Die Welt lässt sich besser verstehen, wenn man "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus gelesen hat. Das epochale, bitterkomische Drama beschäftigt sich keineswegs nur mit dem Ende des Habsburger Reichs, sondern es zeigt immer wieder, wie Menschen nicht damit fertig werden, wenn sich die Dinge allmählich oder plötzlich sehr verändern. Viele der Handelnden, die Kraus weniger er- als gefunden hat, lassen sich mit ein paar Modernisierungen ins 21. Jahrhundert übertragen. Dazu gehören zum Beispiel "ein alter" und "der älteste Abonnent" der Neuen Freien Presse, die ein liberales, großbürgerliches Wiener Blatt war, das der ätzende Spötter Kraus nicht ausstehen konnte. Die beiden Abonnenten zeichnete Kraus als Menschen, die an etwas festhalten wollen, von dem sie spüren, dass es gefährlich ins Rutschen gekommen ist.
Bundestagswahl:Dieses Jahr mal anders
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Die alten Lager sind verschwunden, die Regierungsparteien wirken alt und müde. Die Grünen erobern derweil unterschiedliche Milieus - als gefühlslinke, doch keineswegs handlungslinke Partei.
Essay von Kurt Kister
Kanzlerkandidatur:Grüner wird's nicht
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