Das Design des Protests:Prüder zur Sonne

Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke? Das gilt auch für den Widerstand. Es wird also Zeit, über ein neues Design für ein altes Protestbild nachzudenken.

Petra Steinberger

Es gab einmal eine Zeit, in den ansonsten unerreicht geschmacklosen achtziger Jahren, da trugen nicht wenige von uns stolz ihre politische Position auf der Brust. Man trug den Peace-Button, das weiße Ypsilon auf schwarzem Grund, und zwar ordnungsgemäß am ausgemusterten Bundeswehrparka. Das war Nato-Doppelbeschluss-Zeit, der böse Westen war ja an allem schuld.

Die Wilden trugen das hingekritzelte große Anarchisten-A. In Bayern wurde 1980 sogar - das gab richtig Aufregung in der Presse - eine Schülerin vom Gymnasium verbannt, weil sie den "Stoppt Strauß"-Button nicht abnehmen wollte, obwohl das Tragen in den Schulen streng verboten war. So war das damals, wenn man im Widerstand war. Oder besser: Wenn man glaubte, im Widerstand zu sein.

Einen Button gab es, der den politischen Protest mit Wirtschaftskritik und dem proto-ökologischen Nachhaltigkeitsgedanken vereinte. Ziemlich vorausschauend war das. Der Button war gelb, er trug eine lachende rote Sonne, um die herum sich ein Schriftzug kringelte: "Atomkraft? Nein danke". 1975 hatte ihn eine Bürgerinitiative gegen Kernkraft im dänischen Aarhus entwickelt, im Original hieß er "Atomkraft? Nej tack".

Das ist 35 Jahre her.

Und richtig alt.

Jetzt stehen wir wieder auf der Straße, wie im Film "Und täglich grüßt das Murmeltier". Wir haben die alten Nein-danke-Plakate aus dem Keller geholt - und stehen nun vor einem Dutzend deutscher Atomkraftwerke, die sich einfach nicht ausschalten lassen wollen. Aber wie schaut denn das aus? Nur weil die Politik einen Salto rückwärts gemacht hat, müssen wir das nicht auch tun. Wir wollen einen neuen Look. Laufzeitverlängerung für die alten Chiffren und Logos lehnen wir ab. Also haben wir den großen deutschen Gestalter und Typographen Erik Spiekermann gefragt, ob ihm ein paar zeitgemäße Versionen zum alten Klassiker einfallen.

Vier Varianten hat er uns geschickt (siehe die Bildergalerie oben) und dazu auch seine Thesen. Spiekermann ist sehr behutsam vorgegangen, denn das Logo, das die beiden (damals 21 Jahre alten) Dänen Anne Lund und Søren Lisberg entwickelten, hat aus gutem Grund so lange überlebt. Die Farben sind klar und leuchtend, das Symbol ist einfach, aber eindeutig, auch wenn die Schrift irgendwie an antiautoritäre Kindergärten erinnert und an - das gab es wirklich einmal - echte Abenteuerspielplätze mit echten Nägeln, alten Brettern und gefährlich wackeligen Turmbauten. Die Botschaft selbst ist zeitlos und konzeptionell bis heute relevant: Sie propagiert - nein, danke - eine höfliche Gewaltlosigkeit.

Die lachende Sonne gehört vermutlich zu den am weitesten verbreiteten Logos der Welt. Sie spielt in einer Liga mit der Coca-Cola-Schleifschrift, der Shell-Muschel oder dem Nike-Swoosh. Der Atomprotest wurde in 45 Sprachen übersetzt, erst 2007 kam eine slowenische Version dazu. Bis heute ist das Logo offiziell 20 bis 30 Millionen mal reproduziert und sogar als Trademark registriert worden - auch, um es gegen Missbrauch zu schützen.

Heutige Demonstranten sind konservativer

Ob sich die neuen/alten Demonstranten an Erik Spiekermanns Vorschläge gewöhnen könnten, ist allerdings eine ganz andere Sache. Heutige Demonstranten stehen zwar in der Mitte der Gesellschaft, was aber auch heißt, dass sie in gewisser Weise konservativer geworden sind. Und es gibt neue Protesttechniken und -möglichkeiten - bei einer Demo neulich projizierten Greenpeace-Aktivisten sogar wechselnde Slogans an die Kühltürme des Reaktors Gundremmingen. Da musste man nicht einmal mehr über den Zaun klettern. Der Projektor war allerdings - ein letztes, dezentes Zugeständnis an alte Zeiten - auf einem VW-Bus installiert.

Trotz der lachenden Sonne ist die politische und gesellschaftliche Diskussion um die Nutzung der Atomkraft immer ernst geblieben. Wofür es ja auch sehr gute Gründe gibt. Natürlich hat das jüngst ein paar junge Designer nicht davon abgehalten, die schrecklichste aller Metaphern für die blinde Technikgläubigkeit sowie für wissenschaftliche und technische Hybris modisch zu verarbeiten. Im letzten Herbst setzte ein britischer Modedesigner das Bild einer atomaren Pilzwolke auf seine T-Shirts. Und die amerikanische Designerin Erin Fetherston hat ebenfalls eine Art The-Day-after-Kollektion herausgebracht. In Form von Rüschenbesatz wird der apokalyptische Pilz dreidimensional nachempfunden: das Kleid zum Untergang.

Wir wollen einmal unterstellen, dass dies ironische Kommentare auf den "Atomic Chic" sind, der in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts seine kurze Blüte erlebte. Damals glaubte man noch fest daran, dass die neuen Nukleartechnologien die Welt zu einem besseren Ort machen könnten. Weder von Three Mile Island noch von Tschernobyl hatte man je etwas gehört. Ein amerikanisches Magazin schrieb damals: "Internationale Grenzen, Geld, wie wir es heute kennen, und Armut werden von der Erde verschwinden. Auch der Krieg selbst: denn die wirtschaftlichen Grundlagen für den Krieg werden nicht mehr existieren." Das sollte man unbedingt mal Nordkorea und Iran vorlesen.

Die Zeiten sind wieder ernst. So wie die Entwürfe von Erik Spiekermann. Seine erste Version, die aktuelle Interpretation der lachenden Sonne, ist noch am nächsten dran an der alten Botschaft. Sie ist ebenso höflich und signalisiert Dialogbereitschaft. Aber in den folgenden Entwürfen ist Schluss mit dem Angebot zur Kommunikation. Redet ihr nicht mit uns, mauschelt ihr eure Deals mit der Atomwirtschaft, nehmt ihr unser Anliegen und eure eigenen Versprechen nicht mehr ernst, lautet nun die Botschaft, dann reden wir auch nicht mehr mit euch. Wir stellen Forderungen. Wir wollen keine Atomkraftwerke. Wir wissen, wie gefährlich das Atom ist, wir wissen dafür nicht, wo es wie gelagert werden soll.

Der rote Querbalken der folgenden Versionen ist das internationale Zeichen für ein Verbot, für: Nein. Es reicht. Es gibt keine höfliche, fröhliche Sonne mehr. Kein Danke. Denn die Anti-Atomkraftbewegung mag heute zwar mitten in der Gesellschaft angekommen sein, aber ihre Aussage ist - so wie die neuen Logos - nun hart geworden und kompromisslos.

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