Süddeutsche Zeitung

Datenschutz:Streng geheim

Die elfjährige Mira lebt in den USA und hat ein besonderes Hobby. Sie verkauft sichere Passwörter an Menschen auf der ganzen Welt. Das Geschäft läuft gut.

Von Anna Dreher

Vor einem halben Jahr war es richtig anstrengend. Da konnte Mira Modi nicht mal in Ruhe essen. Ihre Mama, ihr Papa und auch ihr Bruder - alle mussten helfen, sonst wäre Mira nicht fertig geworden. "Ich habe erst Hausaufgaben gemacht und dann gewürfelt. Manchmal hatte ich so viele Anfragen, dass ich dachte, ich schaffe das nicht", sagt die Elfjährige, die in New York in den USA lebt. "Also saßen wir manchmal abends zusammen, jeder einen Würfel in der einen Hand, und mit der anderen haben wir gegessen."

Würfeln beim Essen? Normalerweise macht das auch Miras Familie nicht. Aber seit dem Sommer 2015 ist ihr Leben ein bisschen anders, sie hat jetzt ein ungewöhnliches Hobby: Mira erstellt sichere Passwörter. Mit Würfeln.

Auf die Idee ist Mira gekommen, als ihre Mutter an einem neuen Buch schrieb. Sie ist Journalistin und beschäftigt sich mit dem Schutz privater Informationen im Internet. Dafür sind Passwörter wichtig. Man denkt sich ein Wort aus, das keiner kennt, und schon kann niemand E-Mails mitlesen - zumindest denken das die meisten. Aber leider haben manche Spezialisten Wege gefunden, die Passwörter von anderen herauszufinden.

Natürlich sind auch die Passwörter von Mira nicht zu 100 Prozent sicher, aber selbst Profis bräuchten lange, um sie zu entschlüsseln. Miras Technik nennt sich "Diceware" (das englisch Wort dice bedeutet Würfel). Mira braucht nur einen Stift, Papier, Würfel und eine spezielle Liste, in der Zahlenreihen Wörter zugeordnet sind. Diceware und die zugehörigen Listen hat der amerikanische Computerexperte Arnold Reinhold erfunden.

Um ein Passwort zu erstellen, würfelt Mira fünfmal und schreibt sich die Zahlen auf. Zum Beispiel 43142. Auf der deutschen Wortliste entspricht diese Zahlenkombination dem Wort "merken". Das Ganze macht Mira sechsmal - fertig ist das sichere Passwort. Dabei kommen lange kleingeschriebene Wortketten raus, wie zum Beispiel: adler, tanne, umzug, vier, farbe, eigelb. Mit einer lustigen Geschichte kann sich diese Wörter jeder gut merken.

"So ein langes Passwort ist ziemlich schwer zu knacken. Genau die gleiche Kombination hatte ja niemand davor", sagt Mira. Das Ergebnis schreibt sie auf Papier und versendet es per Post. Manchmal verlangen Internetdienste Passwörter mit Sonderzeichen wie ! oder $. Die kann man selbst an die Wortkette anhängen.

Am Anfang hat Mira zwei Dollar pro Passwort verlangt. Davon musste sie aber auch das Papier, die Umschläge und Briefmarken bezahlen, deswegen hat sie den Preis verdoppelt.

Zuerst hatte sie auf Buchvorstellungen ihrer Mutter einen Stand, im Oktober 2015 baute sie sich dann eine Internetseite. Innerhalb kurzer Zeit bekam Mira Anfragen aus den USA, Deutschland, Australien, Kanada, Frankreich, England und Indien. "Manchmal waren es 70 am Tag, das war ganz schön verrückt", sagt sie.

Bis ein Passwort fertig ist, dauert es sieben Minuten. Weil Mira auch zur Schule geht, Geige spielt und sich mit Freunden trifft, ist sie froh, dass es weniger Anfragen geworden sind. Zur Zeit würfelt sie eine Stunde pro Woche. Kopien von den Passwörtern behält Mira Modi übrigens nie. Sicher ist sicher.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2016
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