Ob das nicht zum Leben dazugehöre, fragt man da den Arzt, und was er davon halte, dass man sich so nehmen müsse, wie die Natur einen formt und verformt? Von Finckenstein lehnt sich weit vor: "Es ist doch die Regel, dass die meisten Frauen ihre Brüste als gegeben hinnehmen", sagt er. "Aber wer bei sich nichts machen lassen will, sollte sich kein Urteil anmaßen über den, der es machen lässt".
Das passiert aber, ständig, das ist jedenfalls Annas Erfahrung. "Jeder, egal wie ungepflegt er aussieht, erlaubt sich einen Kommentar, wenn er hört, dass Du was an Dir machen lassen hast", sagt sie. Auch deshalb will sie anonym bleiben, selbst in ihrem Umfeld wissen viele nichts von dem Eingriff. Nicht einmal ihre Töchter. So diskret verhalten sich laut Fachgesellschaft die meisten nach einer Schönheits-OP: Jeder Vierte erzählt davon nur seinem Partner, jeder Zehnte verheimlich es selbst dem. Die Gründe dafür dürften ähnlich sein wie bei Anna: "Ich habe keine Lust, auf meine operierte Brust reduziert zu werden", sagt sie.
Sieben Jahre hat Anna mit sich gerungen, Ratgeber gelesen, Ärzte konsultiert. Die meisten Patienten zögern so lange, heißt es bei der Fachgesellschaft, nur jeder Sechste lasse sich nach weniger als drei Monaten operieren. Gegen so einen Kurzschluss, sagt Anna, sprach bei ihr zu viel: Da war das schlechte Gewissen, 5000 Euro nur für sich auszugeben, anstatt für die Kinder. Und die Angst. "Du bist völlig gesund und lässt Dich operieren", sagt sie, "das ist schon Wahnsinn." Am Ende hat sie sich für den Wahnsinn entschieden, aber so, dass man ihn nicht sieht, wenn man nichts davon weiß. Allen Klischees zum Trotz: So handhaben es die meisten Implantierten.
"Ein guter plastischer Chirurg macht keine großen Brüste, er macht schöne Brüste", sagt Joachim von Finckenstein. Das Problem ist nur: In Deutschland verdienen nicht nur plastische Chirurgen an Schönheits-OPs - denn der Name "Schönheitschirurg" ist nicht geschützt. Jeder Arzt, ob Anästhesist oder Pathologe, darf sich so nennen. So entsteht in dem lukrativen Fach wilde Konkurrenz.
Ballongroße Brüste als Wohlfühl-Chirurgie
Mancher Kollege, sagt von Finckenstein, habe da nicht mal mehr Skrupel, ballongroße Brüste als Wohlfühl-Chirurgie zu verkaufen oder minderwertig zu arbeiten. Aus dem Regal greift er einen weißen Fladen und reicht ihn über den Tisch. "Das hier, das ist vernünftig, fühlen sie mal", sagt er. Man fühlt: eine kühle Schwere in der Hand, als hätte man Pudding in eines dieser abtrennbaren Schulterpolster aus Omis Seidenblazer gefüllt. Es ist ein 200-Gramm-Implantat von Größe und Form, wie Anna es trägt.
Wollen Sie mal sehen?", fragt sie und steuert auf einen Nebenraum des Cafés zu. Sie schließt ab, öffnet die dunkelblaue Bluse und den Büstenhalter, dann steht sie da: mit nacktem Oberkörper, mit ihren makellosen Rundungen, die straff sind und verletzlich und schön. Es sind nicht die Rundungen einer 52-Jährigen, denkt man, aber sagt es nicht. Anna hat nach keinem Urteil gefragt.