La Boum:Bonjour le Covid

La Boum: undefined
(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin liegt im Bett mit einem Schädel aus Blei - und gewinnt dadurch eine ganze neue Perspektive.

Von Nadia Pantel

Zu den vielen Dingen, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, zählt auch diese Kolumne. Dieses Mal soll es darum gehen, das Phänomen Corona multiperspektivisch auszuleuchten. Ich glaube, das Wort multiperspektivisch darf man verwenden, wenn man ganzheitlich arbeitet.

Also. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate habe ich Ihnen davon erzählt, wie es war, jeden Abend um 18 Uhr zu Hause sein zu müssen. Ich kann es im Rückblick selbst kaum glauben, aber diese Anti-Covid-Regel galt acht Monate lang. Gut, es gab sogenannte Lockerungen, im Mai blieben wir bis 19 Uhr draußen, im Juni hieß es dann 23 Uhr. Ich kann den medizinischen Sinn der Maßnahme nicht gut bewerten (mein Hirn ist bisschen schlapp, dazu kommen wir später), ich kann Ihnen nur sagen, dass es wie ein riesiges Vereinzelungsexperiment war. Freunde? Welche Freunde? Jaja, Vereinzelung war ja auch die Idee, ich weiß. Also gut, hat funktioniert: Wir waren irgendwann doch recht einsam.

Dann habe ich Ihnen davon berichtet, wie ich den dritten Lockdown, den vom Frühjahr 2021, auf dem Land verbracht habe, und wie meine Freunde uns als verkommene Bourgeois beschimpft haben, weil wir die Stadt verließen, wie die Adligen zur Zeit der Pariser Commune. Aber es war halt gerade gar keine Revolution, deshalb kamen unsere Freunde dann auch mit.

Vier Tage lang dachte ich, mein Immunsystem wäre aus Stahl. Dann bekam ich einen Schädel aus Blei

Sie erinnern sich vielleicht auch, wie ich mal meinen Nachbarn in der Corona-Testschlange getroffen habe und wie mein Leben so langweilig geworden war, dass sich diese Begegnung vorm Testlabor anfühlte wie ein Kneipenabend. Einfach so mal Menschen treffen. Verrückt!

Eine entscheidende Perspektive, die mir bislang noch fehlte, ist die einer Corona-Infektion. Ich glaube seit zwei Jahren im Durchschnitt jede Woche einmal, dass ich Covid habe. Mein Freund hingegen hat bisher nur einmal gesagt: "Ich glaub, ich hab Covid." Dann hat er einen Test gemacht und da waren dann zwei Striche. Das war vergangene Woche. Vier Tage lang dachte ich, mein Immunsystem wäre aus Stahl.

Dann bekam ich einen Schädel aus Blei. Ich habe Covid und gleichzeitig irgendwie den pandemischen Zustand verpasst. In Spanien hat Covid inzwischen den gleichen Status wie die Grippe. Eine Rückstufung so wie Pluto, der irgendwann kein Planet mehr war. Ich habe das meinen Kopfschmerzen mitgeteilt, es hat sie nicht beeindruckt. Es wäre nun gut, wenn mein Schlafzimmerfenster auf einen Wochenmarkt hinausginge, dann könnte ich mit dem Feldstecher ein wenig Wahlkampf beobachten. Ich sehe aber nur Häuser und ab und an eine Meise, die sich beschwert, dass ich kein neues Vogelfutter auf den Balkon gestellt habe. Pausen zwischen den Mahlzeiten gehören zur ganzheitlichen Erfahrung der Nahrungsaufnahme, erkläre ich den Meisen dann. "Auf dein Multiperspektivzeug können wir verzichten", schimpfen die Meisen. Ich werfe Ibuprofen ein und denke, ja, ich auch.

Zur SZ-Startseite

La Boum
:Lauter Exzentriker

Unsere Kolumnistin fragt sich, warum die französische Präsidentschaftskandidatin Valérie Pécresse von einem Fettnäpfchen ins andere tritt. Dabei fällt ihr ein früherer gefürchteter Chef ein.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: