Süddeutsche Zeitung

Das Duell: Schuhe aus im Haus:Pantoffelhelden wie wir

Unten pfui: Darf man Gäste nötigen, ihre Schuhe auszuziehen, nur weil der Flokati gerade frisch gereinigt ist ? Aber sicher darf man! Oder besser nicht? Ein Pro und Contra zur Zweitsohle.

Ulrike Bretz und Violetta Simon

Ulrike Bretz vertritt die Ansicht: My Home is my Castle. Und in meinem Reich läuft man barfuß. Wer hier rein will, muss die Treter abstreifen.

Schuhe müssen leider draußen bleiben. Nein, nicht leider. Das hat einen Grund. Und der heißt: Draußen ist draußen, und drinnen ist drinnen.

Draußen ist sozusagen die böse Welt. Dort stiefeln die Menschen durch den Dreck auf der Straße, von dem man gar nicht wissen will, woraus er überhaupt besteht. Irgendwas glibbert danieden doch immer. Das - wie gesagt - ist draußen. Und da soll es auch bleiben.

Drinnen ist anders. Und das ist gut so. Hier ist die Welt wohlig, sicher, sauber. Das muss sie auch bleiben. Denn wer nachts barfuß über einen Laminat-Flur läuft, will sich nicht die Straßenpartikel von den nackten Sohlen schrubben, bevor er wieder ins Bett darf.

Drinnen ist aber auch der Flokati.

Der ist frisch gereinigt (für 100 Euro!) und lässt sich wegen akuter Haarausfall-Probleme ohnehin kaum mit dem Staubsauger bearbeiten. Schlimm genug, dass beim Abendessen die Brotzeitbösel für alle Ewigkeit in den Tiefen seiner Flusen versinken. Aber die sind wenigstens Dreck mit höchstpersönlicher Note. Also kein Dreck.

Und deshalb sagt man jedem Besuch: "Würdet ihr bitte die Schuhe draußen ausziehen? Danke."

Gut, man outet sich damit als Spießer. Das muss man in Kauf nehmen. Denn wer seine saubere Wohnung sauber behalten will, der muss auch den Spott seiner Mitmenschen ertragen. Und tut es gerne. Denn hier geht es um Höheres als Coolness.

Denn viel cooler wäre es natürlich zu sagen: "Ja, Leute, bringt euren Füße-Dreck mit rein in die gute Stube und verteilt ihn ruhig über den Flokati. Das finden wir super. Das macht das hier drinnen ja so real und der Flokati ist mein "Already Dirty Made by You", eine Art Kunst also, meine soziale Skulptur aus euren urbanen Schritttritt-Mitbringseln!

Cool wäre das, aber wir sind hier nicht in einem Museum. Ich lebe hier. Und darum bestimme immer noch ich: "Die Treter bleiben draußen! Ist ja schon schlimm genug, dass ich euch alle in piefiig-miefigen Socken erleben muss. Und das auf meinem frisch gereinigten Flokati!"

Lesen Sie auf der nächsten Seite das Contra: Wie Gastgeber ihren Besuch zu Pantoffelhelden degradieren.

Violetta Simon findet: Flokatis, geöltes Parkett und Katzen sind der natürliche Feind des Schuhträgers. Und seine Feinde tritt man nicht mit nackten Füßen.

Das Kleid war mörderisch, dazu passten nur die fliederfarbenen Nylons. Und die Stiefel mit der silbernen Schnalle. Perfekt! Doch an der Tür des Gastgebers hätte ich am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht, solange ich noch über Absätze verfügte: Im Hausgang reihten sich Dutzende abgestreifter Schuhe aneinander.

Ein Sammelsurium trostloser Treter. Seit' an Seit' mit hochglänzenden Pumps und eleganten Stiefeln, nicht unter 279,99 Euro das Paar. Und alle seufzten stumm: "Wir dürfen nicht mit hinein. Wir und das ästhetische Grund-Empfinden unserer TrägerInnen müssen draußen bleiben." Und siehe, da sah man sogar ein Paar Herren-Timberlands weinen.

Und noch etwas erzählte die Parade der ausgesonderten Schuhe: Der Herr des Hauses ist ein Kontrollfreak, der seine Spießerphantasien an ahnungslosen Gästen auslebt.

Welcher Mensch tut so etwas: Einen Haufen Leute in seine Wohnung einladen, um sie zu Pantoffelhelden degradieren und zu demütigen! "Wanderer, kommst du nach Flokatihausen, verkünde den Deinen: Wir haben es nur barfuß geschafft."

In der Diele dann die ersten Opfer: oben betretene Mienen, unten Patsche-Füße in Hello-Kitty-Söckchen, die sich am liebsten unter den Flokati verkrümelt hätten. Bisschen bibbernd, bisschen verfroren, bisschen verschämt. Denn spätestens jetzt rächte sich die Unachtsamkeit bei der Zusammenstelllung all der löchrigen, quietschbunten, ausgebleichten Sockenensembles.

Mit anderen Worten: Auch die Partylaune hatte es nicht über die Türschwelle geschafft.

Marke Sauduft

Der Götzendienst am Ideal des antibakteriellen Haushaltes geht zuweilen sogar so weit, dass ein Haustierhalter mich als renitenten Schuhträger und gar "potentiellen Tiermörder" diffamierte!. Die Katze könne sich eine schlimme Seuche einfangen, so der Vorwurf. Der Stubentiger hatte zwar die offizielle Erlaubnis, Sofa und Tapeten zu atomisieren, massenweise Haarbüschel zu verteilen und nur übelriechendes Futter der Marke Sauduft zu vertilgen. Aber wehe, man kam mit Schuhen in die Wohnung!

Zugegeben, ich mochte das Vieh nicht. Doch ich schwöre, es ist an Altersschwäche, nicht an mir gestorben. Denn ich habe stets brav meine Treter ausgezogen und später hustend das komplette Winterfell von meinen Socken gezauselt, bevor ich endlich wieder in meine Schuhe durfte.

Wer also nur Barfußläufern Einlass gewährt, sollte sich eine Höhle für seine Eremitenambitionen suchen, sich aber definitiv keine ästhetisch empfindsamen Zeitgenossen einladen. Zumindest sollte er dafür sorgen, dass sein Besuch nicht schmutziger rausgeht als er reingekommen ist.

Was soll's - man redet hier doch gegen Flokatis!

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