "Wüsstet ihr, was ich weiß, wüsstet ihr verdammt viel!"

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