Das Duell: Auswärts Frühstücken:Zwischen Müsli und Krabbensalat

Wenn es ein Synonym für Hölle gäbe, es lautete "Frühstückscafé". Oder ist es nur ein anderes Wort für Himmel? Ein Pro und Contra.

Violetta Simon und Anna-Lena-Roth

Wenn es ein Synonym für Hölle gäbe, es lautete "Frühstückscafé" - findet Violetta Simon.

Frühstück; Duell; Brunch;

Ohne Gedränge, ganz für sich in Ruhe frühstücken - einfach himmlisch.

(Foto: Foto: iStockphotos)

Frühstücken gehen bedeutet: Ein Schlag in die gähnend leere Magengrube. Dazu fremde Gesichter, stickige Luft und ein Geräuschpegel, der stetig steigt, weil der Barkeeper seinen Gästen Easy-Listening-Musik verordnet, während die Frühstücker mit geschwollener Halsader versuchen, das Gejaule zu überschreien.

Warum tun sich Menschen sowas an? Sie könnten ausschlafen, gemütlich im Pyjama an einem Brötchen knabbern, Zeitung lesen oder klassischer Musik lauschen, an den Kühlschrank gehen und sich holen, was sie brauchen - und wann sie es brauchen. Statt sich mit hungrig und müde in ein Sonntags-Outfit zu zwängen und ins Getümmel zu stürzen. Unter Menschen, denen man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Schon gar nicht im grellen Tageslicht.

Die Nacht im Nacken, im Mund den Hauch des Todes

Es hat gute Gründe, warum Raubtiere erst nach der Fütterung in die Manege dürfen - ist besser für die Stimmung. Leider konnte sich diese Weisheit im Großstadtdschungel nicht durchsetzen. Und so sitzen morgenmuffelige Wesen penetrant gut gelaunten Spaßmachern gegenüber, die durchzechte Nacht im Nacken und im Mund den Hauch des Todes. In den Augen Gier und Ungeduld, taxieren sie die Bedienung wie ein Rudel Löwen die Gazelle.

Darf der Gast dann endlich bestellen, soll er aus Gründen der Logistik alles aufzählen, was am Ende in seinem Magen landen soll: gemischte Wurst- und Käseplatten, deren minderwertige Qualität durch die Beigabe von Weintrauben, Salatblatt und Tomatenspalten kaschiert wird. Zuvor Müsli aus der Großpackung mit vorgeschnittenem Obst, das sich bereits bräunlich verfärbt. Dazwischen Rührei und Croissant. Zum Milchkaffe ein O-Saft, frisch gepresst (damals, vor zwei Stunden war er es zumindest), den der Kellner kurz mit dem Löffel umrührt, damit sich das träge Fruchtfleisch aufschwingt und mit dem wässrigen Rest vermischt.

Kein Zucker am Tisch, zu wenig Milch im Kaffee? Kein Problem, Bedienung kommt gleich! Nachdem sie die Bestellung an Tisch 4 aufgenommen, die quengeligen Gäste an Tisch 13 umgesetzt, den verschütteten Pfirsichsaft an Tisch 8 aufgewischt hat. Und dann, endlich, ... zu dumm, dass der Gast inzwischen nicht mehr weiß, was eigentlich gefehlt hat. Wenigstens könnte die Kellnerin abräumen. Wo ist die denn nur wieder?

Während 90 Prozent der Anwesenden davon überzeugt sind, dass die Bedienung "total unfähig" ist und ihre Gäste mutwillig ignoriert, bewegt diese sich stets am Limit, versucht, Wünsche zu erfüllen und dabei zu vermeiden, dass die Welle über ihr zusammenschlägt. Diese Gleichung kann nicht aufgehen. Ein Frühstück ist - anders als ein Mittag- oder Abendessen - aus unzähligen Komponenten zusammengesetzt. Deshalb hat ein geschäftstüchtiger Wirt Mitte der Achtziger den Brunch erfunden. Sollen sich die nervigen Gäste ihr Zeug doch selbst holen.

Brunch - der Vorhof zur Hölle

Wenn Frühstückscafés ein Synonym für Hölle sind, dann ist der Vorhof dazu ein Buffet, an dem sich Bananenquark neben Schweinebauch tummelt, Meeresfrüchtesalat neben Birchermüsli in halb ausgekratzen Schüsseln vor sich hindämmert. Dennoch konnte sich das Trend-Gelage zum Dauerbrenner etablieren. Im schlimmsten Fall hat sich der Brunch vom Diktat der Tageszeit befreit und lockt mit "All you can eat"-Angeboten - kollektives Vollstopfen gegen Pauschale, ungegessene Reste inklusive.

Und während der Neuankömmling noch selig Obst und Croissants auf seinen Teller hievt, schöpft der Nachbar bereits schwer atmend Chili con Carne in seine Schüssel. Es wird gedrängelt, getürmt, gehortet. Hier vereinen sich alle Nachteile eines Pauschalurlaubes zu einem einzigen Albtraum. Erst am Spätnachmittag kehrt Ruhe ein. Was bleibt, ist ein Schlachtfeld. Die unzähligen Reste landen im Müll. Oder auf der Abendkarte - die ersten Gäste sind schon da, pünktlich zur "Happy Hour".

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Ich liebe Frühstücken gehen!

Es gibt nichts Himmlischeres, als im Café zu frühstücken - findet Anna-Lena Roth.

Duell, Brunch, Frühstück, iStockphotos

Was man will, wann man will - himmlische Auswahl im Frühstückscafé.

(Foto: Foto: iStockphotos)

Frühstücken gehen bedeutet: Den Stress hinter sich und eine genussvolle Zeit vor sich zu haben. Das fängt schon im Vorfeld an: kein Geschiebe und Gedrängel durch den Supermarkt, in dem einem die notorischen Wochenend-Hamsterkäufer ihren Einkaufswagen in die Fersen rammen. Keine nervigen Überlegungen, was genau in 24 Stunden auf dem Teller liegen soll. Kein böses Erwachen, wenn man in der Küche steht, sich den Schlaf aus den Augen reibt und ernüchtert feststellt: Der klägliche Rest Milch reicht nicht einmal für den Kaffee, trotz Heißhunger auf Salami gibt's nur den Kochschinken der vergangenen Woche. Der Widerwille, sich an den Herd zu stellen, verdrängt die Lust auf Spiegeleier. Und wer hat morgens überhaupt schon Bock, den Tisch zu decken?

Hat man es dann erstmal an eben diesen geschafft, befeuern die Krümel auf dem Boden, der Wäscheberg im Badezimmer oder die Schlieren auf der Fensterscheibe das schlechte Gewissen. Vielleicht klingelt dann auch noch das Telefon oder die pubertierenden Nachbarskinder testen ihre neue Stereoanlage. Gemütlichkeit sieht anders aus.

Konzentration aufs Wesentliche

Man findet sie im Frühstückscafé, ohne nervige Vorbereitungen. Rein in die Klamotten, raus aus der Wohnung. Das kulinarische Himmelreich wartet. Hier geht es vor allem darum, Zeit genussvoll zu verbringen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: das Essen.

Egal, ob puristisch mit Brot und Marmelade oder dekadent mit Lachs und Kaviar: Jeder Geschmack wird bedient. Und nebenbei kann man immer wieder herumexperimentieren. Schon mal Eier im Glas probiert? Noch nie gewagt, diesen französischen Weichkäse mit dem unaussprechlichen Namen aus dem Regal zu holen? Hier ordert man ihn in kleinen Mengen - und erweitert so über kurz oder lang seinen Speiseplan.

Und mal ehrlich: Wer hat schon Zeit und Muße, zu Hause fünf verschiedenen Käse- und sechs unterschiedliche Wurstsorten dekorativ auf einer Platte zu drapieren - am besten noch mit kleinen Obst- und Gemüsescheibchen garniert? Eben! Für ein Frühstück im Café muss man für ein paar Stückchen nicht gleich die ganze Ananas oder die ganze Melone anschneiden - während der Rest die kommenden Tage im Kühlschrank vor sich hin gammelt.

Und wer bist du?

Hat die Bedienung das Wunsch-Essen auf den Tisch gestellt, muss man sich nur noch entspannt zurücklehnen und genießen. Der Duft von frisch aufgebackenen Croissants und sanfte Klänge á la Norah Jones zaubern auch dem größten Morgengrantler ein Lächeln aufs marmeladenverschmierte Gesicht.

Wo man in lauten, überfüllten Kneipen und Bars von angetrunkenen Pöblern mit Fortpflanzungsdrang angequatscht wird, entpuppt sich das Frühstückscafé als idealer Ort, um zwischen Latte Macchiato und Joghurtmüsli mit dem süßen Dunkelhaarigen vom Nebentisch ins Gespräch zu kommen. Oder der Frau mit dem netten Lächeln. Genauso richtig sind hier aber auch Pärchen, die ihre Ruhe haben wollen und die Einzelgänger, die ihr Frühstück am liebsten bei der Morgenzeitung genießen.

So verfliegen die Stunden. In Ruhe, mit Genuss. Ist der Magen voll, der Gaumen befriedigt, die Rechnung bezahlt, kann der aktive Teil des Tages beginnen. Die Zuhause-Frühstücker hingegen müssen erst den Tisch abräumen und das Geschirr spülen, bevor sie sich dann mühsam aus dem Schlafanzug quälen, nur um festzustellen, dass sie gerade von der post-kulinarischen Müdigkeitswelle erfasst wurden - und sich daraufhin gleich wieder im Bett verkriechen. Der Tag ist gelaufen.

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