Süddeutsche Zeitung

Britische Thronfolge:Eine Krone für Herzog Franz

Großbritannien plant, Katholiken in der Thronfolge zu berücksichtigen, auch die Wittelsbacher hätten Anspruch.

Alexander Menden

Als am 8. April 2005 Johannes Paul II. beigesetzt wurde, reiste auch der Prinz von Wales nach Rom, um dem toten Papst die letzte Ehre zu erweisen. Dass Charles als britischer Thronfolger und zukünftiges Oberhaupt der anglikanischen Kirche an dem Begräbnis teilnahm, war für sich genommen schon bemerkenswert genug.

Als geradezu sensationell wertete man in England jedoch, dass der Prinz eigens seine ebenfalls für den 8. April geplante Hochzeit mit Camilla Parker-Bowles verschob, um der Totenmesse beiwohnen zu können.

Diese Art von Prioritätensetzung hätten die protestantischen Briten Jahrhunderte lang als völlig unakzeptable Demutsgeste gegenüber dem "Bischof von Rom" betrachtet. Seit dem Tod Königin Mary Tudors im Jahre 1558 wurden Katholiken in Großbritannien bestenfalls toleriert, vielfach sogar als Staatsfeinde betrachtet.

Erst 1823 durften sie wieder Mitglieder des britischen Parlaments werden, und erst 1850 wurde die katholische Kirche wieder offiziell auf britischem Boden zugelassen. Wie sehr diese Außenseiterrolle der apostolischen Konfession in der britischen Politik noch bis in unsere Tage wirkt, lässt sich daran Ablesen, dass Tony Blair, der schon lange mit einem Übertritt zum Katholizismus geliebäugelt hatte, dies erst nach dem Rücktritt vom Amt des britischen Premiers in die Tat umsetzte.

Schluss mit der Katholikensperre

Doch die Zeiten ändern sich. So sehr, dass demnächst theoretisch sogar ein Katholik den Thron des Vereinigten Königreiches besteigen könnte. Ob Herzog Franz von Bayern, Oberhaupt des Hauses Wittelsbach, tatsächlich die Chance erhalten wird, Königin Elisabeth II. zu beerben, hängt von einer Gesetzesreform ab, die der britische Justizminister Jack Straw vorgerstellt hat. Sie sieht vor, den sogenannten "Act of Settlement" von 1701 aufzuheben. Dieses Erbfolgegesetz legt fest, dass Personen, die "die papistische Religion haben oder einen Papisten heiraten, für immer vom Erbe der Krone und Herrschaft über das Königreich ausgeschlossen seien."

Gordon Brown hatte schon bei seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr angedeutet, dass er eine Reform dieses Gesetzes plane und dafür auch schon das Plazet der Queen eingeholt habe. Nun scheint die Regierung ernst machen zu wollen. Jack Straw bezeichnet die kategorische Eliminierung aller Katholiken aus der Thronfolge als "antiquiert" und als "legalisiertes Sektierertum, das im 21. Jahrhundert nichts zu suchen hat." Die Reform wäre sicherlich ein Symbol der Einheit in einem Land, in dem vor allem islamistisches Sektierertum als großes Problem gilt.

Der theoretische Anspruch Franz Prinz von Bayerns auf die britische Krone ergibt sich genealogisch: Das Oberhaupt der Wittelsbacher ist direkter Nachfahre Henriettas, einer Tochter des Stuart-Königs Charles I., der unter Oliver Cromwell enthauptet wurde. Nach der endgültigen Vertreibung von dessen Sohn, dem katholikenfreundlichen Charles II. im Jahre 1690, schloss der "Act of Settlement" die Stuarts de facto von der Thronfolge aus. Sie wurden durch das protestantische Haus Hannover ersetzt, dessen Erbin die amtierende Königin ist.

Nach dem Wegfall der Katholikensperre wäre nun eine Fortsetzung der alten Linie möglich, meint Daniel Szechi, Historiker an der Universität Manchester: "Franz wird dann der rechtmäßige Thronanwärter. Wir würden einfach eine deutsche Familie gegen eine andere austauschen." Immerhin führt die "Royal Stuart Society" den 74-jährigen studierten Betriebswirtschaftler inoffiziell als König "Francis II". Die Gesellschaft betont aber, dass seit 1807 kein Stuart-Erbe mehr ernsthaft Anspruch auf den britischen Thron erhoben hat.

Dabei wird es wohl auch bleiben: Das Haus Wittelsbach gibt gewohnheitsmäßig zu Fragen nach einer möglichen britischen Thronfolge keinen Kommentar. Es ist aber bekannt, dass der Herzog kein Interesse an der Krone des Inselreiches hat.

Der britische Genealoge Patrick Carcroft-Brennan erklärt im Daily Telegraph den theoretischen Anspruch Franz Prinz von Bayerns zwar auch für legitim, weist aber zugleich darauf hin, dass heute nicht mehr die Blutslinie, sondern das britische Parlament darüber entscheidet, wer britischer Monarch wird. Es sei, so Carcroft-Brennan, "höchst unwahrscheinlich", dass die Regierung die Windsors vom Thron entfernen werde.

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SZ vom 9.4.2008
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