Debatte um Kinderspielzeug:"Baby Nimmersatt" will die Brust

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Ein spanischer Spielzeughersteller bringt eine neue Generation Puppe auf den Markt: Das "Baby Nimmersatt" will gestillt werden - die nötige Brust für Mädchen im Kindergartenalter liefert die Firma gleich dazu. Pädagogen sind empört und warnen vor der Sexualisierung von Kleinkindern.

Daria Hufnagel

Spielen sie noch oder daddeln sie schon? Um Kinder in Zeiten von Computergames noch für klassisches Spielzeug zu interessieren, lässt sich die Industrie immer wieder Abenteuerliches einfallen.

Babypuppen sehen nicht nur immer realer aus, mittlerweile haben sie auch Bedürfnisse wie ein echter Säugling. (Foto: dapd)

So wie der spanische Hersteller Berjuan: Sein "Bebé Glotón" ("Baby Nimmersatt") gibt sich nicht mit einem Fläschchen zufrieden. Der Plastik-Säugling will gestillt werden. Und weil das für Puppenmütter im Kindergartenalter mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist, wird die "Brust" gleich mitgeliefert: ein Bikinitop fürs Kind, auf dem zwei Blütenaufnäher Brustwarzen symbolisieren. Wird die Puppe in die Nähe dieser Blüten gehalten, bewegt sie den Mund und macht Schmatzgeräusche. Nach dem Stillen schreit das Plastikkind schließlich so lange, bis ein Bäuerchen aus ihm herausgeklopft wird. Als weiteres nettes Zubehör für ihre Kinder können Eltern zudem eine Brustpumpe erwerben. Die Zielgruppe des neuen Spielzeugs: Kinder ab fünf Jahre.

Auf der Facebook-Seite des Herstellers heißt es, der Spielzeugsäugling eigne sich zur Vorbereitung der Kinder auf eine echte Mutterschaft: "Es gibt nichts Natürlicheres als zu Stillen. Bebé Glotón lehrt die Mädchen Mutter zu sein." Und dann holt man sich noch Absolution von oben: Auf einer eigens für die neue Puppe kreierten Internetseite behauptet der Konzern stolz, auch Gott selbst unterstütze das "Breast Milk Baby" ("Muttermilch Baby"). Ein Foto zeigt die Jungfrau Maria mit Jesuskind an ihrer Brust.

Der Absatzmarkt für Puppen dieser Art ist riesig: Neben allerlei kleinteiligem Zubehör und Outfits vom Skianzug bis hin zum Regenmantel, können für die Puppenkinder auch Mini-Toiletten mit Spülgeräusch und Waschbecken mit Pumpfunktion gekauft werden. Plastikbabys können heute Sätze sagen wie "Mami, nimm mich in den Arm", nuckeln, lachen, weinen, trinken und danach die Windel vollmachen.

Das "Sweet Chocolate Baby" der Marke Simba etwa wird mit Schokoeis und verschmiertem Mund geliefert. Die Schokolade lässt sich wegwischen, taucht aber nach einiger Zeit auf wundersame Weise wieder auf. So bleibt die Puppenmutti stets beschäftigt.

Der Gedanke hinter all diesen Features ist laut Hersteller stets der gleiche: Die Kinder sollen in den Puppen neue Freunde finden, soziales Verhalten soll gefördert und die Fantasie angeregt werden. Doch das Bikinitop mit Brustwarzen geht den Kritikern nun eindeutig zu weit. Sie empören sich über die Sexualisierung von Kleinkindern und fürchten, das Spielzeug könne die Bereitschaft zu frühen Schwangerschaften bei Mädchen erhöhen.

Erzieherin Ingetraud Palm-Walter und Diplom-Psychologin Sigrid Zverina vom Verein "spiel gut", einer Organisation zur Bewertung von Kinderspielzeug, bemängeln, Mädchen würden mit der Stillpuppe in ein klassisches Rollenverständnis gedrängt. Sie plädieren für geschlechtsneutrales Spielzeug, das Junge und Mädchen gleichermaßen fördert - und damit einer Pädagogik entspricht, die Kinder zu Mitgliedern einer gleichberechtigten Gesellschaft erziehen will. Eine Übersexualisierung fürchten sie nicht: "Für das Kind ist der Still-Vorgang unproblematisch, man sollte von dieser Position ausgehen und nicht die eigenen Ängste ins Kinderspiel reinlegen."

Doch die Expertinnen halten noch einen weiteren Aspekt der Puppe für fragwürdig. "Das eigentliche Problem ist nicht die Spielsituation, sondern die Funktionspuppe selbst", erläutert Palm-Walter, "Kinder haben genug natürliche Fantasie. Puppen mit allerlei Funktionen schränken die Kinder in ihrer Kreativität und Aktivität ein."

In Deutschland kann die Puppe bisher nur über das Internet bestellt werden.

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