Süddeutsche Zeitung

Das Duell: Erstes Date:"Der Herr zahlt"

Soll sich eine Frau bei der ersten Verabredung von ihrem Begleiter einladen lassen? Natürlich nicht! Warum eigentlich nicht? Ein Pro und Contra.

Ulrike Bretz und Violetta Simon

Ulrike Bretz meint: Ein Mann, der beim ersten Treffen die Rechnung zahlt, will zeigen, wo's langgeht.

Der Abend fängt so wunderbar an. Mit dem Anruf des netten Menschen, den man zwei Wochen vorher beim Ausgehen kennengelernt hatte. Er schlägt eine Verabredung vor, ein erstes Date im Restaurant.

Man unterhält sich über gesellschaftliche Themen, spricht über die Arbeit, Freunde, lächelt sich an, sieht sich in die Augen. Und denkt sich, ja, das ist ein lockerer Typ, diesen Mann will ich haben. Die Mangocreme ist auch irgendwann leergelöffelt, da sagt der Herr auf einmal: "Die Rechnung, bitte". Die Geldbörsen werden rausgeholt. Der Kellner kommt. Und dann passiert es: Über die Lippen des netten jungen Mannes, der eigentlich ganz zeitgenössisch aussieht, kommt der eine kurze Satz: "Nee, Du, lass mal stecken." Er lächelt gönnerhaft.

Sagt eine männliche Begleitung diesen Satz beim allerersten Date, sollte man als erwachsene Frau ganz schnell die Handtasche packen. Denn diese Worte sind ein absolutes No-go - wie Schnurrbart, Goldkettchen und drei geöffnete Hemdknöpfe. Das strikte Nein zur Einladung basiert nicht auf feministischer Ignoranz - sondern auf dem, was Soziologen Korrespondenzanalyse nennen: Denn hinter diesem einen Satz versteckt sich einen ganzer Kosmos an Weltanschauung.

Die Attitüde, die dahintersteckt: Ich sorge für diese Frau, ich ernähre sie, denn sie hat es nötig. Sie braucht mich. Sie kann nicht ohne mich. Außerdem: Wer will schon eine selbständige Frau zur Freundin? Die brauchen wir nicht. Das haben wir noch nie so gemacht.

Ein Mann, der beim ersten Date das Portemonnaie zückt, will die Frau gegenüber auch irgendwann in einer Kirche sehen, im weißen Brautkleid. Er will sie aus den Armen des Brautvaters übernehmen - und von nun an der neue Versorger des hübschen, aber unselbständigen Kleinods sein. Dass diese Frau für den Nachwuchs, für den Herd und den Tapezierer sorgt und für immer im umzäunten Reihenendhäuschen bleibt, ist für ihn so selbstverständlich wie ein putziger frecher Kleinwagen, den er ihr eines Tages in einer altväterlich-jovialen Geste vor die Garage stellt.

Wer sich als Frau beim ersten Date einladen lässt, willigt in eine Verpflichtung ein. Auch wenn der Herr großzügig ist - eine gewisse Gegenleistung will er schon dafür haben. Eine nette Unterhaltung, Aufmerksamkeit, und vielleicht auch noch mehr. All diese Zuwendungen hätte er aber doch - bei gegenseitigem Gefallen - auch so haben können. Niemand will am nächsten Morgen neben einem halbfremden Menschen aufwachen und sich fragen, ob das jetzt die Gegenleistung gewesen sein soll.

Wer beim ersten Date ganz selbstverständlich jeweils die eigene Rechnung bezahlt, geht auf Nummer sicher. Wir hatten einen netten Abend, heißt das, und jetzt schauen wir mal, wie's weitergeht. Alles ist offen, keiner fühlt sich in die Enge gedrängt, niemand erwartet etwas.

Es kann dann aber auch schwerfallen, eine ausgesprochene Einladung abzulehnen. Lohnt sich der Mann, nimmt man die Einladung an - aber nur, wenn man gemeinsam beschließt, dass der anschließende Absacker auf die Rechnung des anderen geht. Lohnt er sich nicht, wird es dazu nicht mehr kommen - dann kann man aber auch getrost den Geldbeutel zücken und sagen: "Nee, Du, lass mal stecken."

Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite: Die Entscheidungsfreiheit der Frau kann nicht von einer Spesenrechnung abhängen.

Violetta Simon findet: Eine Frau, die denkt, sie könne sich freikaufen, bedient genau das Klischee, dem sie sich eigentlich entziehen wollte.

Das erste Date. Und irgendwie ist nicht mehr so richtig klar, wer wen dazu überredet hat. Sagen wir, es hat sich einfach ergeben. Wer also übernimmt die Rechnung? Instinktiv wissen beide, dass dieses Thema heikel ist. Die Anthropologin Helen Fisher hat dafür auch eine Erklärung: "Im gesamten Tierreich versorgen die Männchen das Weibchen mit Futter und erhalten im Gegenzug Sex". Was uns die Expertin damit sagen will: Wenn er bezahlt, sitzt sie in der Falle. Gleich wird er sie über die Schulter wuchten und abschleppen.

Anthropologen ziehen ja gern archaische Beispiele heran. Vernünftige Menschen aber haben erkannt, dass Männer ihre Weibchen nicht mehr in die nächste Höhle schleifen. Auf dem Weg dorthin sind sie über einen klitzekleinen Meilenstein gestolpert: die Emanzipation.

Zur Erinnerung: Das ist die Bezeichnung für die Befreiung der Frau aus Abhängigkeit und Unmündigkeit. Es war die Epoche, in der Frauen ihre BHs verbrannten und prinzipiell darauf bestanden, im Restaurant die Rechnung zu übernehmen, um zu zeigen, dass sie es sich leisten können. Sonst hätte es ja wieder keiner kapiert.

Nun, für die Damen unter uns, die es noch nicht mitbekommen haben: Ihr könnt das Portemonnaie wieder einstecken. Doch bevor Ihr Euch jetzt die Hände reibt und denkt: "Prima, wieder was gespart!" - der Begriff "Date" ist kein Synonym für Essensgutschein. Es ist nur so, dass inzwischen jeder weiß, dass Frauen nicht nur die hübscheren, sondern auch die besseren Männer sind. Eine Frau, die denkt, sie müsse diese Erkenntnis an einer Rechnung über Speisen und Getränke manifestieren, hat diese ohne den Mann gemacht. Und ihn darüber hinaus beleidigt.

Er hat längst kapiert, dass Brustgetrommel in Form von Ferrari, Fitness und Finanzhoheit nicht mehr gefragt sind. Und dass der Zahlungsbeleg über zwei Vitello Tonnato und eine Flasche Chianti kein Ticket für eine schnelle Nummer ist. Wenn nicht, hat er auf die Frage "Zu mir oder zu dir?" ohnehin nur eine Antwort verdient: "Ein Taxi, bitte!"

Eine Frau sollte ruhig bezahlen, wenn ihr danach ist. Aber Sie sollte nicht glauben, dass Sie erst damit frei von Verpflichtungen ist. Solange sie denkt, sie darf ein Date nur dann nach Hause schicken, wenn sie zuvor die Rechnung begleicht, bedient sie genau den Mechanismus, dem sie damit zu entkommen versucht.

Fazit: Wenn er es von sich aus vorschlägt, sollte sie sich nicht groß zieren und das nett gemeinte Angebot als solches verstehen. Im günstigsten Fall bietet die nächste Kneipe eine Möglichkeit für die Revanche. Hält sich die Sympathie in Grenzen, bleibt ihr immer noch die Taxirechnung. Die kann ja auch ganz schön ins Geld gehen.

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