Süddeutsche Zeitung

Brettspiele:Der Spielmacher

Marco Teubner hat einen spannenden Beruf. Er erfindet Brettspiele für Kinder. Am liebsten bastelt und malt er dabei. Bei ihm zu Hause stehen aber auch sämtliche Konsolen.

Interview von Christina Waechter

Marco Teubner spielt, wenn er arbeitet; und er arbeitet, wenn er spielt. Er ist Spieleerfinder. Für eine seiner Erfindungen, das Spiel "Stone Age Junior" hat er gerade den sehr wichtigen Preis "Kinderspiel des Jahres" gewonnen. Im Interview erzählt er, warum Kinder nicht heulen und Erwachsene mehr spielen sollten.

SZ: Herr Teubner, haben Sie den tollsten Job der Welt?

Marco Teubner: Ja. Ich glaube schon.

Sie spielen und basteln den ganzen Tag. Und am Abend verkaufen Sie alles für ganz viel Geld.

Manchmal geht es tatsächlich schnell. Da wache ich morgens mit einer Idee auf, bastle tagsüber das Spiel und abends ist es fertig zum Testen. Aber manchmal habe ich eine Idee, arbeite zwei Jahre immer wieder daran. Und am Ende schmeiße ich alles weg, weil es nicht funktioniert.

Wie erfinden Sie ein Spiel?

Ich gehe oft von einem Gefühl aus. Das kann zum Beispiel Vertrauen sein. Wenn ich in einem Spiel jemanden brauche, der mich unterstützt, dann muss ich ihm vertrauen. Oder misstrauen.

Basteln Sie auch viel?

Nicht so viel, wie ich gerne würde. Nur an einem von fünf Tagen ungefähr. Den Rest arbeite ich am Computer. Aber ich bastle alle Modelle selbst. Wenn ein Spiel fertig ist, gehe ich in den Kindergarten meiner Frau und lasse die Kinder damit spielen. Wenn die es gut finden, gehe ich damit zu einem Verlag. Manchmal ist es auch umgekehrt, dass die Verlage mit Ideen und Wünschen an mich herantreten. Und manchmal geben sie mir auch einfach nur die Schachtelgröße vor.

Wie wird man Spieleentwickler: Macht man da eine Ausbildung?

Nein. Es gibt zwar den Studiengang "Game- Design", aber da geht es um Computer-Spiele. Für klassische Brettspiele gibt es keine Ausbildung. Das muss man einfach ausprobieren.

Finden Sie es eigentlich traurig, dass viele Kinder nur noch am Rechner oder Handy spielen?

Ach, das kenne ich von mir selbst auch. Wir haben zur großen Freude meiner drei Kinder sämtliche Konsolen zu Hause. Ich glaube, man muss einen Mittelweg finden.

Was heißt das für Ihre Kinder?

Der wesentliche Faktor ist Zeit. Mit meinem Sohn hatte ich da eine gute Situation: Der spielt sehr gerne Fußball im Verein. An einem Tag hat er gezockt und darüber den Moment verpasst, zum Training zu gehen. Das hat ihn unwahrscheinlich geärgert. Aber es war auch sehr lehrreich, weil er gemerkt hat, wie schwer es ist, sich selbst zu disziplinieren. Wir kontrollieren uns da inzwischen gegenseitig, und er sagt mir auch öfter: "Papa, du sitzt jetzt schon ganz schön lange vor dem Rechner."

Warum kommt man von Online-Spielen so viel schlechter weg als von Brettspielen?

Brettspiele brauchen nur einen sehr begrenzten zeitlichen Rahmen. Zudem sieht man alles, was zum Spiel gehört, sobald man die Schachtel aufmacht. Beim Computerspiel ist das ganz anders: Da schauen wir durch ein Fenster in eine Welt, die wir nur in Ausschnitten sehen. Eine Eigenschaft von uns Menschen ist es, entdecken zu wollen. Und im Computerspiel können wir immer noch hinter die nächste Ecke gucken, hinter den nächsten Hügel rennen - und darüber die Zeit vergessen.

Wie lange gibt es eigentlich schon Spiele?

Seitdem es Menschen gibt.

Und warum hören Erwachsene irgendwann mit dem Spielen auf?

Das ist schade. Viele Erwachsene denken, Spiele seien alberne Kindereien. Dabei tut Spielen so gut. Im Spielen suchen wir nach Problemen, die wir lösen können. Im echten Leben dagegen gehen wir Problemen aus dem Weg, weil wir das Gefühl haben, sie würden uns hemmen. Wenn wir spielen sind wir positiv gestimmt. Es gibt da ein schönes Beispiel: An einer Kreuzung ist ein Blitzer, in den viele Leute reinrauschen. Es blitzt - und alle ärgern sich. Irgendwann wurde das System geändert. Jetzt wurden nur noch die Autofahrer geblitzt, die sich an der Stelle korrekt verhielten - und mit jedem Blitz hatten sie die Chance, in einer Lotterie die Strafgelder der Verkehrssünder zu gewinnen. Und plötzlich wurde die Stimmung besser. Jeder hat sich gefreut, der geblitzt wurde. Vor allem aber sind die Leute nicht mehr bei Rot rübergefahren.

Was macht ein Spiel zum guten Spiel?

Ein berühmter Spiele-Entwickler hat mal gesagt: Ein Spiel ist dann gut, wenn es so viel Glück beinhaltet, dass der Verlierer sagen kann "Du hattest nur Glück" und so viel Können, dass der Gewinner sagen kann "das war mein Können".

Ist es in Ordnung, wenn am Ende einer heult?

Das ist schon in Ordnung, aber ich versuche das eigentlich zu vermeiden. Spielen heißt Lernen, Erfahrung sammeln, am Leben teilhaben. Und dazu gehören leider auch: Niederlagen, Rückschläge - und eben Verlieren.

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Quelle:
SZ vom 31.12.2016
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