Baby-Boom durch Pandemie:Kinder der Krise

Coronavirus - Indonesien

In Indonesien, einem der bevölkerungsreichsten Länder der Welt, wird durch die Corona-Pandemie die Zahl der ungewollten Schwangerschaften ansteigen.

(Foto: Zikri Maulana/dpa)

Weil Paare schwerer an Verhütungsmittel kommen, wird die Anzahl ungewollter Schwangerschaften weltweit ansteigen. In Indonesien sind schon jetzt die Auswirkungen zu erahnen.

Von Arne Perras, Singapur

Auch was die Familienplanung betrifft, scheint die Coronakrise Auswirkungen zu haben - zumindest in Ländern, in denen man nicht so leicht an Verhütungsmittel gelangt oder es mühsam ist, sich als Paar beraten zu lassen. Aus Indonesien kommen nun erste Hinweise, dass die Pandemie zu einem deutlichen Anstieg ungewollter Schwangerschaften führen könnte.

Hasto Wardoyo, Leiter der Behörde für Familienplanung, gab dort bekannt, dass die Zahl der Indonesier und Indonesierinnen, die sich staatlich beraten lassen und frei ausgegebene Verhütungsmittel einsetzen, im Monat März um zehn Prozent gesunken sei. Der Gesundheitsexperte berief sich auf Daten aus 34 Provinzen und rechnet mit einem Zuwachs von 420 000 Schwangerschaften in einem Zeitraum von drei Monaten, wie die Zeitung Kompas berichtete.

Das sind keine exakten Berechnungen, sondern lediglich Schätzungen, doch sie decken sich mit einem mutmaßlichen Trend, der auch die Vereinten Nationen sehr besorgt. Denn Bevölkerungsexperten erwarten inzwischen, dass die Coronakrise weltweit 47 Millionen Frauen die Möglichkeit zur Verhütung nehmen wird und deswegen mit sieben Millionen zusätzlicher ungewollter Schwangerschaften gerechnet werden muss.

Für viele Paare ist es durch die Ausgangssperren nun viel schwieriger geworden, an Pille, Kondome oder andere Mittel zu gelangen. Die Direktorin des UN-Bevölkerungsfonds Natalia Kanem warnt vor den "katastrophalen Folgen, die Covid-19 bald für Frauen und Mädchen haben kann."

Schon vor Covid-19 war jede zweite Schwangerschaft in Indien ungewollt

Indonesiens Agentur für Familienplanung BKKBN spielt seit den 70er-Jahren eine bedeutende Rolle, sie gibt freie Verhütungsmittel für ärmere Familien auf allen Inseln aus. Jetzt aber erreicht sie Millionen Indonesier und Indonesierinnen kaum noch. Viele Kliniken sind wegen der Corona-Krise geschlossen, andere haben ihr Personal stark reduziert. Und dort, wo Helfer noch für eine Beratung zur Familienplanung ansprechbar wären, wagen sich diejenigen, die sie bräuchten, nicht mehr aus dem Haus - aus Angst vor Covid-19.

Ungewollte Schwangerschaften treffen Familien der unteren Schichten besonders hart. Deren Kinder kämpfen häufig ohehin schon mit Mangelerkrankungen, weil Geld für eine gute Ernährung fehlt. Der psychische Stress, vor allem für Mütter in armen Haushalten, werde mit jeder weiteren Schwangerschaft steigen, warnt der Indonesier Wardoyo.

Ähnliche Befürchtungen beschäftigen auch Experten in anderen asiatischen Staaten. Nandita Saikia lehrt Bevölkerungswissenschaften an der Universität in Delhi und sieht die Gefahr eines ungewollten Babybooms vor allem in den ländlichen Gebieten Indiens, falls der Lockdown länger anhält und der Staat seine Programme für Familienplanung jetzt nicht massiv ausweitet.

Schon vor Covid-19 war jede zweite Schwangerschaft auf dem Subkontinent ungewollt. So kommt es häufig zu unsicheren Abtreibungen, Frauen sind gewaltigen Risiken ausgesetzt. Und wenn sie ihre Kinder doch bekommen, haben diese denkbar schlechte Voraussetzungen, sich gesund und in Würde zu entwickeln.

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