Catering als Kunst:Häppchen auf dem Laufsteg

Caterer verwandeln Schinken in Eiswaffeln und Melone in Kügelchen. "Prêt-à-Dîner" nennt sich die neue Masche, die das Stehbuffet veredelt.

Ijoma Mangold

Man kennt das vom heimischen Herd: Da ist dieses raffinierte Rezept aus diesem berühmten Kochbuch, das man immer schon nachkochen wollte, aber jetzt sind es nur noch drei Stunden, bis die Gäste kommen - und also beginnt man, alles an dem Rezept zu ignorieren, was fisselig und damit zeitaufwändig ist. Wie, die Tomaten entkernen und die Paprika häuten? Papperlapapp!

Kofler & Kompanie

Kofler & Kompanie: 95 Prozent aller Produkte werden von Grund auf in Eigenarbeit hergestellt.

(Foto: Foto: Kofler & Kompanie)

Dafür hat man jetzt weder Zeit noch die ruhige Hand. Und den Gästen, wenn sie später auf den Paprikahäuten herumbeißen, verkauft man das einfach als eine rustikale Küche der - ganzen - Produkte. (Und meistens sind die Gäste damit auch vollkommen glücklich. Vielleicht sollte man doch noch etwas an seinem Bekanntenkreis feilen?)

Anspruchsvoll kochen ist immer auch Sisyphosarbeit. Hingebungsvolle Sisyphosarbeit. Ein und denselben Handgriff unendlich oft und genau zu wiederholen und dabei doch mit ganzem Herzen bei der Sache zu bleiben, daran erkennt man den berufenen Koch.

Wir befinden uns in der Küche des Catering-Unternehmens Kofler & Kompanie in Berlin am Potsdamer Platz. An diesem Abend soll das Unternehmen 1000 Gäste (einschließlich Kanzlerin) beim Focus-Fest im Radial-System an der Spree versorgen. Unter anderem soll es Pasta mit Vongole und Estragon geben, die Portionsgläser werden später mit je einem flambierten Fruchtfilet aus der Grapefruit versehen.

Acht Stunden Spätzle schaben

Also steht in der Küche ein Koch neben einem Berg von Grapefruits, mit einem Filetiermesser in der Hand, um 700 Filets aus der Frucht zu schneiden - und zwar wegen des Wareneinsatzes schön scharf an den Hautkammern entlang, damit möglichst wenig Fruchtfleisch verlorengeht. Kann man sich eigentlich, wenn man gerade das dritte Filet erfolgreich herausgelöst hat, vorstellen, dass man irgendwann beim 700. gelandet sein wird, ohne vorher graue Haare bekommen zu haben?

"Wir haben bei Kofler & Kompanie", sagt Kay Schoeneberg, der Küchendirektor, stolz, "einen Convenience-Grad von unter fünf Prozent." Das heißt: 95 Prozent aller Produkte werden von Grund auf in Eigenarbeit hergestellt. Keine fertigen Vinaigrettes, keine gepulten Erbsen aus dem Tiefkühlfach. Für eine Veranstaltung wie das Focus-Fest braucht man dann eben drei Tage Vorlauf.

Am ersten Tag wird das Fleisch zugeschnitten, das Gemüse geschält und werden die Fonds angesetzt. Und alles in der Küche machen, von den Spülern abgesehen, ausgebildete Köche. Da kann es schon einmal passieren, dass einer acht Stunden Spätzle schabt. Aber wir müssen uns Sisyphos bekanntlich als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Häppchen auf dem Laufsteg

"Wir fahren heute abend mit 800 Kilogramm Nahrungsmittel auf die Veranstaltung", sagt Schoeneberg, während draußen die ersten Rollwagen zum Lastwagen geschoben werden. Zehn Köche waren in der Vorbereitung beschäftigt. Am Abend, vor Ort, werden es 25 sein. Denn vieles kann man nur um den Preis der Qualitätseinbuße im Vorhinein zubereiten.

Anspruchsvolles Fingerfood zum Beispiel lebt von dem komplexen Geschmackseindruck, der von unterschiedlichen Texturen hervorgerufen wird (das Hanuta-Erfolgsrezept!). Damit aber zum Beispiel der Lachs mit den gerösteten Senfkörnern die krosse Olivenciabatta nicht aufweicht, lässt sich beides erst kurz vorm Servieren zusammenbringen.

Von Catering zu sprechen, ist nicht gerade ein Thema, bei dem die Herzen höher fliegen. Es klingt nach Stehempfang, Buffet und Kanapees. Und nach moralisch entwürdigenden Szenen, wenn es darum geht, den weitereilenden Kellner mit dem Fingerfood so lange bei der eigenen Gruppe zu halten, bis der schlimmste Hunger im Stehen gestillt ist.

(Der Trick: Während man den Happen verschlingt, macht man gleichzeitig ironische Bemerkungen über die eigene Gefräßigkeit, was vom Kellner als Konversationsversuch aufgefasst werden soll, aus dem sich auszuklinken unhöflich wäre...) Andere wieder würden lieber verhungern, bevor sie dem Satz "Das Buffet ist eröffnet" Folge leisten. Catering - das ist in der Regel die brachial-pragmatische Antwort auf ein biologisches Problem: Dass der Mensch nämlich etwas zu essen braucht, wenn er an einem Ort gesellig verweilen soll.

Das Fegefeuer der Eitelkeiten

Aber jetzt, da Deutschland plötzlich sein kulinarisches Gewissen entdeckt, im Fernsehen rauf und runter gekocht wird, und jeder zu Hause den ambitionierten Koch und Gastgeber gibt - warum sollte sich da nicht auch etwas am Anspruch ändern, den man ans Catering stellt?

Klaus Peter Kofler, Jahrgang 1966, ist der Gründer von Kofler & Kompanie. Er mag das Wort Kompanie. Es kommt aus dem Lateinischen: companio - Brotgenosse. Und zusammen das Brot zu teilen, diese Aufgabe nimmt Kofler hingebungsvoll ernst. Wir treffen ihn in München im Restaurant "Blauer Bock", mit dessen Koch Hans Jörg Bachmeier er gerne zusammenarbeitet.

Das ist zwar, wie Kofler schmunzelnd zu verstehen gibt, nicht immer leicht, denn fürs Catering braucht man exakte Rezepte mit genauen Mengenangaben, die jederzeit reproduzierbar sein müssen, während Bachmaier lieber frei seine Kreativität walten lässt...

Es gibt keinen Artikel über Klaus Peter Kofler, in dem nicht erwähnt wird, er sehe aus wie der Modedesigner Tom Ford. Wir wollen dieser Tradition treu bleiben: Klaus Peter Kofler sieht aus wie Tom Ford. So sehr er also optisch jede Gesellschaft schmückt, ist er doch kein lauter, theatralischer Glamourmensch. Vielmehr einer, der weiß, nach welchen Gesetzmäßigkeiten das Geschäft mit dem Glamour läuft. Ein Beobachter. Einer, der sein Dazugehören nutzt, um zugleich schmunzelnd und gewinnbringend das Fegefeuer der Eitelkeiten zu beobachten und daraus seine geschäftlichen Schlüsse zu ziehen.

Häppchen auf dem Laufsteg

Es ist ja nicht selbstverständlich, dass der Gründer eines erfolgreichen Cateringunternehmens zugleich ein interessanter und höchst anregender Charakter ist. Das ist bei Kofler aber ganz unbedingt der Fall. Und zwar weil er auf sehr unprätentiöse Art sehr unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen zusammenbringt.

Er hat die Geschmeidigkeit und Eleganz des Gesellschaftsmenschen. Zugleich aber auch den Blick des praktisch-empirischen Soziologen, der die Codes der Gesellschaft zu entschlüsseln versteht. Er ist zugleich Betriebswirt, der aus seinem soziologischen Gespür Geld macht, und zwar mit einem Produkt, zu dem er - und das merkt man jedem seiner Sätze an - eine ausgesprochen handwerkliche Nähe und Vertrautheit hat: Nahrung.

Klaus Peter Kofler ist nämlich, last but not least, gelernter Konditor. Er kommt aus einer alten Frankfurter Konditorenfamilie. Und, könnte man noch hinzufügen, er liebt als ehemaliger Springreiter den Wettbewerb.

"Es schmeckt nicht wie Catering und es sieht auch nicht so aus." Das ist das schönste Kompliment, das man Kofler machen kann. Und er hat viel dafür getan, sich dieses Kompliment zu verdienen. 1991 gründete er sein Unternehmen in Frankfurt. Als 2001 die Rezession zuschlug, verlor er auf einen Schlag 50 Prozent seines Umsatzes. Die Krise brachte ihn an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Nur seine Entscheidung, sich neben Frankfurt auch stark in Berlin zu engagieren, hat ihn damals gerettet.

Seit er diese Krise überwunden hat, geht es steil bergauf. Heute ist er umsatzmäßig der drittgrößte Caterer in Deutschland mit Standorten in München, Hamburg (wo er gerade auch das Restaurant "K & K Kochbar" eröffnet hat), Frankfurt und Berlin (wo er sowohl im Deutschen Historischen Museum verantwortlich ist als auch in der Hauptstadt-Repräsentanz von Bertelsmann, der Kommandantur Unter den Linden).

Der Platzhirsch Käfer

Natürlich hat Catering viel mit Logistik zu tun. Es soll, wenn es nach Kofler geht, aber auch etwas mit Genuss zu tun haben. Immerhin hat er mittlerweile sogar die englische Königin auf seiner Seite, die er bei ihrem Staatsbesuch in Deutschland bekochen durfte. Ihre Majestät, von der sonst berichtet wird, sie pflege bei Staatsbanketten lediglich das Essen vor sich auf dem Teller zu zerschneiden und zu den Seiten hin wegzuschieben - eine Art Höflichkeitsbeschäftigungssimulation - habe tatsächlich aufgegessen...

Platzhirsch im Catering aber ist natürlich nach wie vor das Münchner Unternehmen Käfer. Dieser Konkurrenz muss Kofler sich stellen. Und er tut dies, indem er in prononcierter Weise anderes anbietet als der alteingesessene Rivale. Michael Käfer soll einmal mit entwaffnender Bescheidenheit von sich gesagt haben, das Beste, was er könne, sei Teller abräumen.

Koflers Ehrgeiz geht in eine andere Richtung. Und er hat das Gefühl, dass die Zeit für ihn arbeitet: "Wenn Sie zu viel machen, egal wie gut Sie sind, tritt Übersättigung ein." Das sei bei allen Luxusprodukten so. An den Champs-Élysées vor dem Louis Vuitton-Laden, erzählt Kofler amüsiert, könne man japanische Touristen dabei beobachten, wie sie Passanten bäten, für sie Louis-Vuitton-Taschen zu erstehen, weil das Geschäft es sich zur Maxime gemacht hat, an keinen Kunden mehr als zwei Taschen zu verkaufen...

Er habe in seinem Geschäftsleben zwei gute Ideen gehabt, sagt Kofler. Die eine sei: mit dem Catering zugleich einen speziellen Ort, einen event space, anzubieten, den man noch von keiner anderen Party kennt. Location-Scouts braucht er dafür. Und die andere Erfolgsidee seien seine wechselnden "Kollektionen", die er in bewusster Analogie zur Modewelt "Prêt-à-Dîner" nennt. Jede Saison kreieren Koflers Köche eine neue Kollektion von Gerichten, die sie im High-End-Bereich den Kunden anbieten.

Koflers Ehrgeiz ist es, Anspruch und Realisierbarkeit, Qualitätsbewusstsein und Logistik zusammenzubringen. Nur so kann gutes Catering funktionieren. Das, was für vier Personen gekocht wird, so fassen, dass man es auch für 800 liefern kann... Und dass dies möglich ist, will er auch auf jenem Feld beweisen, auf dem die Spitzengastronomie seit einigen Jahren am avantgardistischen ist: in der sogenannten molekularen Küche, wie sie die spanische Kochlegende Ferran Adrià in seinem Restaurant "El Bulli" in der Nähe von Barcelona berühmt gemacht hat.

Häppchen auf dem Laufsteg

Die molekulare Küche hat, sagt Kofler, eine Seite, die sie dem Catering vergleichbar macht: Dort wird mit der Briefwaage gekocht. Und beim Catering kommt alles auf identische Reproduzierbarkeit an, auf exakte Rezepte. Und indem die molekulare Küche Form, Textur und Geschmack voneinander trennt, das klassische Gericht dekonstruiert und in neue Strukturen überführt, hat sie auch einen praktischen Vorteil, der beim Catering sehr wichtig ist: einfachere Verzehrbarkeit!

Ein simples Beispiel: Das rustikale, mediterrane Gericht Schinken mit Melone lässt sich nicht als Fingerfood servieren, weil einem der Schinken zwischen den Zähnen hängenbleibt, während die Melone auf dem Porzellanteller hin- und herrutscht.

Also verwandelt Kofler den Schinken zu einer kross fritierten Art Eiswaffel und die Melone zu kleinen Kaviarkügelchen. Schon hat man einen hübschen Texturen-Kontrast: Vom Schinken das Salzig-Knusprige und von der Melone das Fruchtig-Saftige. Das gilt auch für das Wiener Schnitzel, bei dem das Kalbfleisch als Tatar serviert, die Zitrone zum Gelee wird und die Kapern, in Teig ausgebacken, für die konventionelle Panade stehen.

Das Aufregende dabei ist, dass dem Gast so das sehr suggestive Verhältnis von Optik und Geschmacksempfindung buchstäblich "vor Augen" geführt wird. Außerdem fördert diese Art von Essen die Kommunikation, das Darüber-Reden - auch dafür sollte sich ein guter Caterer mitverantwortlich fühlen.

Eigentlich sollte Kofler & Kompanie der offizielle Caterer auf der diesjährigen Documenta sein. Mit Ferran Adrià als geladenem Künstler sollte Kofler dessen Kochrevolution auf breiter Ebene an den Documenta-Besucher weitergeben. Ein intelligentes Schnellrestaurant schwebte Kofler vor, bei dem es zum Beispiel unterschiedlich gefüllte Kroketten, von sauer zu süß, von Fisch zu Fleisch hätte geben sollen. Doch dann hatte der Meister aus Katalonien abgesagt, und so zog sich auch Kofler - mit einer gewissen Verstimmtheit - zurück. "Es sollte", sagt Kofler, "eine Hommage an Adrià werden. Ohne seine Unterstützung wäre das in der Luft gehangen."

Die molekulare Küche ist in vielen Aspekten, was zum Beispiel den Einsatz von Stickstoff betrifft, modernste Technologie. Auf der anderen Seite aber beobachtet Kofler ein neues Bewusstsein für die Grundprodukte. Auch Adrià pflegt zu sagen: "Der Ursprung eines guten Essens ist immer ein gutes Produkt: Brot, Schinken, Käse."

Reine Soziologie

"Es gibt", so Kofler, "lauter diametral entgegengesetzte Trends: Man geht ins Sterne-Restaurant und einen Tag später zum nächsten Kebab. Man fährt in der Stadt Smart, aber am Wochenende auf der Überlandfahrt Ferrari. Man fliegt mit Easy Jet nach London, übernachtet dort aber im Luxushotel."

Ebenso sei es auch mit den neuen Küchentrends: Einerseits kommen die innovativen Anregungen eindeutig aus der molekularen Küche, andererseits wächst die Leidenschaft für das authentische Ausgangsprodukt. Adriàs "El Bulli" reflektiere das, indem es sich äußerlich wie ein Landgasthof gibt. Und als Kofler im vergangenen Jahr den VIP-Bereich der Weltmeisterschaft versorgte, bot er Radi, Schwarzwälder Schinken und auf dem Lavagrill geröstetes Brot an.

Überhaupt verstärkt sich die Vermutung, die wir immer schon hatten, im Gespräch mit Kofler stark: Dass das, was wir essen, reine Soziologie ist...

Und natürlich auch Stadtsoziologie. Für seine verschiedenen Firmensitze gelten stets völlig verschiedene Verhaltensmuster. Er sagt: "Wenn Sie in Berlin was erreichen wollen, müssen Sie nach München gehen. Denn die eigentlichen Entscheider sitzen nie in Berlin. Dort befriedigen sie nur ihr Repräsentationsbedürfnis."

Kofler beobachtet das an der Zeit für ein Probe-Essen. In München ist ein Probe-Essen nach spätestens eineinhalb Stunden rum, die Kunden müssen zurück an den Schreibtisch. Das ist in Berlin nicht der Fall, weshalb sie sich gerne Zeit nehmen und drei Stunden bleiben.

Er selber verbindet übrigens beide Rhythmen auf angenehme Weise. Er betreibt ein unglaublich schnelles, hochtouriges Gewerbe, ist dabei aber selbst die Ruhe in Person. "Ich bin", sagt er, "Türöffner und Troubleshooter. Ich muss meine Gäste begrüßen und den Kopf hinhalten, wenn was nicht klappt." Weil er aber immer so eine sanftmütige Ruhe ausstrahlt, hat man eh nie das Gefühl, es könnte irgendetwas schiefgehen.

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