Der Anwalt kam im Kapuzenpullover in den Gerichtssaal, ohne Robe. Und nicht nur modisch ließ er sich vom Staat wenig sagen. Auch sonst vertrat er sehr eigentümliche Sichtweisen. Gleich zu Beginn klappte er seinen Laptop auf – und begann zu dozieren: Das Coronavirus sei überhaupt nicht so gefährlich, wie alle behaupten würden. Dazu zeigte er auf eine bunte Grafik auf seinem Bildschirm, man sah blaue, orangefarbene und graue Linien. „Akute ernsthafte Atemwegserkrankungen“, so erklärte der Anwalt, seien in der vermeintlichen Pandemie überhaupt nicht übermäßig angestiegen!
Der Richter sah ihn an. Und atmete durch. Solche Szenen gab es damals oft. In der Hochphase der Pandemie 2021, als die Nerven im Land sehr gereizt waren, selbst wegen vergleichsweise kleiner Grundrechtseingriffe wie der Maskenpflicht in Bussen, wurde viel gestritten. Auch vor den Gerichten, die dazu verpflichtet sind, jedem Menschen Gehör zu schenken, der sich ungerecht behandelt fühlt. Der Richter, vor dem dieser Anwalt, Friedemann Däblitz, mit seinem Laptop stand, schüttelte bloß den Kopf. „Irgendwelche Linien, die jemand gemalt hat. Das kann ich gar nicht nachprüfen.“ Und jetzt, bitte schön, möge sich der Herr Rechtsanwalt setzen.
In der Pandemie wurden die Gerichte geradezu bestürmt. Im Streit ging es oft um scheinbare Kleinigkeiten. Maskenverstöße. 50 Euro Geldbuße nach dem Infektionsschutzgesetz, solche Dinge. Aber Rechtsanwalt Däblitz warb auf seiner Website mit dem Satz: „Wenn es Ihnen ums Prinzip geht, sind Sie bei mir richtig.“ Und entsprechend trat er vor Gericht auf. Alles war „verfassungswidrig“ und skandalös. Er trat damals ständig vor dem Amtsgericht auf. Es waren lauter kurze Prozesse. Einen Freispruch erreichte er nie, bloß ein paar Mal eine Einstellung des Verfahrens, die aber trotzdem für seine Mandanten teuer blieb. *
Wirklich bemerkenswert war aber, wie ruhig die Richter immer wieder blieben. Für den Anwalt, der hier bloß das Geld seiner Mandanten verpulverte, hatten sie wenig übrig. Für die Bürger, die seine Mandanten waren und oft ehrlich verwirrt und bedrückt zu sein schienen, hatten sie aber oft viel Geduld. „Es gibt ein Risiko, dass man sich ansteckt, es erwischt Leute, alte Leute“, so erklärte ein Richter zum Beispiel einem jungen Gartenbauer, der von Rechtsanwalt Däblitz vertreten wurde. „Wenn wir das Risiko minimieren können, indem wir eine Maske tragen, dann ist das ein ganz kleiner Eingriff. Das kann ich sagen, weil ich die Maske auch den ganzen Tag trage.“
Der Gartenbauer schien froh zu sein, dass ihm jemand zuhörte. Er hob die Hand wie ein Schüler, bevor er antwortete. „Sie haben gesagt, dass wir durch Masken das Risiko minimieren sollen. Aber dieser Gedankengang … das nimmt ja kein Ende.“ Der Richter antwortete noch einmal. Es war ein Gespräch, ein paar Minuten lang. Die Beschwerde des Gartenbauers wurde schließlich abgewiesen. Er verlor den Prozess. Gut für ihn und seinen Glauben in den Rechtsstaat war es, glaube ich, trotzdem.
* Anmerkung der Redaktion: Die Ursprungsfassung dieses Beitrags wurde hier aus rechtlichen Gründen geändert.
