La Boum:Be happy

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(Foto: Steffen Mackert)

Ein Dealer auf Zack und eine ziemlich beseelte Nachbarin: Im Pariser Viertel unserer Kolumnistin sind die Bewohner unterschiedlich schnell unterwegs.

Von Nadia Pantel

Die netteste Nachbarin der Welt, die zum Glück genau neben mir wohnt, machte vergangenes Wochenende Werbung für ihre Yoga-Kurse. "Puh", erzählte sie mir, als ich sie während ihrer Werbetour auf der Straße traf, "die Leute sind echt ganz schön mitgenommen. Die fragen alle als Erstes, ob Yoga wirklich entspannt." Meine Nachbarin selbst war zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich losgelöst von den Sorgen der Welt. Sie hatte den Vormittag auf dem Flohmarkt verbracht, um Menschen ihre Flyer in die Hand zu drücken. Und damit sie nicht so alleine herumstand, hatte ein Bekannter aus dem Viertel ihr eine Ecke seines Flohmarktstands freigeräumt. Der Bekannte war mit zwei großen Kanistern und einigen kleinen Flaschen angereist. In den Kanistern war selbstgemachte Limonade, in den Fläschchen war Cannabidiol. Also CBD. Also der harmlosere Wirkstoff der Cannabispflanze.

"Das lockert einfach nur die Muskeln", sagte meine Nachbarin, denn das hatte ihr der CBD-Bekannte gesagt. Die Muskeln ihrer Mundwinkel waren zu diesem Zeitpunkt wirklich schon sehr überzeugend gelockert. Sie strahlte. Der CBD-Bekannte, der sich eine Visitenkarte gebastelt hatte, auf der "Pflanzenkundler" stand, hatte ihr auch selbst gebackenen CBD-Kuchen angedreht, in den er Thymian gerührt hatte, den er irgendwo in den Mauerritzen unseres Viertels aufgetrieben hatte. Alles lokal, alles bio. Alle ein bisschen zu happy.

Wir joggten hinter den Kindern her. Der Dealer war der Schnellste von allen

Als die Yoga-Flyer verteilt waren, packten wir Männer und Kinder ein und gingen gemeinsam auf den Platz, den Freunde aus Deutschland bei Besuchen immer "herrlich französisch" finden. An diesem Abend war er in erster Linie herrlich voll. Die Cafés hatten Tische und Stühle auf die Mitte des Platzes gestellt, daneben wackelten schon die Metallstangen herum, auf die am Sonntagvormittag immer die Planen der Marktstände gespannt werden. Die meisten Anwesenden hatten, so wie wir, völlig unausgelastete Kleinkinder mitgebracht, die auf ihren Rollern gegen die Stangen düsten, sodass man ständig erschreckt den Kopf einzog, weil es irgendwo zu laut schepperte.

"Oh, jetzt laufen sie zu dem Baum mit der Hundescheiße", sagte meine Nachbarin und schaute unseren Kindern hinterher. Sie lächelte beseelt, das war nicht mehr aus ihrem Gesicht zu kriegen. Die Kinder kamen jubelnd zurück, sie hatten eine Glasflasche mit drei Hornissen drin gefunden. Einige "Nein, leg das weg" später waren wir auf dem Nachhauseweg, und die bestens gelaunten Kinder rasten so schnell an den örtlichen Dealern vorbei, dass die es mit der Angst zu tun bekamen. "Halt sie auf!", schrie einer dem anderen zu, als er sah, wie die Kinder auf die Straßen zuhielten. Wir joggten hinterher. Der Dealer war der Schnellste von allen. Er überholte erst uns, dann die Kinder und stellte sich dann mit ausgebreiteten Armen auf den Zebrastreifen, als menschliche Straßensperre. Wie gut, dass er nicht den Stand des Pflanzenkundlers besucht hatte.

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