Das Duell: "Sex and the City":Wieviel Chichi braucht die Frau?

"Schwachsinn", sagen die einen, "die schönste Nebensache der Welt", die anderen. Wieviele Stilettos braucht die Gesellschaft? Und wieviel "Sex and the City" verträgt sie? Ein Duell unter Frauen.

Eike Schrimm und Violetta Simon

Schwachsinn in Serie von Violetta Simon

Sex and the City

Die Damen mit Thrill - die Figuren aus "Sex and the City" werden geliebt oder gehasst.

(Foto: Foto: Getty)

Als eines Tages der Umzug in ein märchenhaftes Luxus-Appartement - kleine Spende vom großen Mr. Big - bevorsteht, verschwinden Carries edle Designerfummel von Chanel, Vuitton, Dior, Gabbana und Westwood vorübergehend in unscheinbaren Kartons. Da blickt die dünne Blonde auf die alten Schachteln und verkündet bar jeglicher Selbstironie, darin befände sich ihre komplette Vergangenheit. Ein Leben aus Stoff - welch sinnlose Existenz.

Zum Trost errichtet Mr. Big in ihrer neuen Residenz einen begehbaren Kleiderschrank, in dem man locker den Wiener Opernball veranstalten könnte.

Irgendwie nicht normal

Bei Carrie Bradshaw ist eben alles ein bisschen anders als bei uns "Normalo-Frauen". Auf einem Bett liegen wir einfach nur so herum. Carrie hingegen wirkt wie auf die Tagesdecke gegossen und trägt selbst an Wochentagen Negligee. Um sie herum: Modemagazine, Manuskriptblätter oder ihre omnipräsenten Gefährtinnen. Was für ein Schwachsinn.

Wenn unser Telefon läutet, stehen wir auf und rennen zum Apparat. Carrie nicht. Sie schlüpft zuvor flugs in ihre hochhackigen Manolo-Schläppchen und tippelt über den Teppich. An ihrem Apparat ist auch niemals die nervende Mutter oder der Klempner, sondern mindestens die Chefredakteurin der Vogue - vollkommen am Leben vorbei.

Wenn wir uns umziehen, dann, weil wir uns bekleckert haben oder eingeladen sind. Carrie wechselt ihre Garderobe auch gerne mal aus geringerem Anlass - zum Milch kaufen kann man schließlich nicht dasselbe tragen wie zum Brötchen holen. Willkommen in Mrs. Bradshaws Scheinwelt.

A propos Scheinwelt - eine wichtige Botschaft aus "Sex and the City" lautet: "Diamonds are a girl's best friend." Das sang nicht nur die unvergessliche Marylin, das weiß auch Carries Männer mordende Serien-Gefährtin Samantha Jones. Und die ist, wie wir wissen, eine Frau der Tat. Sie verlässt ihren Geliebten Smith - eine Mischung aus Chippendale, Frauenversteher und College-Student - nach fünf Jahren Beziehung, weil sie erkennt, dass Sex mit immer demselben Mann schlecht für ihr Selbstbewusstsein ist. Den wertvollen Diamantring, den Smith zuvor bei Christies für sie ersteigerte, behält sie. Ansonsten setzt die 50-Jährige lieber auf Botox als auf die Ehe.

Was uns "Sex and the City" sagen will? Eine Frau braucht zu ihrem Glück regelmäßig Sex, teure Klamotten, sündteure Schuhe und Freundinnen, die das ebenso sehen. Was also kann man lernen von einer Frauenclique, deren Denken und Fühlen um "Labels und Liebe" kreist? Von Menschen, die neurotisch, sexsüchtig, verbittert oder naiv sind?

Nun, man kann sich ein Beispiel nehmen an ihnen. Sie stehen auf der Karriereleiter ganz oben - und scheinen doch nur sporadisch zu arbeiten. Hin und wieder hockt Carrie in einem Gucci-Outfit im Schneidersitz auf dem Bett und tippt Bestseller in ihren Laptop. Samantha schließt zwischen Shoppen und Lunchen Mega-Deals übers Handy ab, der Rest läuft von alleine. Charlotte überlässt das Arbeiten dem liebevollen Mann an ihrer Seite, mit dem sie ein mandeläugiges Barbie-Püppchen großzieht. Was ein echter Fulltime-Job aus einer Frau mit Kind machen kann, sieht man an Miranda: Sex im T-Shirt mit Blick auf den Wecker und eine unrasierte Bikinizone. Echt abschreckend eben.

Wir machen was falsch

Spätestens seit "Sex and the City" hat es auch die Dümmste kapiert: Irgendetwas machen wir Durchschnittsfrauen falsch. Sonst hätte man uns längst den Chefposten angeboten, weil wir uns nur hin und wieder im Büro blicken lassen - dafür aber perfekt gestylt. Wir wären längst reich, weil sich unser Geld, das wir für Labelfetzen, Schuhe und Cocktails ausgeben, auf wundersame Weise vermehrt. Und wir hätten einen Wahnsinns-Typen an unserer Seite, nicht obwohl, sondern weil wir komplett neurotisch sind.

Natürlich nehmen wir das alles nicht ernster als nötig. Dazu sind wir zu gebildet und zu selbstbewusst. Doch um ganz und gar auf diesen Schwachsinn zu verzichten, sind wir offenbar nicht gebildet und selbstbewusst genug. Oder ist es am Ende gar kein Schwachsinn? Springt etwas dabei heraus - Lebenserfahrung, Ideale, Trost zumindest?

Was sonst bringt Frauen dazu, sich in albern kichernden Grüppchen zum Sex-and-the-City-Gucken zusammenzurotten und dabei Cosmopolitan zu trinken? Das gute Gefühl kann es nicht sein, zu diesem Glück fehlen ihnen ein Dutzend Manolos, etwa 15.000 Dollar monatliches Einkommen, stapelweise Designerklamotten und die Fähigkeit, die eigene Neurose als Gewinn für die Umwelt zu deklarieren. Darüber kann auch ein klebriger Cocktail nicht hinwegtäuschen.

Ist es am Ende die Erkenntnis, dass Stilettos und Superbeine, ein Luxusappartement und märchenhafte Kleider, ja sogar drei Bestseller-Erfolge eine Frau nicht wirklich beglücken können, wenn ihr Prinz, der gute alte Mr. Big, nicht mit von der Partie ist?

Wenn das alles ist, dann gute Nacht. Legen wir uns wieder hin und schlummern weiter in unseren ausgewaschenen Baumwollnachthemden. Und wenn das Telefon läutet: Lassen wir es einfach klingeln. Ist sowieso nur Mutti. Willkommen im richtigen Leben.

Das Duell geht weiter: "Sex and the City" macht das Leben schöner.

Wieviel Chichi braucht die Frau?

"Sex and the City": eine der schönsten Nebensächlichkeiten der Welt von Eike Schrimm

Das Duell: "Sex and the City": Sex & Carrie: Nicht mehr, nicht weniger.

Sex & Carrie: Nicht mehr, nicht weniger.

(Foto: Foto: Getty)

Vier Jahre war die Pause lang. Dazwischen war nichts. Nur Gerüchte: "Es soll einen Kinofilm geben!" Dann das Gegen-Gerücht: "Nein, es wird doch keinen Kinofilm geben. Die Freundinnen zanken sich. Samantha will zu viel Geld."

Nun gibt es den Kinofilm zu "Sex and the City". Die Kritiker aus dem Feuilleton sind schon ganz aus dem Häuschen und sehr aufgeregt: Dieser Zug sei längst abgefahren, tönt es. Außerdem sei "Sex and the City" keine Serie über die Frau von heute. Und schon gar keine Manifestation eines neuen weiblichen Selbstbewusstseins. Die Serie sei noch nicht einmal lebensnah. Und die Frauen sähen aus wie Transvestiten. Und sie würden gar nicht wie Frauen sprechen, sondern so, wie schwule Drehbuchautoren meinen, dass Frauen sprechen. Außerdem hätte Carrie Krampfadern, Charlotte hektische rote Flecken am Hals, Samantha einen dicken Po und Miranda eine Freundin.

Ruhig Blut. Es ist doch nur eine TV-Serie, aus der ein Kinofilm wurde. An dieser Stelle wären die sieben Emmy- und acht Golden-Globe-Siege richtig platziert. Aber geschenkt. Zu sachlich. Rein persönlich war jede der 94 Folgen ein Volltreffer. Nach jeder Sendung hat sich das eigene Leben wieder ein bisschen schöner angefühlt. Komisch, denn eigentlich kann man sich die klassische Identifizierung mit den Damen gar nicht leisten.

Die gehen wirklich wie bescheuert shoppen. 498 Dollar für ein Paar Schuhe. Aber träumen wir nicht alle manchmal davon, nur Armani an unseren Körper zu lassen? Vielleicht sehen sie auch tatsächlich ein bisschen aus wie Transvestiten. Dennoch ist jede von ihnen ein Kunstwerk. Selbst wenn Carrie nur mal bloß um die Ecke zum Bäcker huscht, um ein Baguette zu holen, mixt die Kostüm-Designerin Patricia Field Fendi, Prada mit Pierrot so stimmig zusammen, dass daraus im Nu "Eine Pariserin in New York" entsteht.

Dann die Dialoge. Mindestens einmal pro Folge setzen sich die Frauen an einen Tisch und kauen das Thema des Tages durch. Es geht ums Pupsen, Blasen, Onanieren, Kommen oder ums Nicht-Kommen. Vielleicht klingen die versauten Dinge deshalb so knackig-frisch, weil sie den Schauspielerinnen von den schwulen Drehbuchautoren in den Mund gelegt worden sind. Wen kümmert das denn? Hauptsache, die Botschaft kommt rüber: Frauen reden über alles und finden sogar hübsche Worte dafür.

Selber bringt man diese Schlagfertigkeit natürlich nicht zustande. Und doch spiegelt sich manchmal der blasse Alltag auch in dieser Hochglanz-Welt: Wer von uns war nicht schon zu einer Party eingeladen und musste die Schuhe im Flur ausziehen? Entwürdigend. Oder als Carrie den furchtbaren Russen liebte. Wer hat nicht auch eine Freundin mit einem unmöglichen Freund am Hals?

Zugegeben, das alles war vor vier Jahren. Sogar der eingefleischteste Fan hat jetzt Bammel, dass die besten Tage der Serie vorbei sind. Aber weit gefehlt. Nach einem vierstündigen Ritt durch alle sechs Staffeln steht fest: Schon beim Vorspann, wenn der erste Matschspritzer auf Carries rosa Tutu klatscht, sind eigener Kummer, Frust oder Wut fast vergessen. Die Wort-Schlachten haben in Zeiten, in denen es in Feuchtgebieten hoch hergeht, nichts von ihrer Spritzigkeit verloren und auch die Outfits haben kein Körnchen Staub abbekommen.

Nun also der Kinofilm. Schon wieder schimpfen die Kritiker. Es sei doch bloß eine Dauerwerbesendung. Sie haben sogar mitgezählt: Allein Carrie wechselt in den 135 Minuten 81-mal die Garderobe. 81-mal. Für die einen ist das 81-mal Werbung, für die anderen 81 Höhepunkte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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