Das Duell: Kochshows:Promi auf Servierplatte

Fernsehköche machen wirklich jedem Lust auf Kochen. Oder sind ihre Shows nur eine Servierplatte für ausrangierte Halbpromis? Ein Duell.

Tobias Dorfer und Violetta Simon

Tobias Dorfer findet Kochshows unterhaltsam und nützlich.

'Tim Mälzer kocht! Gipfeltreffen mit Alfred Biolek'

Tim Mälzer beim "Gipfeltreffen mit Alfred Biolek" - dass Biolek eigentlich kein TV-Koch, sondern Talkmaster ist, geriet längst in Vergessenheit.

(Foto: dpa)

Eines gleich vorweg: Meine Spaghetti Bolognese sind unübertroffen, mein Rührei ist weit über alle Grenzen bekannt und mein Fanta-Kuchen steht kurz davor, einen eigenen Fanclub bei Facebook zu bekommen. Ich bin wirklich kein schlechter Koch, aber ich kenne meine Grenzen. Mag es den Großmüttern dieser Nation noch so leicht fallen, ein Schweinefilet so zuzubereiten, dass es nicht unter die Kategorie Schuhsohle fällt - mir will das einfach nicht gelingen. Genauso ist es, wenn ich statt der Tiefkühlware einmal frischen Spinat kochen möchte: Der verdient dann das Prädikat "optisch ungenießbar".

Und wer hat, ganz nebenbei, eigentlich diese unsäglichen Fremdwörter in die Kochbücher geschrieben? Blanchieren, Dressieren (dabei geht es übrigens nicht um Pferde im Zirkus), Beizen, Montieren (kann man nicht nur mit Bücherregalen), Parüren, Bridieren, Tranchieren - durch diesen Dschungel helfen mir meine Freunde aus dem Fernsehen. Der Johann, der Alfons, der Horst, die Sarah. Sie sagen mir, wie ich Fleisch korrekt anbrate und dass Spinat nach dem Kochen im Eiswasser abgeschreckt werden muss, um seine Farbe zu behalten.

Seit die Kochshow ihren Siegeszug über die dritten Programme und den Privatsender Vox durch die gesamte Fernsehlandschaft angetreten hat, ist Kochen etwas geworden, was sich nun auch der größte Tölpel traut. Vor wenigen Tagen erst zeigte das ZDF, wie sich eine gewisse Alida Gundlach (Sie erinnern sich, das war die, die sich vor 16 Jahren als Moderatorin der NDR-Talkshow von Klaus Kinski beschimpfen lassen musste) an Kardamom-Baisers mit Himbeereis versuchte.

Zugegeben, das sah sehr drollig und auch ein wenig hilflos aus - aber fängt nicht jeder einmal klein an? Und wenn Alida Gundlach sagt: "Ich hab keine Ahnung, aber ich mach's", dann wünscht man sich solche Aussagen auch für jenen Teil der Bevölkerung, die ihre Kinder mittags mit Fertigpizza und Tütensuppe abfertigen. Andererseits: Hätten Sie sich an ein Geschnetzeltes vom Heilbutt mit Aprikosen, Chili und Gewürzreis getraut?

Kochshows machen Lust auf Kochen, mit Selbstgekochtem schindet jeder Eindruck (wie ließen sich die Waschkörbe von Liebensbriefen an Tim Mälzer sonst erklären?), Kochshows machen Mut zum Improvisieren. Keine Zucchini im Haus? Mit Auberginen schmeckts ebenso gut. Und der Loup de mer lässt sich spielend durch Seelachs und die Ananas durch Pfirsiche ersetzen. Diese Erkenntnis entschädigt sogar für die altklugen Kommentare eines Johann Lafer, die übertriebene Hemdsärmlichkeit eines Alfons Schuhbeck und die nervende Correctness einer Sarah Wiener.

Nur eine Vertreterin der kochlöffelschwingenden Branche ist derart unerträglich, dass die Zabaione sofort gerinnen müsste: Léa Linster, die mit einem gouvernantenhaften französisch klingenden Singsang einen blassen Jüngling derart altklug herumkommandiert, dass man schnell zum Telefonhörer greifen und das Kinderhilfswerk Unicef alarmieren möchte. (Sollten Sie diese Sendung nicht kennen, schauen Sie einmal ins Nachtprogramm von Eins Plus, dorthin ist "Leas Kochlust" aus guten Gründen verbannt worden.)

Doch selbst im Fall von Léa Linster bleibt das Auge, wenn auch fremdschämend, an der Mattscheibe haften - beim Dschungelcamp schaltet ja auch keiner weg. Und Leas Orangenkuchen bleibt dann doch im Gedächtnis.

Lauwarme Promis

Violetta Simon fühlt sich von Kochshows belästigt.

Es war einmal ein Junge aus Essex. Er hieß Jamie Oliver und half im Pub seines Vaters in der Küche. Mittlerweile ist der milchgesichtige Brite weltberühmt, zieht im Auftrag der gesunden Zwangsernährung durch britische Schulen und wurde dafür zum Member of the Order of the British Empire ernannt. Kurz gesagt: Der Mann hat ausgesorgt.

Was war passiert? Jamie war für das Fernsehen entdeckt worden. Mit seiner Kochsendung Naked Chef löste er einen Boom aus, der seinesgleichen suchte. Seither versuchen immer mehr Köche ihr Glück im TV. Leider auf Kosten des guten Geschmacks - und der Zuschauer.

Gekocht wird täglich, auf allen Kanälen, von allen, die ihr Gesicht in die Kamera und einen Löffel in den Topf halten können. Dabei gibt es nichts Öderes als Kochshows. Das haben selbst die Zuschauer erkannt, nur die Produzenten nicht. Die Quoten sinken, und zwar stetig - vermutlich auch deshalb, weil sich mittlerweile rund 25 Formate die Zuschauer teilen.

Kochshow, also wirklich. Schon allein die Bezeichnung ist irreführend. Show - das würde ja bedeutend, man würde unterhalten! Stattdessen quetschen sich Abend für Abend dieselben Gestalten - Tim Mälzer, Ralf Zacherl, Johann Lafer, Sarah Wiener oder Horst Lichter - hinter Studioküchenzeilen aneinander vorbei und schmeicheln sich gegenseitig in die Pfannen. In ihrer Mitte: der Herr der Töpfe, Alfons Schuhbeck, der offenbar dafür bezahlt wird, möglichst ermüdet und desinteressiert zu wirken.

Kann man ihm nicht einmal übelnehmen, dem Zuschauer geht es ja genauso - nur, dass er dafür kein Geld bekommt. Ebenso wenig, wie all die Millionen Frauen an deutschen Herden kein Geld dafür bekommen (außer, wenn sie Sarah Wiener heißen). Ist es vielleicht fair, dass ein Mann, sobald er den Kochlöffel schwingt, eine Haushaltstätigkeit zur Kunstform erhebt und sich ins Scheinwerferlicht drängt?

Aber zurück zum Thema. Allein die Titel der Sendungen: Schmeckt nicht gibt's nicht!, feldwebelt Tim Mälzer - und greift munter zur Ketchupflasche. Dann wären da noch sinnentleerte Alliterationen wie Lafer! Lichter! Lecker! Oder die Ankündigung Lanz kocht - was eher wie eine Drohung klingt. Wenn sich der Moderator die Schürze umbindet, wie Kerner es zuvor gemacht hat, frage ich mich: Warum kocht ein Moderator, während er spricht, warum spricht er beim Kochen? Soll das geschickte Zerteilen einer Tomate davon ablenken, dass er nichts zu sagen hat? Es gibt nur einen, der die Lizenz zum Lanzen ... äh ... Schaukochen hat: Alfred Biolek, der das Format des gepflegten Gesprächs erfunden hat, einzig und allein, um den prominenten Gast und seine Biographie in Szene zu setzen.

Heute werden dem Zuschauer bestenfalls noch lauwarme B-Promis untergemischt und als brandheiße Spezialität verkauft. Selbst die verschollene Alida Gundlach (Sie erinnern sich, das war die, die sich vor 16 Jahren als Moderatorin der NDR-Talkshow von Klaus Kinski beschimpfen lassen musste) bekam kürzlich eine Chance.

Doch was ist mit dem, worum es eigentlich geht - Kochen? Unwahrscheinlich, dass bei so viel Smalltalk die Rezepte Zugang zum Verbraucher finden. Wäre auch eher kontraproduktiv, schließlich wollen die Starköche mit den Sendungen nicht den Absatz ihrer Kochbücher schmälern.

Der bekannte New Yorker Koch Anthony Bourdain, der durch die Küchen der Welt reist und im Fernsehen über Essenskultur berichtet, hat das Phänomen Kochshow in einem Interview treffend beleuchtet: Solche Sendungen gebe es seiner Meinung nach nur, weil die Menschen zu wenig Sex hätten. Der Bestsellerautor ist überzeugt davon, dass Leute, die sich Kochshows im Fernsehen ansehen, meistens weder selbst kochen noch in guten Restaurants essen. "Es ist die neue Pornographie: Man sieht im Fernsehen, was man selbst nie tun würde."

Und weil das immer so sein wird, dürfen jene, die mit der Chips-Schüssel im Schoß vor den Bildschirm hocken, weiter mit den Fingern essen und von kulinarischen Höhepunkten träumen. Für die Fernsehköche heißt es: ab in die Maske und eine gepflegte Show abziehen - Prost Mahlzeit!

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