Comeback von David Hasselhoff:Light Rider

Mit seiner Tour will David Hasselhoff Deutschland "zurückerobern" - sein Weg führt ihn auch in ein tschechisches Kasino. Was ist noch drin für einen, der so viel höher flog als andere, aber auch so viel tiefer fiel?

Cornelius Pollmer

Es ist drei Uhr in der Nacht, als Brigitte Bardot singend aus Zimmer 302 des Casino Royal in Česká Kubice, Tschechien, schwebt. Eigentlich wollte sie noch eine Zigarette rauchen und am Trommelmagazin ihrer Maschinenpistole herumspielen, aber dafür hat David Hasselhoff jetzt keinen Nerv, und auf seinen Namen ist der Raum schließlich gebucht. Sein musikalischer Leiter Marcus trägt das Laptop also hinaus auf den Flur, und dort findet das Youtube-Filmchen ein Ende.

David Hasselhoff startet Deutschland-Tournee in Frankfurt

Zurück ans Licht, nur einmal noch: David Hasselhoff, 58, beim Auftakt seiner Deutschlandtour am Freitag in der Ballsporthalle Frankfurt.

(Foto: dapd)

Marcus kann noch nicht schlafen, deswegen wollte er seinem Kumpel David das Video mit Bardot und der Maschinenpistole zeigen. Doch Hasselhoff möchte telefonieren. Im Gegensatz zur Bardot ist er ja wirklich hier, in Česká Kubice. Draußen donnern schon wieder die Lastwagen über die Fernverkehrsstraße 26 in Horní Folmava, vorbei an den grünen LED-Palmen vor dem Casino, durch den Kreisverkehr, und dann hoch zur Agip-Tankstelle.

"I have to win back Germany"

Drinnen läuft David Hasselhoff mitten in der Nacht in seinem Zimmer auf und ab, er spricht jetzt mit Amerika, irgendwann bleibt er kurz stehen, und gießt seinen großen Wunsch in einen kurzen Satz: "I have to win back Germany", "Ich muss Deutschland zurückgewinnen."

Die Frage ist, ob dieses Leben ihn noch einmal gewinnen lässt. Was ist jetzt drin für einen, der so viel höher flog als anderen, aber auch so viel tiefer fiel?

David Hasselhoff, 58, stand im Guinness-Buch als der meistgesehene Schauspieler der Fernsehgeschichte, allein Baywatch hatte eine Milliarde Zuschauer. Er spielte die perfekten Helden, Ritter des Guten, die nur eine Rettungsboje brauchten oder einen schwarzen Firebird, um im Kampf gegen das Unrecht zu bestehen. Als die Rollen gekappt wurden, machte Hasselhoff den gewaltigen Fehler, sich in der Realität an ihnen zu messen und messen zu lassen.

Er schlug hart auf - Alkohol, Scheidung, Entzugsklinik. Am Ende lag Hasselhoff auf dem Boden einer Hotelsuite und bestand nicht einmal mehr im Kampf gegen einen labbrigen Cheeseburger.

Er hat seitdem ein paar Mal versucht, wieder aufzustehen, aber es ist ihm nie so recht gelungen. Nun scheint er Halt gefunden zu haben, für einen Moment nur, und bevor er wieder umfällt, fängt Hasselhoff lieber an zu rennen.

Vielleicht auch gegen die nächste Wand

Er sitzt in der Jury einer britischen Casting-Show, seine erste Deutschlandtour seit 20 Jahren hat am Freitag in Frankfurt begonnen, im April erscheint ein neues Album. Hasselhoff rennt, es ist nur noch nicht ganz klar, wohin - vielleicht zurück zum Erfolg, vielleicht auch gegen die nächste Wand.

Hasselhoff rennt, und dass er am Tag vor dem Konzert in Frankfurt einen Umweg über Česká Kubice nehmen muss, hat mit den guten Kontakten von Markus Engl nach Österreich zu tun. Zufrieden lehnt Engl den Kopf zurück, der zum Trapez rasierte Nacken entrollt sich erst wieder, als Engl den Rauch seiner Marlboro unter die tief hängende Decke des Casinos geblasen hat. 50 Menschen hätten angerufen und gefragt, ob Hasselhoff wirklich zum Pokerabend kommen würde. Der Journalist von der Lokalzeitung hatte mit einer Pappfigur gerechnet, bestenfalls mit einem Double.

Der echte David - "für ein Taschengeld"

Aber Markus Engl, 37, verantwortlich für das Tschechien-Geschäft des Glücksspielkonzerns Novomatic, hat den echten David bekommen, "für ein Taschengeld". Karel Gott wäre natürlich auch mal ein Hammer für die Promotion des Casinos, aber es gab nun mal diese Verbindung zum Hasselhoff-Management nach Österreich und da dachte er sich: "Der trinkt nicht mehr, den kannst du nehmen."

Engl ist "mit Knight Rider groß geworden", und er kann es kaum glauben, als dann tatsächlich dieser schwarze Chrysler-Kleinbus an seinem Casino in Česká Kubice vorfährt, "und der David steigt aus, und er sieht noch genauso aus wie früher. Er sieht brutal gut aus".

Hasselhoff sitzt im Erdgeschoss vor einem Teller Nudeln, sein hellblaues Hemd ist genauso machtlos gegen die blaublauen Augen wie der dunkelblaue Anzug. Das Gesicht ist nicht weggeliftet, wie es im Fernsehen manchmal scheint. Er sieht gesund aus, sein Blick ist wach und fest, und ab und zu schickt der Backenmuskel eine Welle über die Wangen, die pendelt wie einst das rote Lauflicht von K.I.T.T. - ein Radar in alle Richtungen.

Die Leute vom Casino haben "PRIVAT"-Schilder auf die drei zusammengeschobenen Tische gestellt, doch die Aufsteller können ihr Versprechen nicht halten. Nur ein paar goldene Kordeln umzäunen Hasselhoff und seine Entourage, kein Hindernis für die Blitzlichter von hundert Gästen. Aber das geht schon in Ordnung, denn da will er ja wieder hin, zum Licht, und deswegen erzählt er jetzt, wie er vor acht Monaten die Büchse der Pandora öffnete, und die alten Zeiten auf einmal wieder zu leuchten begannen.

Zu Hause, in Kalifornien, "da habe ich einen Karton aufgemacht und zufällig die Jacke wiedergefunden, die ich auf der Mauer in Berlin getragen habe". Sie funktionierte erst nicht, aber dann hat Hasselhoff die Jacke eingestöpselt und aufgeladen, und die vielen eingenähten Lämpchen blinkten wieder so wild durcheinander wie damals, 1989.

Als sein Auftritt im deutschen Fernsehen übertragen wurde, ließ Hasselhoff ein Band mitlaufen, und dann überspielte er es vom europäischen PAL- ins amerikanische NTSC-Format, um es bei NBC und anderen Sendern als Dokument seines Ruhms zu platzieren. Doch irgendetwas beim Überspielen ist schiefgelaufen. Erst machten sie sich in Amerika lustig über die Deutschen und deren Begeisterung für diese alberne Musik, und längst machen sich auch die Deutschen lustig über die Deutschen und den schönen Irrtum, Looking For Freedom auf Platz eins der Charts gekauft zu haben.

Er gibt den Affen Zucker

Freitagnachmittag, looking for Frankfurt. Der Stau hat den Chrysler eine Stunde zurückgehalten. Heute geht es nicht um Platz eins, aber 1900 sind es immerhin, die für mindestens 30 Euro eine Karte für die Ballsporthalle Frankfurt gekauft haben. "The Hoff is back" heißt die Show, und weil ihnen dieser ironische Unterton nicht genügt, verstärken einige die Ironie zu angestrengten Posen. Sie schwenken Rettungsbojen und Banner, auf denen zum Beispiel "We Loff The Hoff" steht. Einer zitiert den Mauer-Auftritt, er hat eine Lichterkette um seine Lederjacke gewickelt, eine aus der Kiste mit der Weihnachtsdeko.

Und David Hasselhoff? Er gibt den Affen allen Zucker, den sie haben möchten.

Ein Hassel Buntes

Kurz bevor das Konzert beginnt, zieht er noch einmal die Jacke aus, geht zu Boden, macht 19 Liegestützen. Er steht auf, läuft durch Block L in den Bauch der Halle, und dann brodelt es auch schon im Publikum, und auf der Bühne ist das LED-Systemfeuerwerk angelaufen - ein Hassel Buntes, mehr als zwei Stunden lang.

"Ich hatte keine Wahl, ich bin nun mal der Knight Rider geworden", hatte Hasselhoff in Česká Kubice im Casino gesagt. Sie sind viel zu mächtig, die alten Rollen, als dass er sie jetzt noch loswerden könnte. Also versucht Hasselhoff, sich wieder mit ihnen anzufreunden, und bringt sie auf die Bühne. Er lässt Sequenzen aus seinen Serien über die Leinwände laufen, etwas anderes als diese Rollen könnte er ja auch nicht anbieten - außerdem: Die Leute jubeln, und so, wie man die Selbstironie Hasselhoffs nicht unterschätzen darf, so darf man die des Publikums auch nicht überschätzen.

Vielleicht hat Hasselhoff in diesem Moment nicht Deutschland zurückgewonnen, aber es wird sich zumindest in der Ballsporthalle hinterher niemand beschweren können, er hätte nichts geboten bekommen.

Und es gibt ja neben den Brüllaffen auch noch viele Menschen, für die das Idol ihrer Jugend nicht auf ewig zur Lachnummer geschrumpft ist. Da ist Claudia, die vor zwanzig Jahren als kleines Mädchen am Tag einer Wetten, dass ...?-Sendung zur Saarlandhalle geradelt war, und da stand auf einmal ein großer Mann in Lederjacke vor ihr, lächelte, und nahm sie in den Arm. Sie steht jetzt in den Katakomben wieder vor diesem Mann, "hey babe, wie geht's?", fragt er, und Claudia ist so nervös, dass sie sich nicht entscheiden kann zwischen "gut" und "good". Deswegen stolpert ein kräftiges "Gott!" über ihre Zunge, und so ganz falsch ist das wahrscheinlich auch nicht.

Ein paar Gänge weiter wartet in der Pause Volker, er hat K.I.T.T. nachgebaut, und ist mit dem Wagen heute zur Halle gefahren. Ein Freund von ihm ist aus Australien angereist, wegen des Autos vor allem, aber auch wegen des Knight Rider. Hasselhoff nimmt sich Zeit für jeden, er genießt diesen Handel mit Erinnerungen.

Was, wenn er das Tempo nicht mehr halten kann?

Tröpfchenweise bekommt er den Respekt, um den es ihm neben Geld und Jubel vor allem geht, weil er ihm so demütigend oft verweigert wird. Er arbeitet jetzt hart für ein bisschen Anerkennung - seit Ende November ist er unterwegs, er hatte seitdem nur einen einzigen Tag Pause.

Wenn das Album kommt, will sein Management "richtig fett in die PR gehen" - in die Shows von Nebel, Silbereisen und so weiter. David Hasselhoff rennt, es ist auch eine Therapie, freilich eine gefährliche. Was, wenn er das Tempo nicht mehr halten kann, wenn die Stille und der Stillstand irgendwann kommen, und er dann nicht weiß, wohin mit sich?

Nach dem Konzert läuft Hasselhoff barfuß in seiner Garderobe auf und ab, seine silberne Glitzerhose blendet ein bisschen. Er steht noch immer unter Dampf, vielleicht auch schon wieder, das ist bei ihm nie so ganz klar. Dann setzt er sich kurz hin, auf die Lehne des weißen Ledersofas, und sagt: "Mir ist egal, warum die Leute kommen, so lange sie kommen. Du willst dich über mich lustig machen? Okay, dann besuche mein Konzert. Dass die Leute sich über mich lustig machen, ist einfach ein Teil meines Lebens."

Gerade sind es eh die anderen, die das Tempo nicht halten können. Vor der Halle sagt einer: "Boah, der war ja stocknüchtern, so ein Scheiß." Ein paar Meter weiter hält ein Mann seiner betrunkenen Freundin die blonden Haare zurück und klopft ihr auf den Rücken. Sie müsse jetzt "einfach alles rauslassen".

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