Cristiano Ronaldo:Mamas Schönster

Sehnsüchtig erwartet Madrid den teuersten Star der Welt. Dass Cristiano Ronaldo eigentlich Fußballer ist, spielt längst eine Nebenrolle.

Javier Cáceres

Vor ein paar Tagen griff Cristiano Ronaldo zum Handy und wählte eine Nummer in Spanien. Es meldete sich ein maßgeblicher Funktionär seines neuen Arbeitgebers Real Madrid. Und der sorgte offenbar gleich dafür, dass die Geschichte von Ronaldos Reue-Telefonat in Spaniens Hauptstadt schnell die Runde machte. Sehr schnell.

Cristiano Ronaldo

Globaler Werbestar im ständigen Flirt mit der Kamera: Cristiano Ronaldo. Der Fußball verliert für sein Image immer mehr an Bedeutung.

(Foto: Foto: Getty Images)

"Es tut mir leid", soll Cristiano gesagt und keinen Zweifel daran gelassen haben, dass er wirklich peinlich berührt sei. Mitte Juni hatte er sich in einer Bar namens "My House" in Hollywood mit der blonden Hotelerbin Paris Hilton in einer dunklen Sitzecke amüsiert und war dabei fotografiert worden; die Medien, die die Fotos kauften, pixelten Hiltons Intimbereich unterm kurzen schwarzen Kleid mal mehr, mal weniger akkurat. Nicht nur die Fotos gingen um die Welt, sondern auch die Rechnung: Champagner à 800 Dollar die Flasche sei geflossen, die Zeche habe sich jenseits der 20.000 Dollar bewegt.

Ein gigantisches Kommunikationsdesaster: Denn publik wurde die Nacht mit Paris just zu dem Zeitpunkt, da sein Wechsel zu Real Madrid perfekt wurde - und sich Regierungschefs und Sportfunktionäre, Kommunisten und Kolumnisten, Kardinäle und Funktionäre in Sachen Ronaldo das Maul über Fragen der Moral zerrissen. Weil Ronaldo, 24, gerade zum teuersten Menschen der Welt geworden war.

57 Mal in Gold aufgewogen

94 Millionen Euro, mehr als je zuvor für einen Athleten bezahlt worden ist, hat Real Madrid an Manchester United allein als Ablöse überwiesen. Nicht in Raten, sondern in einer Summe. Hätte Real Madrid in Gold gezahlt, wäre Ronaldos 57-faches Körpergewicht fällig gewesen. 4278 Goldbarren. Doch angesichts der dramatischen Wirtschaftskrise werden noch andere Vergleiche herangezogen, andere Rechnungen aufgemacht: 94 Millionen Euro, so errechnete es die Zeitung La Vanguardia, entspreche dem jährlichen Mindestlohn von 10726 Personen. Oder dem Bau von 900 Sozialwohnungen für Großfamilien. Hinzu käme ein Jahresgehalt von 13 Millionen und jährliche Werbeeinnahmen von mindestens zehn Millionen Euro.

Der Mann, der für die meisten der Zahlen verantwortlich zeichnet, heißt Florentino Pérez, ist milliardenschwerer Bauunternehmer, Real-Madrid-Präsident und hält derartige Kalkulationen für demagogisches Gewäsch. Doch Sorgen darüber, dass Ronaldo sich ernsthaft von Debatten über Ethik und Anstand berühren lassen könnte, dürfte er sich kaum machen. Er weiß: Ronaldo zeigt nur zu gern, dass er es geschafft hat; für den Star dürfte es schon jetzt erregend sein, dass er am Montag das Real-Stadion mit 80.000 Fans füllen wird, obschon er nicht mal gegen einen Ball treten wird, sondern bloß vorgestellt werden soll. Bei der größten Präsentation in Spaniens Fußballgeschichte. Ronaldo genießt Auftritte auf großer Bühne. Und er liebt Statussymbole, hat eine eigene Modemarke (CR7). Und er zeigt gern die Sammlerstücke von Bugatti, Bentley, Mercedes und Porsche vor, die in der Giga-Garage seines Sechs-Millionen-Euro-Anwesens in England standen. Unter anderen.

Einen Ferrari F99GTb fuhr er im Januar zu Schrott, ein anderer erwartete ihn nach seiner Rückkehr aus Los Angeles in Lissabon auf der Rollbahn, als er aus dem Privatjet stieg. All das ist mehr, als er sich damals in Funchal, der Hauptstadt der Atlantik-Insel Madeira, je hatte erträumen können. Denn geboren wurde Ronaldo als Jüngster von vier Kindern in Verhältnissen, in denen viele nur zwischen den Wegscheiden Drogen, Kriminalität oder ewige Armut wählen dürfen. Oder in denen sich die soziale Leiter über den Fußball erklimmen lässt. Seinem Bruder Hugo musste Ronaldo eine Entziehungskur zahlen. Er war dem Heroin verfallen.

Die Mutter, María Dolores, putzte und kochte bei fremden Leuten und in Lokalen; der Vater, Dinis, ist bei einem Klub namens Andoirinha mal Platzwart, mal Trainer. Die größten Erfolge Ronaldos, den er nach dem früheren US-Präsidenten Ronald Reagan benannte, erlebte der Vater nicht mehr: Mit 52 hatte der Fusel Dinis' Leber so zerfressen, dass er 2005 an den Folgen einer Zirrhose starb. Vom Tod seines Vaters erfährt Ronaldo in Moskau am Vorabend eines Qualifikationsspiels zur WM 2006, das er trotz allem bestritt.

Das Erbe der Beckhams

Zu groß waren die Hoffnungen des Landes, wo alle Fans seinen Werdegang herbeten können wie die Stationen des Kreuzwegs: den Wechsel von Andoirinha zu Nacional Funchal für ein paar Trikotsätze, als er zehn war; den Wechsel von Nacional in die portugiesische Hauptstadt zu Sporting Lissabon mit elf. Cristiano Ronaldo reist allein, lebt im Internat, ist einsam, wird wegen seines Provinz-Dialekts verspottet, weint, beißt sich durch, feiert mit 17 sein Debüt in der ersten Mannschaft. 2003 dann holt ihn Alex Ferguson, ein knorriger schottischer Trainer, zu Manchester United. Und formt Ronaldo dort nicht nur zum womöglich weltbesten Spieler. Sondern zum neuen Glamourboy des Fußballs. Zum medialen Erben des David Beckham, dessen Rückennummer 7 Ronaldo bei Manchester tragen durfte.

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Cristiano Ronaldo ist wie Beckham

Wie bei Beckham überstrahlt Ronaldos mediale Bedeutung allmählich das bloße Schaffen auf dem Rasen. Beide sind globale Werbestars, aufs Image erpicht, Pop-, Girlie- und Schwulenikonen, eitel, pfauenhaft, im ständigen Flirt mit der Kamera. Nur eine Victoria, die ihm alberne Kostüme aufdrängt, hat Ronaldo noch nicht. Er belässt es bei sportlicher Kleidung, auffälligem Schmuck, großen Brillen.

Seine Sitzungen vor dem Kabinenspiegel sind legendär. Bei der WM 2006 nahmen Beobachter verwundert zur Kenntnis, dass er sich auf der Videoleinwand gern die Wiederholungen seiner Dribblings anschaute - während das Spiel noch lief. In den Urlaub nahm er den Physiotherapeuten von Portugals Nationalelf mit, auf dass er ihn am Pool walke - seht her, ich pflege mich, war das Signal an seine Fans nach dem Hilton-Desaster. Auf eine Auslandsreise von Manchester United nahm er einen Koffer mit, der so überdimensional war, dass er es nicht durch die Abfertigung schaffte. "Sonst passen nicht alle Kosmetika rein", höhnte Mitspieler Edwin van der Sar. Vor allem ist Cristiano Ronaldo wohl der erste Fußballer, der sich offen über seine stets gepflegte Bräune und die prospektreife Bauchmuskulatur definiert. "Meine Lieblingsbeschäftigung? Sit-ups", hat er mal gesagt.

Die Pose des Latino-Sexsymbols gefällt ihm, er kostet sie aus. Und dass er nicht jungfräulich in die Ehe gehen wird, wenn er "vielleicht in zehn Jahren mal" heiraten sollte, darf als gesichert gelten. Etwa 30 Frauen aus zahlreichen Ländern geben vor, Ronaldo durch mehr oder weniger kurze Lebensabschnitte begleitet zu haben, darunter Bollywood-Star Bipasha Basu und zuletzt die redselige Mallorquinerin Nereida Gallardo. Sie will acht Monate lang mit ihm zusammen gewesen sein. Eine Pendelbeziehung zwischen Palma und Manchester. Seit Ronaldo bei Real Madrid angeheuert hat, erfährt man in Spanien wieder mehr von ihr. Zum Beispiel, dass eine Tätowierung zu ihrem ausrasierten Intimbereich führt, weil sie sich für die Zeitschrift Interviú auszog. Und dass Ronaldos Leben kein großer Thriller zu sein scheint: "Essen, schlafen, Siesta, Pool, dann spielten wir Playstation."

Ronaldo? Es ist genug für alle da!

Für die per SMS vollzogene Trennung macht seine Exfreundin die von Ronaldo vergötterte und reich beschenkte Mama verantwortlich. Nachts sei man nie ausgegangen. Dass das so bleiben wird, darf bezweifelt werden. Manchesters exzellente Musikszene war eben nicht so seine Sache, Ronaldo sagt, er hört lieber, "was so im Radio läuft". In Madrid könnte sich sein Ausgehverhalten ändern: Die Top-Discos bringen gerade ihre Vip-Bereiche auf Vordermann. Mit den Hufen scharrenden Groupies riet Gallardo in einer TV-Sendung zweideutig zu Geduld: "Keine Angst. Es ist genug für alle da."

Auch angesichts solcher Geschichten fürchtet Real sich "vor dem ganzen Drumherum", das der Spieler mitbringt. Die spanischen Paparazzi hingegen frohlocken - zumal das jüngste Gerücht besagt, dass Ronaldo mitten in der Stadt nach einem 500-Quadratmeter-Penthouse mit Pool sucht. Und sich nicht wie die Kollegen in einem Nobelvorort abschotten will.

Bei Real ist man schon länger alarmiert. Zumal er sich gerade erst mit angeblichen Paparazzi anlegte. In Portugal trat er eine Autoscheibe ein, weil er sich verfolgt fühlte. "Der Klub wird Ronaldo genügend Schutz gewähren, damit er in Ruhe arbeiten kann. Wenn er sich belästigt fühlt, werden wir ihm zusätzliche Leibwächter zur Seite stellen", warnte Reals Generaldirektor Jorge Valdano. Der portugiesische Ex-Profi Paulo Futre, früher bei Atlético Madrid unter Vertrag, riet: "Er sollte sich in Madrid eine feste Freundin zulegen", das verleihe Stabilität. Er muss sie ja nicht gleich heiraten.

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