Die Rede gilt heute als eine der bedeutendsten, wenn nicht als die bedeutendste, die je ein deutscher Bundespräsident gehalten hat. Schon 1985, als Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Kriegsendes vor dem Bundestag sprach, galt sie als geschichtspolitische Zäsur. Millionen sahen sie im Fernsehen, unzählige Male wurde sie nachgedruckt. War dieser 8. Mai 1945 nicht in Wahrheit ein Tag der Befreiung?, fragte Weizsäcker: "Wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte. ... Wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg." Die Rede zeugt von tiefer historischer wie moralischer Klarsicht. Wie nebenbei machte sie dem von reaktionären Ressentiments durchsetzten Projekt Helmut Kohls einer "geistig-moralischen Wende" den Garaus. Aber war es wirklich so neu, so umstürzend, was der Bundespräsident, der zuvor für die CDU Westberlin regiert hatte, hier sagte?
MeinungAmpel-Koalition:Klar zur Wende

Essay von Joachim Käppner
Lesezeit: 7 Min.

Hundert Milliarden für die Bundeswehr. Wie jetzt: SPD und Grüne wollen plötzlich aufrüsten? Klingt das nicht verdächtig wankelmütig? Nö. Warum radikale Kurswechsel eine Stärke der deutschen Demokratie sind.
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